Raum für Notizen

Rassismus verlernen: Unsere Kolumnistin Mia Anna Elisabeth Timmer checkt ihre eigenen schlechten Marotten und Vorurteile

Mia Anna Elisabeth Timmer Veröffentlicht am 23.03.2025
Rassismus verlernen: Unsere Kolumnistin Mia Anna Elisabeth Timmer checkt ihre eigenen schlechten Marotten und Vorurteile

Zeit, die eigenen Vorurteile und erlernten Rassismen abzulegen, meint Mia Anna Elisabeth Timmer in ihrer neuen Kolumne „Raum für Notizen“.

Foto: Bastian Till Nowak

Ich schaue verängstigt zu Boden, wenn ich an einer Gruppe migrantisch aussehender Männer vorbeigehe. Ich halte mein Portemonnaie fest, wenn mir jemand entgegenkommt, der schwarze Haut hat. Ich frage mich, ob es freiwillig ist, wenn eine Frau Kopftuch trägt. Ich freue mich, wenn jemand anderer Herkunft Deutsch spricht. Das ist rassistisch. Und ich will keine Rassistin sein.

Es ist Gewohnheit, nach unten zu blicken, fix in die Jackentasche zu greifen und unfaire Gedanken zu fassen. Genauso wie jedes Lächeln der Erleichterung, wenn man dann doch einen „guten Ausländer“ vor sich hat. Denn so unterteilen – wie ich mal dreist und frei behaupte – die meisten ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger mit Migrationshintergrund: in die guten und schlechten. Die, die arbeiten, sollen bleiben – hören wir immer wieder. Dass wir damit Menschen entrechten, vergessen viele – oder wussten es nie.

Ist es selbstverständlich, zu unterteilen? Sind es Privilegien, die keiner aufgeben will? Ist es Gedankengut, das unbeabsichtigt über Generationen weitergetragen wird? Sind es die Kindergärten und Schulen, die nicht genügend oder falsch aufklären? Ist das schon Staatsversagen, manche mehr und andere weniger zu schützen? Sind es einfach nur Rassisten, die bewusst den politischen Diskurs verschieben? Oder berichten die Medien doch nicht so neutral?

Über den Magdeburg-Anschlag im Dezember erschienen in Leit­medien 1035 Beiträge. Der Täter: ein 50-Jähriger aus Saudi-Arabien. 951 Beiträge gab es über die Tat in München Mitte Februar. Das Motiv: islamistisch. Wenn hingegen ein rechtsextremer Deutscher eine Todesfahrt durch die Mannheimer Innenstadt verantwortet, reichen 486 Artikel. Ein Auto, ein Anschlag, dasselbe Muster. Doch über Täter mit Migrationshintergrund wird doppelt so häufig berichtet, wie BuzzFeed News Deutschland ausgewertet hat. Sogar ein Afghane, der im ICE bei Gifhorn mit einem Messer droht, schaffte es in die Bild. Der Newsticker klingelt minütlich – und verzerrt die Realität.

„Diese Männer wollen Dich nur für Sex – am Ende heiraten sie eh eine Frau aus ihrem Land“, hörte ich mal. „Gewalt ist in diesem Kulturkreis eben eine Lösung.“ Oder: „Das Kopftuch müssen alle tragen, sobald sie ihre Tage hatten.“ Das ist doch alles Kokolores und endet in Aussagen wie: Auch auf der Braunschweiger Straße will ich wieder in Deutschland leben.

Wie gefährlich dieses Denken ist, spiegelt sich in den Wahlergebnissen wider. Je selbstverständlicher der Rassismus, desto akzeptierter der Rechtsextremismus. Und: Je akzeptierter der Rechtsextremismus, desto selbstverständlicher der Rassismus. Wir befördern uns in eine bedrohliche Spirale – und darauf holen sich die Populisten einen runter.


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