Abenteuer

So erlebt die gebürtige Gifhornerin Claudia Konkus seit 26 Jahren ihr Abenteuer USA

Sophie Isabell Bremer Veröffentlicht am 11.06.2020
So erlebt die gebürtige Gifhornerin Claudia Konkus seit 26 Jahren ihr Abenteuer USA

Aufgewachsen ist Claudia Konkus in Gifhorn. Heute lebt sie auf einem Bauernhof im US-Bundesstaat Maryland und arbeitet als Deutschlehrerin an einer High-School.

Foto: Privat

Raus aus unserem Städtchen, hinaus in die weite Welt: „Das Leben in Amerika ist spannend – aber ich vermisse Deutschland oft“, berichtet Claudia Konkus (53). Die gebürtige Gifhornerin lebt auf einem Bauernhof im US-Bundesstaat Maryland und unterrichtet Deutsch an einer High-School. Als treue Leserin von KURTs Online-Artikeln haben wir sie kennengelernt und sind neugierig geworden. Via Skype sprachen wir mit ihr über kulturelle Unterschiede, die Zustände an ihrer High-School, die Corona-Pandemie und Donald Trump – „der dümmste Mann, der je hätte US-Präsident werden können“.

Claudia hatte auf Facebook einen KURT-Artikel kommentiert: „Diese Zeitung gibt mir immer wieder Nachrichten aus der Heimat. Danke.“ Doch wer ist eigentlich diese Claudia? Und wo steckt sie? In Gifhorn besuchte sie die Dietrich-Bonhoeffer-Realschule. Und obwohl sie bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr in Gifhorn lebt, hat unser Städtchen einen festen Platz in ihrem Herzen.

Als wir mit ihr skypen, befindet sich Claudia in häuslicher Isolation – ihr Mann wurde positiv auf das Corona-Virus getestet. Zwei Wochen lang darf die Familie nicht das Haus verlassen. „Das kontrolliert aber keiner“, berichtet Claudia. „Es ruft auch niemand an, um nachzufragen, ob mein Sohn und ich Symptome bekommen.“ Dass sich die Pandemie in den USA zur Katastrophe entwickeln würde, habe sie bereits früh erwartet: „Als Trump die Situation immer wieder runtergespielt hat, wurde mir klar, dass es chaotisch wird.“ In ihrem Bundesstaat Maryland im Osten der USA habe es zunächst nicht genug Virustests gegeben – „obwohl Trump behauptete, alle wären versorgt“, so Claudia. „Bei dem Mann ist weder Führung noch Management in Sicht.“

Im Skype-Interview lernte Sophie Isabell Bremer Auswanderin Claudia kennen – und Hündin Callie.v

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Heute wird in vielen US-Staaten gegen die Beschränkungen demonstriert, die aufgrund der Corona-Pandemie in Kraft getreten sind. „Vor allem Republikaner argumentieren, es sei ihr Recht rauszugehen, die berufen sich auf die Verfassung der USA“, erklärt Claudia. „Aber mal ehrlich: Ich bin mit Krankenschwestern befreundet. Die haben durch Corona so viel Leid und Tod gesehen... Was ist mit deren Rechten?“

Unter den vielen putzigen Tieren auf Claudias Bauernhof taucht auch dieses wachsame Alpaka auf.

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Sie erzählt, es gäbe kein Arbeitslosengeld und keine Hilfen für die, die sie wirklich brauchen – allerdings für Staaten mit republikanischer Mehrheit, also die Wählerschaft von Donald Trump. „Ob das moralisch richtig ist? Nee, aber er kann’s ja machen“, sagt Claudia bitter. Sie zeigt uns einen Scheck, den ihr Mann und sie bekommen haben: ein Zuschuss, signiert von Donald Trump. „Damit will ren“, lacht Claudia. „Wir hätten es nicht gebraucht!“ Sie bedauert, der Präsident würde trotz der chaotischen Lage wahrscheinlich nicht an Beliebtheit verlieren. Sollte Trump bei den nächsten Präsidentschaftswahlen im November erneut gewählt werden, habe Claudia die Nase voll: „Vier Jahre seiner Amtszeit haben mir gereicht. Ich bin gar keine Amerikanerin und selbst ich schäme mich!“ Und mit einem Augenzwinkern fügt sie hinzu: „Dann werde ich wohl zurück nach Deutschland gehen müssen...“

Vor 26 Jahren ist Claudia ausgewandert. Ihre Motivation? „Mein Mann“, verrät sie. Mit 22 Jahren hatte sie Gifhorn verlassen, um in Kassel eine Ausbildung zur Hebamme zu absolvieren. Dort lernte sie den US-Amerikaner kennen, der mit der Armee im nahen Bad Hersfeld stationiert war. „Ich war jung, hatte keinen großen Familienanschluss – also dachte ich mir: Warum nicht?“ Zusammen bekamen sie zwei Söhne, die heute 24 und 25 Jahre alt sind. Claudias Hebammenausbildung wurde in den USA jedoch nicht anerkannt. „Mit dem Englischen habe ich mich aber nicht so schwer getan“, überlegt Claudia. Ihr Mann hat nach der Rückkehr direkt wieder angefangen zu arbeiten – so war sie tagsüber mit der redseligen Oma alleine, was ein gutes Sprachtraining für sie war. Zudem las Claudia viele amerikanische Kitsch-Romane – „die waren sehr einfach vom Schreibstil her“ – und schaute viel Fernsehen. „Nach und nach wurde ich immer besser.“

Das kleine Babyschweinchen darf sich bei Claudia wie zu Hause fühlen – „gegessen wird hier nichts!“

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Einen prägnanten kulturellen Unterschied zwischen den USA und Deutschland formuliert Claudia so: „Die Amerikaner leben fürs Arbeiten. Und die Deutschen arbeiten fürs Leben.“ Demnach würden Deutsche generell effizienter arbeiten: „Man arbeitet, dann macht man eine Pause, dann wird wieder gearbeitet.“ In den USA, hingegen, würden die Menschen oft 12 oder 13 Stunden am Tag arbeiten – „davon werden aber einige Stunden verquatscht oder verbummelt, es wird am Computer gespielt... das Ganze ist nicht so strikt.“

Zudem unterscheiden sich die Urlaubszeiten stark – da der Urlaub in Amerika nicht gesetzlich geregelt sei, bekommen Arbeitnehmer laut Claudia oft zu Beginn nur eine Woche Urlaub im Jahr – oder gar keinen. „Wer direkt zwei Wochen Urlaub im Jahr bekommt, hat aber einen super Beruf!“ Im Gegensatz dazu: Arbeitnehmer in Deutschland haben Anspruch auf vier Wochen Urlaub im Jahr. „Normalerweise muss man in den USA erst ein Jahr arbeiten, bis man eine Woche Urlaub bekommt“, so Claudia. „Nach ein paar Jahren kommen dann ein oder zwei Tage dazu. Das geht langsam hier.“ Wer lange in einem Beruf tätig ist, also 12 oder 13 Jahre, bekomme drei Wochen Urlaub – „so ist es bei meinem Mann, der als Baustellenleiter arbeitet“.

„I-Aah! Gibt‘s schon wieder was zu fressen?“, fragen sich diese beiden Esel sicherlich.

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Eine Angewohnheit, die Claudia von ihrer Zeit in Deutschland beibehalten hat, ist ganz klassisch Kaffee und Kuchen am Nachmittag: „Gibt‘s keinen Kuchen, müssen es Kekse sein!“ Ihre schönste Erinnerung an ihre Heimat ist die Gifhorner Natur. „Ich vermisse den Geruch von Gifhorn“, lacht sie. „Das ist eine Mischung aus Tannennadeln, Sand und ein bisschen Tankumseeluft...“, sinniert sie. „Wenn ich nach langer Zeit zurückkehre und das rieche, geht mir richtig das Herz auf. Und ich weiß, ich bin wieder zu Hause.“ Auch an ein traditionelles Gifhorner Fest erinnert sie sich gerne: „Ich weiß noch, als das Altstadtfest bei den ersten Malen ganz klein war. Dann kam jedes Jahr immer mehr dazu. Und: Uns wurden jedes Jahr die Fahrräder geklaut!“ Alte Freunde schickten ihr über die Jahre Bilder von sich auf dem Altstadtfest – „und ich denke mir immer: Hmmmpf, und ich bin hier!“

Der soziale Aspekt ist Claudia zudem sehr wichtig: „Ich vermisse die Gifhorner Altstadt, die Fußgängerzone und das Bummeln. Einfach mit Freunden im Café sitzen und den Tag an sich vorbeiziehen lassen... Das gibt es hier nicht.“ So seien Amerikaner „nicht sehr sozial“, verrät sie. „Sie sind sehr familienbezogen und machen nicht viel mit Freunden. Natürlich gibt es auch Ausnahmen! Aber immer, wenn ich hier eine neue Freundin finde, sagt sie: Ich habe noch nie so eine Freundin wie Dich gehabt!“ Es sei laut Claudia etwa nicht üblich, sich gegenseitig anzurufen. „Es geht oft nicht so tief – und deutsche Freundschaften sind in meiner Erfahrung sehr innig. Oft hat man sogar eine bessere Beziehung zum Freundeskreis als zur Familie.“ Blut sei immer dicker als Wasser in den USA. Nachbarschaftsfreundschaften seien üblich, aber auch eher oberflächlich. „Man weiß, was der Nachbar arbeitet, aber nicht mehr“, erzählt Claudia. „In Deutschland wusste ich, wie hoch das Einkommen meiner Freunde war. Fand ich auch wichtig: Wenn ich eine Freundin hatte, die nicht viel verdient, konnte ich sie offen einladen.“

Claudias Schafe sind super-flauschig: „Ihre Wolle nutze ich gerne zum Stricken.“

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Auf die Frage, ob sie US-amerikanische Politik verfolgt, antwortet Claudia: „Na ja, ich bin Deutsche. Und Deutsche haben immer eine Meinung.“ Außerhalb der USA fielen den Menschen vor allem stolze Trump-Wähler auf, meint Claudia. Vor Ort beobachtet sie aber, dass sich viele schämen: „Er ist nicht so beliebt, wie man vielleicht denkt.“

Laut ihr sind viele Trump-Wähler arm, nicht gut ausgebildet und können den Präsidenten nicht durchschauen – oder andersherum: Sie haben sehr viel Geld und wollen keinen Sozialstaat. „Ich finde es unmöglich, dass sich manche hier hoch verschulden, wenn sie krank werden, da sie nicht versichert sind“, ärgert sie sich. „Ich kenne Eltern, die mit ihren kleinen Kindern nicht zum Arzt gehen, weil sie es sich nicht leisten können!“

Während sich in Amerika die politischen Fronten zwischen Demokraten und Republikanern verhärten, erinnert sich Claudia gerne an eine bessere Diskussionskultur in Deutschland: „Dadurch, dass es mehr Parteien gibt, kann man sich leichter zuordnen. In Amerika gibt es ja nur zwei Stück, das war‘s!“

2018 besuchte Claudia Konkus zuletzt Gifhorn und ihre gute Freundin Dorothee Wiweky-Jähnke.

Foto: Privat

Zum aktuellen Thema des Klimawandels berichtet Claudia, dass sich die Jugendlichen in Amerika nicht sehr damit auseinandersetzen – „so ein Freitag für das Klima wäre hier undenkbar“, meint sie. „Ich unterrichte die 9. bis 12. Klasse. Meine Schüler haben davon noch nie was gehört.“ Viele Menschen in den USA würden glauben, dass der Klimawandel sie nicht gefährden könne. „Aber es gibt Anzeichen wie gefährliche Hurricanes, Dürren und Überschwemmungen. Und die Leute merken langsam, dass etwas passiert.“ So interessieren sich vor allem 20- bis 35-Jährige für den Klimawandel – „sie erkennen, dass es um ihre Zukunft geht. Ich hoffe, dass die junge Generation etwas verändert.“

Auch das Bildungssystem in den USA ist eine Angelegenheit für sich: Amerikanische Kinder und Jugendliche gehen aufgrund der langen Sommerferien im Schnitt nur 180 Tage im Jahr zur
Schule – in Deutschland sind es 244 Tage. „Das heißt, dass deutsche Schulen im Vergleich alle drei Jahre ein Jahr mehr ausbilden als in Amerika!“ Amerikanische Kinder fallen laut Claudia immer weiter zurück. In den USA könne man zudem in der Schule nicht sitzenbleiben – bestehen sie die Abschlussprüfung nicht, werden sie einfach weitergeschoben. „Manche Zwölftklässler sind noch auf dem Niveau der Grundschulausbildung“, bedauert Claudia. Wenn Schülerinnen und Schüler dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben, drohen ihnen zudem keinerlei Konsequenzen. „Ich bin seit sieben Jahren Lehrerin und jedes Jahr wird es schlimmer“, so Claudia. Sie beobachtet, dass viele Eltern keine Kontrolle mehr über ihre Kinder haben – „etwa ein Drittel der Klasse folgt diesem Trend“.

Beste Freundinnen: Dorothee und Claudia gingen in eine Klasse auf der Dietrich-Bonhoeffer-Realschule.

Foto: Privat

Wegen der Corona-Pandemie gibt Claudia nun online Unterricht. „Einmal die Woche bekommen meine Schüler neue Aufgaben, und können an diesen täglich arbeiten“, erzählt die 53-Jährige. „Problematisch ist nur, dass Schüler in fortgeschrittenen Sprachkursen einen knackigen Abschlusstest haben – und dieser wurde jetzt so umgestellt, dass sie die Antworten mündlich aufnehmen müssen. Dabei können wir mit ihnen zurzeit gar keine Aussprache üben!“

Claudia hat an der Universität von Maryland Deutsch studiert und ihr dreijähriges Studium mit einem Lehrerzertifikat abgeschlossen. Sie zahlt nun zehn Jahre lang Studienkosten ab, insgesamt 37.000 Dollar – „das ist billig. Ich kenne Absolventen, die 150.000 bis 180.000 Dollar Schulden haben.“ Manchmal schlage sie ihren eigenen Schülern vor, in Deutschland zu studieren, da es sehr viel günstiger ist – „die können sich gar nicht vorstellen, dass sie in Deutschland keine Studienkosten zahlen müssten“.

Ein paar Jahre wird Claudia noch arbeiten, überlegt aber bereits, in ihren 60ern zurück nach Deutschland zu gehen. Denn: „Je älter ich werde, desto mehr vermisse ich es.“


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