Musik

Statt Studio und Bühne jetzt auf YouTube: Solo-Bassist und Risikopatient Schepper erklärt KURT, wie er mit der Pandemie klarkommt

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 03.10.2020
Statt Studio und Bühne jetzt auf YouTube: Solo-Bassist und Risikopatient Schepper erklärt KURT, wie er mit der Pandemie klarkommt

Michael „Schepper“ Schaefer musiziert zurzeit eigentlich nur im Haus – fürs Foto kam er aber vor die Tür. Seine zahlreichen Bässe sind häufig Sonderanfertigungen und ebenso authentisch wie seine Musik.

Foto: Çağla Canıdar

Einmal angestochen, entsprudelt dem Mann Anekdote um Anekdote um Anekdote, von seiner Zeit mit den Crazy Crashers in Brome, von Auftritten mit Baba Yaga und Rustguard unter anderem in Gifhorn und von seiner Zeit als Solo-Bassist in Braunschweig. Doch darum soll es dieses Mal nicht gehen, sondern vielmehr, wie man als Angehöriger der Risikogruppe in Corona-Zeiten ohne Auftritte und Studiozeit künstlerisch aktiv sein kann: Dafür wählte der 52-jährige Schepper, einigen auch bekannt als Michael Schaefer, nämlich das – zumindest für ihn neue – Medium YouTube, auf dem er sich austobt. Und natürlich fallen ihm beim Erzählen darüber allenthalben unterhaltsame Anekdoten ein. So muss das!

„Authentisch“ soll sein Kanal sein, betont Schepper, deswegen bekommt man den Bassisten auf YouTube ungeschönt, ohne Scheinwerfer und ohne technische Spielereien zu sehen, mit einfachem Equipment, „einfach draufgehalten mit der Kamera und gespielt, live und ohne doppelten Boden, einfach nur Bass mit ein paar Effekten“. Und ohne Ansagen oder Gesang, ein Mikrofon kommt in seinem Wohnzimmer derzeit gar nicht zum Einsatz – aus gesundheitlichen Gründen, denn seit einiger Zeit verhindert eine Erkrankung, dass er zu seinen Liedern wie gewohnt singen kann.

Das war die erste Einschränkung, mit der Schepper seit 2018 zu kämpfen hat, und als wäre das nicht Hindernis genug, kommt seit März auch noch dazu, dass die Corona-Pandemie den gelernten Musikalienhändler mit dieser Erkrankung in die Risikogruppe versetzt. Schepper hat also zwei Gründe, weshalb er aktuell weder auftreten noch ins Studio gehen kann, sondern sich an sein Zuhause in Braunschweig gefesselt sieht.

Trotz der Isolation hat Schepper seinen Elan nicht verloren.

Foto: Çağla Canıdar

Dabei ist der Drang, sich künstlerisch auszudrücken, bei Schepper ungebrochen. Und zum Glück gibt es das Internet – auch ohne Anbindung an herkömmliche Social-Media-Portale findet Schepper seine Plattform in YouTube. Dort veröffentlicht er nun neu eingespielte alte Stücke, wiederentdeckte ältere Live-Aufnahmen und Neukompositionen.

Die Musik, die der Solo-Bassist macht, lässt sich nur schwer überhaupt einsortieren; er versucht es mit „grob zwischen Psychedelic, Progressive, Avantgarde-Rock mit Klassik-Einflüssen“, schiebt ein „komische Bassmusik“ nach, das er sinnierend in „kosmische Bassmusik“ umwandelt.

Das passt alles, und als Besucher seiner Konzerte erlebt man immer wieder, wie ein unbedarftes Publikum zunächst von Scheppers Musik wahlweise erheitert oder erschrocken, dann aber recht schnell begeistert ist. Bei aller Komplexität und Eigenständigkeit ist sie nämlich auch ausgesprochen zugänglich. Die Live-Stücke auf Scheppers YouTube-Kanal untermauern dies. Wichtig ist dem alten Bromer, dass er sich online nicht allein auf Altes konzentriert: „Mir fallen auch neue Sachen ein in der Isolation, zum Beispiel ein neues Stück, ‚Isolation‘“, erzählt er. Und schiebt seufzend nach: „Wenn das alles vorbei ist, muss ich unbedingt ins Studio gehen und alles ordentlich aufnehmen.“ Und auch wieder auf Bühnen bringen.

Das Live-Feedback wiederum fehlt dem Künstler via YouTube nicht zuvorderst: „Ich hab noch keinen Daumen runter gekriegt“, grinst er, und betont, dass es für ihn wichtiger ist, eine Ausdrucksplattform zu haben, als Applaus, „aber es ist schön, wenn es so ist“.

Er weiß, dass seine Musik nicht jedem gefällt, und das soll sie auch nicht: „Dann kannst Du sie noch zum Eier abschrecken nehmen“, grinst er. Und betont: „Das Machen ist das Wichtigste.“ Zwar könne er seine Songs dann ja auch einfach nur für sich aufnehmen, ohne sie zu veröffentlichen, aber das wäre wie „verpufft“, sagt er: „Man gibt sich doch ein bisschen mehr Mühe.“ So ist YouTube für ihn eine coronataugliche künstlerische Ausdrucksform: „Das muss raus, das Zeug, das ist ja da.“

Für den gibt‘s keine Schublade – und für seine Musik auch nicht: Schepper bleibt sich treu und experimentierfreudig.

Foto: Privat

In Albumform ist dieser Ausdruck zuletzt 2013 erfolgt, mit „Bass Trip“, und davor 2011 mit dem Debüt „Plus Bass“. Zuletzt brachte Schepper mit „Sick Bass“ eine Demo-CD unter die Leute, das war 2018, zum Beginn seiner Erkrankung und genau als Reaktion darauf, „als Lebenszeichen, das war ja auch schon so eine Art Isolation, als ich krank zu Hause war, da konnte ich auch nicht auftreten“.
Auftritte unternimmt Schepper seit Ende der 80er, als er in Brome Teil der Rockband Crazy Crashers war, bis 1993. Beliebtester Auftrittsort war für die Band der Kino-Saal, heute Remmler Hof – „da gibt‘s wieder Konzerte“ – und auch das kürzlich abgebrannte Dorfgemeinschaftshaus sowie Privatpartys. „Wir haben auch in Sachsen-Anhalt gespielt, nach der Grenzöffnung, und in Sprakensehl, mit Tempest, mit denen haben wir oft gespielt, auch in Schweimke, aber nicht auf der Heavy-Fete“, erzählt Schepper. Dafür erinnert er sich an einen Auftritt auf dem Bromer Sportplatz beim ersten Deutsch-Deutschen Motorradtreffen, an einen Grenzöffnungs-Gig in Zicherie-Böckwitz und an das letzte Konzert der Crazy Crashers, das bei einem Autohändler stattfand, für den Schepper damals jobbte und mit dem er seinerzeit in einer aufsehenerregenden Aktion die aufgekauften Volvos der Stasi-Größen von Berlin nach Brome holte.

Anlässlich der Veröffentlichung des Buches „Als der Rock‘n‘Roll nach Brome kam“ von Detlev E. Deipenau kam es 2014 sogar zu einer Reunion der Crazy Crashers, allerdings nicht ganz in Originalbesetzung, sondern mit Aushilfe der Greenhorns.

Nach den Crazy Crashers spielte Schepper bei der Heavy-Rock-Band Dragon‘s Dream, von denen es auch ein Demo gibt, und danach bei dem Progressive-Rock-Trio Baba Yaga. „Das war geil“, sagt der Bassist, denn im Trio musiziert er am liebsten, wenn schon nicht solo. „Da kann man viel besser arbeiten, sich besser ausdrücken“, sagt er. Und: „Wir haben die Mucke gemacht, auf die ich Bock hatte, und die Musiker waren alle gut.“

Mit Baba Yaga spielte Schepper seinerzeit unter anderem auch in der Gifhorner Sandmühle, ebenso mit der Band, bei der er danach einsprang, der Classic-Rock-Cover-Band Rustguard nämlich, „zwei mal sogar“.

Nach dem Ende bei Rustguard ging es für Schepper sofort solo los, das war 2008. „Ich hatte keinen Bock mehr auf Bands“, erläutert er den Grund. Und nennt die or- und Nachteile davon, solo zu spielen: „Man muss sich auf sich selber verlassen, man ist völlig frei, aber man muss auch alles alleine hinkriegen.“ Er schwärmt von der Unabhängigkeit und der Vielseitigkeit der Auftritte, die sich für ihn seitdem ergeben – „bei Vernissagen, Partys, der Bass-Messe ‚Feel The Bass‘ in Mannheim, in Theatern, im Kino, bei der Braunschweiger Kulturnacht, bei einer Wasserschuh-Weltmeisterschaft, bei Lesungen, zum Beispiel bei ‚Read ‘em All‘“.

Er zieht sein Ding durch: Scheppers Musik ist nicht nach jedermannns Geschmack, aber das schreckt den begeisterten Bassisten nicht ab.

Foto: Privat

Auf diese Weise erschließt er sich ein breit gefächertes Publikum: „Ich bin nicht immer der Haupt-Act, das macht den Reiz aus.“ Was Schepper macht, erwartet man als uneingeweihter Zuschauer nicht – da schließt sich der Kreis.

Dem Solo-Bassisten gelingt das Kunststück, seine Musik bisweilen gar nicht so klingen zu lassen, als wäre er wirklich solo. Dafür stehen ihm ein kleines Arsenal an Effektgeräten und ein Drum-Computer zur Verfügung. Der indes kommt eher bei den Liedern mit Gesang zum Einsatz, „kleine Rockstücke“ nennt Schepper sie. Mit Effekten zu arbeiten macht ihm Spaß: „Neues Effektgerät, neue Ideen, da stecken immer gleich Songs drin, genau wie mit neuen Instrumenten.“ Und davon hat er auch so einige, Bässe, die er selbst modifizierte oder nach eigenen Vorstellungen anfertigen ließ.

Inhaltlich ist Schepper in seinen Liedern so grenzenlos, wie in seinen Stilrichtungen: „Was mir gerade einfällt“, sagt er schulterzuckend. Und zählt auf: „Von der Panspermie-Theorie bis zur Einsamkeit, ich habe neulich einen Song gemacht über Greg Lakes Teppich, oder über sprechende Haushaltsgeräte – oder die Zeit, die ist immer ein gutes Thema in Songs.“ Bei den instrumentalen Stücken greift dies natürlich nicht: „Da kommt es, wie es kommt, wie mich die Muse küsst“, sagt Schepper, und ergänzt grinsend: „Immerhin macht sie das noch.“

Davon kann man sich auf dem YouTube-Kanal überzeugen. Der steht bei Schepper mit dem Corona-Bezug und der gezwungenen Isolation aber auch noch für ein weiteres Phänomen: „Ich bin froh und dankbar, dass ich Hilfe habe, dass Leute, Freunde, Familie, Nachbarn für mich da sind.“ Seiner Ärztin und deren Team sowie der Apotheke ist er außerdem dankbar: „Die bringen mir, was ich brauche, das finde ich super!“ Er betont: „Das ist nicht selbstverständlich – das ist superschön, das Wichtigste überhaupt!“ Und dieser Dank drückt sich eben auch in Musik aus.

Scheppers YouTube-Kanal: www.youtube.com/channel/UCNDKHmEdkOA3GUv5GlmXe6w
Oder über die YouTube-Suche: „schepper bass“


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren