Kopfüber

So schön und schrecklich ist der Sommer: Unser Kolumnist Malte Schönfeld berichtet von einem normalen Tag im Juli

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 14.07.2024
So schön und schrecklich ist der Sommer: Unser Kolumnist Malte Schönfeld berichtet von einem normalen Tag im Juli

Freibad, Capri-Sonne, Liegewiese mit schattenspendenden Linden – doch irgendwann kommen die Mücken. KURT-Kolumnist Malte Schönfeld berichtet von einem stinknormalen Tag im Sommer.

Foto: KURT Media via Dall-E

Samstagvormittag. Offene Fenster im dritten Stock, Benzinergetöse und Menschengerumse. Lange geschlafen wegen Weißweinschorlen am Vorabend mit Freunden. Biergarten – schön, warm, gut fürs Herz. Auch die anderen Plätze waren restlos besetzt, die Schlangen an der Theke meterlang. Lange Tage, kurze Nächte. Und doch sind die Sterne so hell. Gute Laune, ja, blendende Laune. Im Sommer sind die Menschen glücklicher, davon bin ich überzeugt.

Doch am Samstagvormittag ist der Schädel erst mal dick, breit, kreuzfahrtschiffgroß. Die Bettdecke klebt am Körper, das T-Shirt als Sichtschutz auf der Stirn. In der Wohnung sind es gerade wie viel Grad, 30, 35, 50? Geklapper aus der Küche, Gelächter, das dumpfe Bollern der Schränke. Die schwere Haustür fällt ins Schloss – hat jemand Brötchen geholt? Die duften nicht mehr, denn echte Bäckereien gibt‘s kaum mehr, und doch bin ich mir sicher. Draußen der im Sommer nicht nervende Sound einer Fahrradklingel. Aufstehen, anziehen.

Auf der Straße. Es ist komisch, man darf den Eindruck gewinnen, die Luft ist gleichzeitig irre schnell und fast dem Stillstand nahe. Wir sind zu viert und stehen an der Bushaltestelle. Mittagssonne und Beton. Es riecht förmlich heiß. Über den Schultern gepackte Baumwolltaschen, als wir in den klimatisierten Bus einsteigen. Wie geht‘s wohl den Indern jetzt, frage ich mich, als die Kopfschmerztablette wirkt, wie den Sudanesinnen? Auf der Hadsch, der Pilgerreise nach Mekka, sollen in Saudi-Arabien mehr als 1300 Menschen gestorben sein. Wenn das Blut zu kochen beginnt. Ausstieg, und der erste Luftzug trifft einen wie das unvorsichtige Öffnen des Backofens. Im Lebensmittelladen an der Ecke kaufen wir Capri-Sonne und Mate-Limonaden, die wir auf dem Weg durch ein kleines Waldstück zu schlürfen anfangen.

An der Kasse des Freibads erstmals Erleichterung – sofort sind wir dran. Der erste Blick wandert über den gelben Rasen, auf dem ich einige schattige Plätze ausmachen kann. Zur Linken die Liegewiese, auf der hohe Linden stehen, zur Rechten die Pools. Wir lassen uns zwischen mehreren Familien nieder, die vor der Sonne schützend Strandmuscheln aufgebaut haben. Bunte Schwimmreifen, Luftmatratzen und aufblasbare Tiere, die auf der Wiese stehen wie bei einer Safari. Dann das Brennen der nackten Füße auf den heißen Fliesen rund um das Becken, der erste Köpper in den Schwimmer, die Sommersprossen auf der Schulter. Später ungesalzene Freibadpommes und Kaktuseis am Stiel – wie früher in Gifhorn. Die ständige Präsenz der Bademeister, die das Geschehen im Auge behalten und für Sicherheit sorgen.

Abends sprengen wir die trägen Pflanzen in der Kleingartenparzelle, die Kräuter, das Gemüse und die weißen Lilien. Wir haben geräucherten Lachs gekauft und Zutaten für einen Griechischen Salat. Auf dem Laptop schauen wir das Deutschland-Spiel. Der Duft von Anti-Mückenspray, frisch gepflückte Johannisbeeren. Die Haut glänzt in der Abendsonne und doch stechen die verfickten Scheißbiester in Arme, Beine und Hals.

Tage später wälze ich mich im Halbschlaf, doch diesmal habe ich eben nicht arbeitsfrei. Ich schwitze, mein Gesicht ist wie eine Schicht aus Wachs, die Mückenstiche halten mich wach.


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