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Saaliimo ist Gifhorns Social-Media-Boss - 600.000 Follower bei TikTok, 26 Millionen Video-Klicks

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 27.09.2020
Saaliimo ist Gifhorns Social-Media-Boss -  600.000 Follower bei TikTok, 26 Millionen Video-Klicks

Im Social Media TikTok macht Saaliimo kaum einer was vor. Mehr als eine halbe Million Follower schauen dort seine kurzen Videos. Und ja, Geld kann der 21-jährige Gifhorner damit auch ganz gut verdienen.

Foto: Çağla Canıdar

Mehr als 600.000 Follower auf TikTok, mehrere Zehntausend Follower auf Instagram, dazu sein YouTube-Account, der gerade gepusht wird: Saaliimo ist ohne Frage Gifhorns Social-Media-Boss. Und dennoch hat bisher niemand mit ihm gesprochen. Um dem ganzen Phänomen Saaliimo endlich auf den Grund zu gehen, trafen sich KURT-Mitarbeiter Malte Schönfeld und KURT-Chefredakteur Bastian Till Nowak mit dem TikToker in Gifhorns Restaurant L‘Osteria. Im Raum stand dabei ein und dieselbe Frage: Ist das vielleicht Gifhorns aktuell größter Star?

Die Geschichte fängt im Juli an. Ich liege bei einem Kumpel auf dem Sofa, die Beine lang gestreckt, wir gucken schlechtes Abend-Fernsehen und essen Tütenchips. „Hast du dieses Video hier gesehen?“, fragt er mich und schiebt mir sein Handy rüber. Widerwillig hebe ich das Handy hoch, und ich sehe mir das Video von einem jungen Typen an, der bei Eis Dolomiti eine kleine Szene macht. „Wer hat dieses Eis gemacht?“, fragt er immer wieder den Eisdielen-Besitzer Giovanni Giacomel, in lautem Tonfall, so dass es auch wirklich jeder Tisch hört. „Wer hat dieses Eis gemacht? Das schmeckt köstlich!“ Der junge Typ in dem bunten Karl-Kani-Shirt schleckt noch ein mal an seiner Waffel und stapft weg. „Lustig, oder?“, fragt mich mein Kumpel und hängt an: „Das hat mehrere Hunderttausend Klicks bei TikTok. Für einen Gifhorner nicht so schlecht.“ Ich überlege kurz. „Wie heißt er denn überhaupt?“, frage ich und reiche das Handy zurück. „Saaliimo heißt er“, entgegnet mir mein Kumpel, und wir zappen weiter durch das öde TV-Programm.

Den Content weiterzuentwickeln, ist laut Saaliimo das wichtigste. Dazu gehören auch die Straßenumfragen.

Foto: Çağla Canıdar

Faszinierend, denke ich mir. Zum einen, weil ich wirklich schmunzeln musste, was mir äußerst selten bei Internet-Videos passiert. Zum anderen, weil mein Kumpel Recht hat. Denn so viele Klicks für ein Handyvideo, das in Gifhorns Fußgängerzone aufgenommen wurde, sind beachtlich.

Einige Tage später stehen wir in der KURT-Redaktion, meine Kolleginnen und Kollegen kennen die Aufnahme bereits. Über den Unterhaltungsfaktor ist man geteilter Meinung. Trotzdem ist relativ klar, dass wir diesen schneidigen Typen aus dem Video in unserem Magazin brauchen: Jung, direkt, mutig – das passt! Ich schaffe es, mit Saaliimo einen Termin auszumachen. Am Telefon erzählt er mir, dass es erst in drei Wochen was wird. Vorher sei er noch in München, Berlin, Promotermine halt, dann eine Woche im Urlaub. Gut beschäftigt der Mann, denke ich mir. Wir verabreden uns für ein Essen in der L‘Osteria.

Drei Wochen später sitzen wir beim lauschigen Italiener in der Gifhorner Altstadt. Ein Dutzend Wespen, ansonsten ein wirklich schöner Sommerabend. Saaliimo kommt angeschlendert: lockerer Gang, eine modisch aufgewetzte Jeans, auf seinem weißen T-Shirt steht „Heroes“, die bauschig hoch frisierten Haare sitzen wie ‘ne Eins. Formale Begrüßung, etwas angespannt alle. Könnte an Corona liegen, an den Wespen, wer weiß. Doch nach wenigen Augenblicken ist das Eis gebrochen.

Mama Soumiya wird ab und zu auch bei TikTok dazugeschaltet.

Foto: Çağla Canıdar

Saaliimo heißt eigentlich Salim Hintze, ist 21 Jahre alt und gebürtiger Gifhorner. Und ganz eventuell ist er als TikToker auch einer der größten Stars, die es in der Mühlenstadt gibt. Wir Gifhornerinnen und Gifhorner haben Rock-Ikone Volker Schlag, den kennt jeder. Oder MC Fitti, ein Rapper, Schauspieler und Künstler, der auch schon mal das KURT-Cover zierte. Senta-Sofia Delliponti, seit 2014 besser bekannt als Oonagh, hat es auch noch über die Kreisgrenzen hinaus geschafft. Und genau das zeichnet auch Saaliimo aus: Seine Videos werden nicht nur in Gifhorn geschaut, sondern in ganz Deutschland und sogar Österreich und der Schweiz.

Aufgewachsen ist Saaliimo in Triangel, wo er allerdings nicht – wie vielleicht zu erwarten – den ganzen Tag vor dem Fernseher hockte. „Ich wollte Fußballprofi werden“, erinnert sich Saaliimo. „Nirgendwo bin ich ohne Ball hingegangen.“ Der talentierte Kicker, der später beim MTV Isenbüttel auf Torejagd ging, eiferte seinem Papa nach. „Der wäre auch fast Profi geworden“, erzählt der Gifhorner. Der Apfel fällt also nicht weit vom Stamm. Doch Talent kann noch so groß sein, wenn die Gesundheit nicht mitspielt: Saaliimo zog sich mit 18 einen Leistenbruch zu, kam nie wieder in die Form, wie man es mit Fußballer-Schnauze sagt. Danach zog es den jungen Burschen mit dem gebrochenen Profi-Traum zur Bundeswehr, nach 23 Monaten durfte er sich Hauptgefreiter nennen. Doch so richtig entsprach das Saaliimos Wünschen nicht.

Saaliimo scherzt mit Kumpels übers Po-Grabbeln.

Foto: Çağla Canıdar

Lange Zeit beschäftigte er sich mit YouTube, schaute sich Video um Video an. „Da habe ich mich inspirieren lassen und gedacht: Jetzt oder nie!“, meint der Gifhorner. Wenn es schon nichts mit der Champions League wird, dann doch aber bitte im Internet ein Star sein. „Ich habe gesehen, dass es da Potenzial gibt.“ Und prompt meldete sich der junge Typ mit den großen Ambitionen bei TikTok an, diesem sozialen Medium, das zuletzt komplett durch die Decke gegangen ist. Rund 850 Millionen Nutzer gibt es weltweit, die kleine Unterhaltungsvideos hochladen und anschauen. Meistens sind das Tanz-Performances und Playback-Singen, teilweise nur wenige Sekunden lang. Die krassesten Accounts haben bis zu 75 Millionen Follower, die beliebtesten deutschen Accounts stehen bei rund zehn Millionen. Und dass es dabei nicht nur um Anerkennung, sondern auch viel Geld geht, ist selbstredend.

Tanz-Performances und Lip-Synching – weltweit ein Renner. Saaliimo aber hebt sich ab, macht kurze Straßenumfragen und reist dafür in die größten Städte Deutschlands. Dazu die Idiotentests, also Fangfragen, bei denen man nur blöd aussehen kann, wenn man sie falsch beantwortet. Außerdem gibt es da die Live-Streams, die er mittags und abends abhält. Täglich. Saaliimos Fans fahren darauf ab, können gar nicht genug bekommen. Mittlerweile sind es mehr als 600.000 Follower, die ihm auf Schritt und Tritt folgen. „Es gibt wenige in Deutschland, die denselben Content haben wie ich. Die Leute wollen unterhalten werden, also musst Du Dich auch weiterentwickeln“, weiß der Gifhorner.

Sein Prank in der Eisdiele Dolomiti in Gifhorn ging in den sozialen Medien viral.

Foto: Çağla Canıdar

Man mag darüber schmunzeln, aber Influencer zu sein ist kein Wattepusten. Saaliimo produziert alles selbst oder mit Freunden, die er in Hannover kennengelernt hat. Ausgemachte Social-Media-Kenner mit derselben Leidenschaft wie der Gifhorner. Filmen, Schneiden, Hochladen. „Ich mache jeden Tag bis zu 50 Videos, vorzuproduzieren, ist das A und O“, meint er. Im Gegenteil zu vielen anderen Influencern steht hinter Saaliimo aber kein Management, dennoch weckte das schon die Aufmerksamkeit von Fanta, Hollister und Amazon Prime. „Mein Ziel ist es, lebenslang Influencer zu bleiben. Ich werde noch länger auf der Karte bleiben. Wenn es zu dem Punkt kommt, an dem die Zahlen runtergehen, muss man sich was anderes überlegen“, erklärt der Gifhorner. Und einen Plan B gibt es auch: So viel Geld als Influencer zu verdienen, dass es irgendwann vielleicht etwas mit einem eigenen Klub wird. Zweites Standbein, und so. Zumindest musste Saaliimo nun erst mal ein Gewerbe anmelden, um keine Probleme mit der Steuer zu bekommen. „Das mache ich aber gern, weil ich weiß, dass sich das lohnen wird“, meint er augenzwinkernd.

Den ganzen Ruhm, der dann doch wahnsinnig schnell und innerhalb weniger Monate kam, federt Saaliimo ab. Seine größte Unterstützerin ist nämlich Mama Soumiya. „Am Anfang hat sie noch gesagt, ich solle lieber eine Ausbildung machen. Mittlerweile findet sie das alles aber okay“, lacht der Gifhorner. „Ohne meine Mama wäre ich nicht da, wo ich bin. Sie ist außergewöhnlich.“ Und die 44-Jährige supportet ihren Sohnemann nicht nur hinter der Kamera. „Meine Mama hat mich sogar mal in einem meiner Livestreams geschminkt. Meine Fans finden sie klasse!“

Andere haben einen Bürotisch als Arbeitsplatz, bei TikToker Saaliimo ist es das iPhone.

Foto: Çağla Canıdar

Klasse finden die Fans auch die Straßenumfragen. Manches dabei ist etwas gewöhnungsbedürftig. So fragt Saaliimo in Hamburg ein Gruppe Jugendlicher, was sie an einer Frau interessant finden. Nicht selten ist die Antwort: Arsch und Titten. Manchmal auch etwas überspielt: Charakter natürlich. „Mir dient das zur Unterhaltung“, sagt Saaliimo, der die Leute aus den Videos fragt, ob er sie online stellen darf. „Und wenn sie sich später bei mir melden und sagen, dass ich das Video löschen soll, dann mache ich das auch.“ Saaliimo ist der absolute Filter seines eigenen Kanals. Wer denkt, dass das vor allem männliche Nutzer anspricht, der irrt: Zwei Drittel der Fans sind Mädchen und Frauen. „Ich spreche natürlich auch Frauen an – je nach dem, was zu den Videos passt“, betont der 21-Jährige, der selbst Single ist.

Doch nicht mal bei einem Influencer ist das Leben Friede, Freude, Eierkuchen. Wenn alles etwas viel wird, kann sich Saaliimo auf seine Freunde verlassen. „Und ansonsten suche ich mir einen Ort, wo ich meine Ruhe habe. Es gab einen Zeitpunkt, da habe ich wochenlang nichts gepostet. Entweder die Leute entfolgen Dir dann oder sie machen sich Sorgen“, berichtet der Gifhorner, der auch vorerst in der Zickenstadt bleiben möchte. „Das Interesse daran habe ich nicht verloren, auch wenn es ein bisschen gruselig ist, dass halb Gifhorn weiß, wo ich wohne.“ Und da Saaliimo auch auf der Straße erkannt wird, muss er sich auch mit seinen Hatern herumärgern. „Manche sagen dann TikTok-Schwuchtel zu mir. Viele sind Nichtsgönner.“

Ihm wurde bereits aufgelauert und seine Hauswand beschmiert. So trägt sich der Hass aus dem Internet in die echte Welt hinein. Dagegen geben ihm seine zahlreichen Supporter ein riesiges Feedback: Auf einem Fan-Treffen in Osnabrück kamen mehr als 100 Leute zusammen, bei einer Wiederholung rechnet der 21-Jährige sogar mit der doppelten Anzahl. Ausnahmezustand und Herzrasen in diesen Mengen ausgelöst zu haben, können nur wenige von sich behaupten. „Ich würde es feiern, wenn ich eine große Nummer werde. Dann könnte ich all diejenigen auslachen, die mich immer ausgelacht haben.“

Saaliimo ist Gifhorner durch und durch. Er ist in der Zickenstadt geboren und aufgewachsen. „Das Interesse an der Stadt habe ich nicht verloren, auch wenn es gruselig ist, dass die Leute wissen, wo ich wohne.“

Foto: Çağla Canıdar

Und wie es scheint, ist der Weg zur großen Nummer nicht mehr weit. „Mein nächster Schritt ist es, bei Instagram die 100.000 Follower zu knacken und meinen YouTube-Account zu pushen. Außerdem würde ich gern mit meinem Designteam aus Hannover Pullover, Caps und Shirts drucken. Vielleicht mache ich sogar einen eigenen Song – so Party-Rap-mäßig“, meint Saaliimo. Jetzt leuchten seine Augen wie die seiner Fans.

Am Ende unseres Gesprächs, da liegen mein Stift und Block schon längst wieder im Rucksack, sagt der selbstsichere Gifhorner dann noch was ganz Süßes. Da spricht dann auch weniger TikTok-Star Saaliimo, sondern Salim. „Ich war auch echt ein bisschen nervös. Ich habe bisher erst ein Interview gegeben. Aber es hat mich wirklich gefreut, es hat riesig Spaß gemacht.“

Einen Tag später sitze ich wieder bei meinem Kumpel. Ich erzähle ihm von meinem Treffen mit Saaliimo. „Und, wie war der so drauf?“ Ich antworte, ungelogen: „Ich glaube, er ist aktuell einer der größten Gifhorner. Nur Gifhorn selbst weiß das noch gar nicht.“


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