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Ungestümes Herzklopfen gebannt in Synthiepop: Das Duo Format 800 hat seine erste EP „Elektrisch“ rausgebracht – Der Gifhorner Sänger Yannick Kutscher sinniert darauf über große Gefühle

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 07.11.2021
Ungestümes Herzklopfen gebannt in Synthiepop: Das Duo Format 800 hat seine erste EP „Elektrisch“ rausgebracht – Der Gifhorner Sänger Yannick Kutscher sinniert darauf über große Gefühle

Format 800 nennen David Gold (links) und der Gifhorner Yannick Kutscher ihr Synthie-Pop-Duo. Analoge Synthesizer und der soulige Gesang bringen die 80er Jahre mit viel Respekt in die Jetztzeit.

Foto: Hans-Dieter Brand

Von wegen Schulterpolster und Rubiks Zauberwürfel! Das Synthiepop-Duo Format 800 bedient sich zwar bei dem Jahrzehnt, für das diese Beispiele gern herangezogen werden, doch weitab solcher Klischees: Auf der Debüt-EP „Elektrisch“ transferieren Yannick Kutscher und David Gold mit authentischen analogen Synthesizern und souligem Gesang den musikalischen Geist der 80er Jahre in die Zukunft. Und generieren etwas, das es in den 80ern fast gar nicht gab: Synthiepop mit deutschen Texten, der kein Schlager ist. Yannick spannt für KURT den Bogen von seinen Gifhorner Hip-Hop-Wurzeln zu den neuen Songs, die er bereits für Format 800 in Arbeit hat.

Bewusst erlebten beide Protagonisten von Format 800 die 80er nicht mal: Yannick ist Baujahr 1990, David immerhin 1987. „Format 800 ist auch eher aus der Leidenschaft von David entstanden“, verrät Yannick, „aber er hat mich damit gepackt.“ Die warme Musik generiert David mit analogen Synthesizern und Drummachines. „Er hat alte Klassiker im Studio stehen“, sagt Yannick, und damit produziert der Musiker eine handgespielte Musik, die er lediglich „an ausgewählten Stellen“ am Computer bearbeitet. Die eingefügte Gitarre ist sogar ganz echt, dafür hat David Kontakte, in diesem Fall zu Reiner Krischfink, der einzelne Songs mit seinem Sechssaiter veredelt.

Die Musik entspricht dabei nicht dem hedonistischen Party- oder artifiziellen Plastiksound mancher 80er-Hits, sondern vielmehr dem eher melancholischen Wave-Pop, zu dem man gleichzeitig hervorragend über die Inhalte sinnieren und tanzen kann.

Dabei ist die Besonderheit bei Format 800, dass Yannick seine Texte auf Deutsch verfasst – das war in Kombination mit solcher Musik in den 80ern eher selten in den Hitparaden zu hören. „Ich habe versucht, Falco-eske Momente zu integrieren“, verweist Yannick auf einen Bezug, der ihm dazu einfällt. Sänger wie Grönemeyer, Kunze, Lindenberg oder Müller-Westernhagen waren damals vielmehr dem Deutschrock zugeordnet, Acts wie Münchener Freiheit oder Juliane Werding trotz eingearbeiteter Synthie-Sounds sogar eher dem Schlager, wobei Yannick hier klarstellt: „Ich sehe einen deutlichen Unterschied bei Format 800, ich höre da keinen Schlager heraus!“

Das Duo Format 800 hat seine erste EP „Elektrisch“ jetzt auf den Markt gebracht – und das nächste Projekt ist bereits in der Mache.

Foto: Hans-Dieter Brand

Da haben die beiden Künstler nämlich ganz andere Einflüsse: Für David sind dies Bands wie Genesis, Toto oder Mike & The Mechanics sowie Hits wie „Easy Lover“ von Phil Collins, „Push It To The Limit (Scarface)“ von Paul Engemann oder „I Wanna Be Your Lover“ von Prince. Diesen Künstler nennt auch Yannick und ergänzt neben besagtem Falco, dass er seinerzeit allenfalls mit Hip Hop aus den 80ern sozialisiert wurde, etwa dem von Run DMC. Diese Rap-Wurzeln hört man hier indes nicht mehr.

Die Idee zu Format 800 trägt David derweil schon seit zwei, drei Jahren mit sich herum. Die ersten in dieser Zeit entstandenen Beats holten die beiden vor einem Jahr „aus der Corona-Lethargie“ zurück aus der Schublade, dichteten neue Lieder und lösten damit eine Kettenreaktion aus, so Yannick: „Wir hatten plötzlich zehn bis zwölf Songs, von denen wir jetzt vier veröffentlichen.“ Diese vier ergeben nun also mit zwei kurzen Zwischenspielen die EP „Elektrisch“. Die gibt es derzeit ausschließlich digital, auf YouTube, Spotify oder Bandcamp, nicht jedoch in physischer Form, was bei dem formalen Rahmen eigentlich nahe läge. „Das haben wir bislang nicht nicht in Erwägung gezogen“, erläutert Yannick, denn im Fokus stand für die beiden, zunächst mit den Stücken „eine kleine Fanbase“ aufzubauen und das Feld zu sondieren. „Wir waren uns nicht sicher, ob wir gleich Abnehmer finden für eine LP“, so Yannick, und bleibt mit potenziellen Plänen vage: „Sicherlich vielleicht in der Zukunft.“

In dieser Zukunft liegt auch noch, woran Yannick und David derzeit arbeiten: ein Songzyklus mit einem roten Faden, wie der Sänger verrät. Ob EP oder Album, ist dabei noch unklar. „Wir stehen noch am Anfang“, sagt Yannick, aber: „Es wird eine Gruppierung an Songs, die augenscheinlich einem großen Überthema untergeordnet sind und sich zunächst wie eine Geschichte lesen lassen.“ Viel mehr will er noch nicht verraten, verweist aber auf die Stücke der EP, die nur oberflächlich an zeitgenössische „Wir-leben-den-Moment“-Schlager erinnern und bei genauerem Hinhören eine ironische Doppelbödigkeit offenbaren.

„Es ist uns wichtig, einen regionalen Touch mitschwingen zu lassen“, sagt Yannick (links), der bereits in Gifhorns Hip-Hop-Szene aktiv war.

Foto: Hans-Dieter Brand

Diese humoristische Raffinesse kommt bei den in Arbeit befindlichen Stücken noch deutlicher zum Tragen: „Wir wollen einen Twist einbauen und damit die Aufmerksamkeit der Hörer hochhalten.“ Das Ergebnis ist „tanzbare Musik mit inhaltlicher Tiefe“, so Yannick, die gleichsam die Freude darüber ausdrückt, nach der solitären Coronazeit endlich wieder „am öffentlichen Leben teilzuhaben“.
Vor diesem neuen Release behalten sich Format 800 außerdem vor, gelegentlich einzelne Singles zu veröffentlichen, die nichts mit dem Hauptprojekt zu tun haben, und zwar, „um am Ball zu bleiben“, sagt Yannick. Möglicherweise lässt das Duo auch dazu wieder Videoclips produzieren, wie schon die bisherigen drei, von Noisebird-Media aus Wolfsburg oder Julian Voltmann aus Hannover. David kennt einige der Noisebird-Macher als Musiker, so kam der Kontakt zustande, und nicht zufällig ist in deren Clip zur Single „Sie weiß“ das Wolfsburger Kulturzentrum Hallenbad zu sehen, wo auch David sein Studio betreibt. Yannick nickt: „Es ist uns wichtig, auch einen regionalen Touch mitschwingen zu lassen.“ So ist in „Dabei“ ein rotes Golf-Cabrio zu sehen – das Wolfsburger Erdbeerkörbchen, seinerseits ein Synonym für die 80er.

Wie schon bei den physikalischen Formaten ist heute ebenfalls noch unklar, ob es Format 800 dereinst live geben wird. „Das hat sich durch Corona bislang weitestgehend erübrigt“, sagt Yannick, daher berücksichtigte das Duo diese Frage zunächst gar nicht. „Wir sind eher darauf bedacht, zu produzieren und unsere Musik an die Frau und den Mann zu bringen.“ Vorstellen kann er es sich indes schon, David hinter den Synthesizern, er selbst am Mikrofon, einen Gitarristen dabei, und wer weiß, womöglich sogar einen Saxophonisten. Aber das ist Zukunftsmusik – genau wie das Projekt, das Format 800 aktuell in Arbeit haben. Bei dem musikalischen Stil, den Yannick und David dafür wählten, fällt einem doch noch eine Klischee-Anspielung an die 80er ein: „Zurück in die Zukunft“!

Format 800:
EP „Elektrisch“
6 Titel, 16:29 Minuten
format800.com www.format800.com
www.format800.bandcamp.com


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