Digitalisierung

Schluss mit Bücher schleppen: Ab der 7. Klasse findet in der IGS Sassenburg digitaler Unterricht statt und die Meinungen darüber gehen auseinander

Luisa Gottschalk Veröffentlicht am 11.05.2023
Schluss mit Bücher schleppen: Ab der 7. Klasse findet in der IGS Sassenburg digitaler Unterricht statt und die Meinungen darüber gehen auseinander

KURT-Praktikantin Luisa Gottschalk hält im Unterricht an der IGS Sassenburg ein Referat über „High-School“-Filme. Der Bildschirm ihres iPads ist mit dem Smartboard der Klasse synchronisiert.

Foto: Michael Uhmeyer

Wie steht’s um die Digitalisierung in und um Gifhorn? Seit Corona und Homeschooling sind Tablets und digitale Lerninhalte im Aufschwung. So auch an der IGS Sassenburg, wo ich – Luisa Gottschalk – zur Schule gehe. Ich bin in der 8. Klasse, absolviere mein Praktikum in der KURT-Redaktion und habe mich an meiner Schule umgehört. Und so viel kann ich verraten: Nicht alle sind einer Meinung.

So fing alles an: Am Ende der 6. Klasse gab es einen Elternabend in Form einer Videokonferenz. Dann bekamen wir eine E-Mail von unserer Schulleiterin Leona Kötke zugeschickt. In dieser E-Mail war ein Link, über den wir unsere iPads in einem Set bestellen konnten. Dieses Set bestand aus dem iPad und einer Hülle. Auf der Website konnte man dann zwischen drei Farben wählen. Ich entschied mich für ein schlichtes Silber und Schwarz. Außerdem brauchten wir einen Apple Pencil, dazu konnte man ein Versicherungspaket buchen. Und das nötige Office-Paket wurde uns kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Zuvor hatten die Schüler ihre eigenen Geräte mitgebracht. Neu war jetzt, nicht mehr eine Vielzahl von verschiedenen Modellen im Unterricht unter einen Hut bekommen zu müssen. „Das hat sich im Unterrichtsalltag als sehr schwierig erwiesen, weil viele Geräte sehr störanfällig, von verschiedenen Herstellern, unterschiedlich vom Batteriezustand und unterschiedlich modern waren,“ erklärt mir meine Schulleiterin Frau Kötke im Interview. Deshalb habe sich die Lehrerschaft für den verbindlichen Einsatz von iPads entschieden.

Inzwischen habe sich nach Aussage von Leona Kötke die verbindliche Einführung der iPads gelohnt: „Die Nutzung ist täglich in allen Klassen gegeben, die mit iPads arbeiten, und tatsächlich hat sich die Es-funktioniert-schon-wieder-nicht-Zeit bei den Geräten praktisch auf Null reduziert. Wir sind sehr zufrieden, weil die wichtige Lernzeit viel intensiver genutzt werden kann und die digitalen Geräte das Lernen unterstützen.“

Es war von Vorteil, dass alle Apps die für die Schule benötigt werden, vorinstalliert waren. Dazu gehört beispielsweise „Classroom“. Über diese App können die Lehrer sehen, mit was sich die Schüler an ihren iPads beschäftigen. Wer nicht dem Unterricht folgt, sondern stattdessen „Doodle Jump“ oder „Candy Crush“ spielt, wird auf diese Weise manchmal ertappt und dann gerüffelt. Außerdem sind die iPads durch diese App mit der Schule vernetzt. Das bedeutet, dass die Schüler in der Schulzeit keine Apps aus ihrer Freizeit nutzen, öffnen oder neu installieren können. Allerdings ist es vielen Schülern schnell gelungen, diese Sperre mit einem einfachen Trick zu umgehen – doch wie bei einer guten Zaubershow sollte man nicht jeden Trick verraten.

Auch laut Jonas Stroth, zuständiger Lehrer für die iPad- und Office-Verwaltung, besteht die Versuchung, dass die Schüler sich mit anderen Dingen beschäftigen als sie eigentlich sollten: „Allerdings haben die Lehrkräfte durch das Mobile Device Management und durch die administrative Steuerung der Geräte eine gute Kontrollmöglichkeit über den Einsatz im Unterricht“, erklärt er. Ein Nachteil sei auch, dass die Schüler für die (fein-)motorische Entwicklung eigentlich mit Papier und Stiften arbeiten sollten. „Aber immerhin nutzen sie einen digitalen Eingabestift, welcher dem Gefühl, einen Stift zu halten, sehr nahe kommt.“ Um die Handschrift möglichst real nachzuahmen, kann man auf dem iPad eine Folie installieren, die beim Notieren das Gefühl, auf Papier zu schreiben, vermittelt.

Erlaubt mir einen kurzen Exkurs in die vergangenen Jahre: Ich habe während der Pandemie leider das Homeschooling miterleben müssen und war dadurch quasi zum Einstieg in die digitale Unterrichtswelt gezwungen. Ich musste beispielsweise oftmals E-Mails verfassen, wenn ich Fragen hatte und Aufgaben bearbeitetet habe. Auch an Videokonferenzen musste ich teilnehmen. Dies ist mir teilweise recht schwer gefallen, weil ich zuvor lediglich ein Tablet oder einen Computer bedient, aber noch nie richtig damit gearbeitet hatte.

Digitalisierung an der IGS Sassenburg: Die Schüler arbeiten an ihren iPads, Lehrer Frank Gaubinger erklärt die Aufgabe am Smartboard.

Foto: Michael Uhmeyer

Ich kann jedoch auch von mir sagen, dass ich nach einiger Zeit immer routinierter geworden bin. Ich habe dabei meine Erfahrungen gesammelt und bin schlussendlich sehr gut mit dem digitalen Lernen zurechtgekommen. Trotzdem erlebe ich auch immer wieder Rückschläge – zum Beispiel ist mir beim Verfassen eines großen Textes, an dem ich lange gearbeitet hatte, der Inhalt verloren gegangen, da das Zwischenspeichern nicht automatisch funktioniert hat. An dieser Stelle hätte ich mein iPad am liebsten aus dem Fenster geschmissen. Immer wieder kommt es auch vor, dass die Batterie der iPads leer ist, weil es nicht ausreichend geladen wurde oder zu lange angeschaltet war. Unsere Lehrer stellen uns dann zur Abhilfe gerne mal Powerbanks oder Ladegeräte zur Verfügung, wenn die eigenen vergessen wurden.

Doch was denken die Lehrer über diese chaotische Zeit? iPad- und Office-Verwalter Stroth meint: „Der Einstieg in die Digitalisierung für die Schüler begann durch Herausforderungen und Schwierigkeiten an den Geräten. Hinzu kam die lange Nutzung.“ Doch das Homeschooling habe in der Rückschau auch etwas Gutes gebracht: eine Eingewöhnungsphase für das digitale Lernen in der Schule selbst. „Von Vorteil ist auch, dass die Schüler eine bessere Vertrautheit mit ihren Geräten haben, weil sie vorher über Gefahren und Verhaltensweisen im Internet aufgeklärt worden sind.“

Seit einem Jahr arbeiten wir nun mit den iPads im Unterricht. Auch die Schulbücher sind inzwischen darauf installiert, wir müssen keine Bücher in Papierform mehr anschaffen. Mir persönlich gefällt das sehr gut, weil ich keine schweren Bücher, Hefte oder Mappen mehr schleppen muss. Meine Mutter ist allerdings der Meinung, ihr werde der Einblick in unsere Unterrichtswelt erschwert, da sie nun keine dicke Mappe mit Eselsohren mehr in die Hand nehmen könne, um zu schauen, was im Unterricht gerade so läuft.

Doch was denken meine Klassenkameradinnen und Klassenkameraden: lieber analog oder digital?

„Da ich gut mit dem iPad zurechtkomme, bevorzuge ich digitales Arbeiten“, erklärt Hannah Williges und fügt an: „Ich habe keine Kopfschmerzen und kann mich immer gut auf den Unterricht konzentrieren.“ Andere Mitschüler hingegen klagen über Kopfweh, wie Julia Pulverenti: „Manchmal bekomme ich Kopfschmerzen oder merke, dass der Bildschirm meinen Augen nicht guttut.“ Viereckige Augen nennt man das wohl. Nico Ziegler sieht das anders: „Solche Probleme wie Kopfschmerzen oder das mit den Augen habe ich nicht. Sowieso arbeite ich lieber digital.“ Dazu ergänzt Julia Pulverenti begeistert: „Ich finde auch, dass man mit dem iPad viel schneller ist.“ Dadurch ist zum Beispiel die Kram-Phase vor Unterrichtsbeginn passé – und die nahm immerhin häufig bis zu zehn Minuten ein. Denn das Mitbringen von Büchern ist Geschichte, das freut Hannah Williges besonders: „Ich mag es gern, nun keine Bücher mehr schleppen zu müssen.“ Außerdem lösen die iPads ein weiteres Problem, wie Nico Ziegler erklärt: „Ich finde es gut, dass beim Tippen meine Rechtschreibfehler korrigiert werden.“

Aus meinen Erfahrungen kann ich sagen, dass auch ich lieber digital arbeite, weil viele Arbeitsschritte einfach schneller möglich sind – ein wissenschaftlicher Taschenrechner, wie er für die Sekundarstufe ll benötigt wird, kann beispielsweise als App heruntergeladen werden. Dadurch ergibt sich auch eine nicht unerhebliche Kostenersparnis und man hat ihn integriert immer dabei. Die Ausrede „Habe ich zu Hause vergessen“ ist damit Schnee von gestern. Doch die Kopfschmerzen und viereckigen Augen, von denen einige Mitschüler sprachen, kenne auch ich leider nur zu gut. Gerne schicke ich mit meinen Freunden auch mal kleine Nachrichten über AirDrop hin und her, was ursprünglich zum unkomplizierten Teilen von Dateien gedacht ist.

In meiner Schule gibt es übrigens nicht nur iPads, sondern auch digitale Tafeln, welche man Smartboards nennt. Auf diese kann man mit Whiteboardmarkern schreiben. Die Tafel wird über AirPlay mit einem Computer oder einem iPad verbunden. Das wird zum Beispiel für Ergebnispräsentationen genutzt. Die Lehrer nutzen AirPlay für ihren Unterricht auch, um etwa eine Buchseite zu zeigen oder eine Aufgabe zu erklären. Und YouTube-Videos können, wenn sie zum Unterrichtsinhalt passen, auch abgespielt werden.

Mit Hilfe einer Fernbedienung lässt sich die „Einfrierfunktion“ herstellen – so können die Lehrer beispielsweise parallel eine E-Mail lesen, während die Schüler eine Buchseite auf der Tafel sehen. Office-Verwalter Jonas Stroth meint, dass er die digitale Arbeit bevorzuge, da sie eine große Vielfalt an Methoden und Anwendungen bietet. „Mit den iPads können viel mehr Produkte erstellt werden, in denen sich Schüler mit unterschiedlichen Inhalten auseinandersetzen können. Es können beispielsweise digitale Präsentationen, kleine Fotostorys, Filme, Clips und Podcasts erstellt werden.“ Je nach Unterrichtsfach gebe es ganz verschiedene Herangehensweisen, welche im Unterricht ausprobiert und regelmäßig angewendet werden können. Jonas Stroth erläutert: „Es ist etwa möglich, im Literaturunterricht im Zusammenhang mit einem Theaterstück eine Szene zu interpretieren und nachzuspielen. Wenn einem Schüler das nicht so gut gelingt, kann er die Szene alternativ in einer graphischen Arbeit darstellen.“

So sehen die digitalen Notizen auf dem iPad von KURT-Praktikantin Luisa Gottschalk aus.

Foto: Bastian Till Nowak

Wir arbeiten mit der Microsoft-App OneNote. Sie funktioniert so: Am Anfang eines neuen Schuljahres erstellen die Klassenlehrer ein digitales Kursnotizbuch. Unser aktuelles wurde mit „8a“ benannt. Darin befinden sich Ordner für die verschiedenen Fächer und Themen, wofür uns Arbeitsblätter zum Bearbeiten eingestellt werden. Die Lehrer können jederzeit Einblick in unsere digitalen Sammlungen nehmen und uns Rückmeldungen dazu geben, indem sie Bemerkungen reinschreiben. Der rote Kugelschreiber von früher hat also ausgedient und benötigt keine neuen Minen mehr. Den Zugangslink zum Kursnotizbuch senden uns die Lehrer. Wir brauchen uns nur mit unseren Microsoft-Daten anzumelden und der Rest passiert automatisch.

Ich komme sehr gut mit OneNote klar, es ist sehr übersichtlich und die Seiten der vergangenen Stunden sind viel schneller greifbar. Des Öfteren treten trotzdem ein paar Probleme auf, dann ist unser IT-Spezialist Jonas Stroth der richtige Ansprechpartner.

„Bei den Lehrkräften beziehen sich die meisten Fragen auf Anwendungsmöglichkeiten und auf Fortbildungen zu den digitalen Endgeräten“, berichtet er. Es bestehe Handlungsbedarf, die Lehrer auf die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten vorzubereiten und sie in ihrer eigenen Kompetenz zu unterstützen, erklärt Jonas Stroth. „Viele Lehrer sind bereits gut informiert und probieren neugierig andere Möglichkeiten aus, welche sie im Unterricht nutzen können. Doch ebenso viele halten sich eher zurück und bräuchten noch mehr Anleitungen und Ideen zur sinnvollen Nutzung der Endgeräte im Unterricht.“ Die meisten Probleme seien jedoch technischer Natur und liegen in der Struktur des Betriebsystems der Geräte, erläutert er. „Diese lassen sich aber meistens selbst oder mithilfe einer anderen Lehrkraft lösen.“

Ein häufiger Kritikpunkt in Bezug auf die Anschaffung der iPads seien laut Leona Kötke die hohen Anschaffungskosten der Geräte. Das könne sie auch absolut nachvollziehen, erklärt die Schulleiterin. Allerdings seien die vorgegebenen Geräte technisch sehr ausgereift und punkten mit einer vergleichsweise langen Lebensdauer.

Der Gesamtbetrag für mein iPad mitsamt Zubehör lag bei 722 Euro. Darin enthalten ist auch eine Versicherung gegen Defekte, Beschädigungen und Diebstahl. Vor kurzem war mein Apple Pencil kaputt. Wir hatten ihn daraufhin reklamiert, nach einer Woche ist er unkompliziert ersetzt worden. Auch die Erfahrungen meiner Klassenkameraden bei Beschädigungen oder Defekten waren durchweg positiv und die Geräte wurden in relativ kurzer Zeit ersetzt oder repariert, so dass die Nutzung schnell wieder fortgeführt werden konnte. Während sich das iPad in der Reparatur befindet, kann man ein Leihgerät bekommen. So können die Schülerinnen und Schüler weiter digital arbeiten und behalten den nötigen Zugriff auf ihre Arbeitsblätter.

Meine Schulleiterin Leona Kötke erklärt, dass die Anschaffungskosten kein Hindernis sein müssen: „Familien können einerseits eine Ratenzahlung mit derzeit null Prozent Zinsen und sehr geringen Teilzahlungen vereinbaren. Andererseits steht unser Förderverein als mögliche Unterstützung zur Verfügung.“

Für Familien, bei denen all diese Lösungen nicht greifen, würden schulische Leihgeräte bereitgestellt, versichert die Schulleiterin.


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