Unsere Vereine im Landkreis Gifhorn
Ohne das Ehrenamt wäre die Gesellschaft viel ärmer: Landeskulturminister Falko Mohrs spricht im Interview über Vereinsarbeit
Malte Schönfeld Veröffentlicht am 26.01.2025![Ohne das Ehrenamt wäre die Gesellschaft viel ärmer: Landeskulturminister Falko Mohrs spricht im Interview über Vereinsarbeit](https://kurt-gifhorn.de/media/pages/blog/ohne-das-ehrenamt-ware-die-gesellschaft-viel-armer-landeskulturminister-falko-mohrs-spricht-im-interview-uber-vereinsarbeit/5aee623989-1737546479/240807-falko-mohrs-0023-1400x875-crop-1.jpg)
Falko Mohrs, Minister für Wissenschaft und Kultur, kennt sich aus in der Kulturlandschaft Niedersachsens. „Ehrenamtliches Engagement ist unbezahlbar“, untermauert der gebürtige Wolfsburger.
Foto: Moritz Küstner
Über kaum eine Gruppe wird so gerne gesprochen wie über die Ehrenamtlichen. „Ohne sie geht es nicht“ – diesen Satz hört man immer wieder, ob bei Kreistagssitzungen oder Sonntagsreden. Dabei ist die Gruppe der Ehrenamtlichen heterogen und deswegen auch wenig adressierbar. Einer der trotzdem einen guten Überblick hat, ist Falko Mohrs, niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur. Im Interview berichtet der 40-jährige Wolfsburger von seinem eigenen Engagement, von Förderungen und dem Verein als Ort des Diskurses. Die Fragen stellte KURT-Redaktionsleiter Malte Schönfeld per Mail, Herr Minister antwortete schriftlich.
Herr Minister, Sie sind Schützenbruder, Mitglied im TV Jahn Wolfsburg und bei der Freiwilligen Feuerwehr Vorsfelde, Pfadfinder und noch vieles mehr. Soll sich das bloß gut im politischen Lebenslauf lesen oder sind Sie wirklich so engagiert?
Über mein ehrenamtliches Engagement, über die Pfadfinderarbeit, habe ich überhaupt erst den Weg in die Politik gefunden. Ich war Jugenddelegierter der UN-Generalversammlung und habe mich im Vorstand des Europäischen Jugendforums für Jugendliche in ganz Europa eingesetzt.
In manchen Vereinen bin ich aber nur förderndes Mitglied, wie bei der Feuerwehr.
In wenigen Monaten kann man Sie sicher bei der Werkstattwoche in Lüben antreffen, für die Sie die Schirmherrschaft übernommen haben. Die Werkstattwoche möchte Kulturschaffende zusammenbringen und wurde einst als Ost-West-Vernetzung ins Leben gerufen. Warum haben Sie genau diesem Projekt Ihre Unterstützung ausgesprochen?
Die Werkstattwoche Lüben bringt Kunst und Kultur in die ländliche Region. Sie ist ein tolles Beispiel dafür, was langfristiges ehrenamtliches Engagement bewirken kann. Das bereichert uns total, so etwas ist wichtig für unsere Gemeinschaft, unsere Gesellschaft. Deshalb freue ich mich, die Werkstattwoche als Schirmherr zu begleiten.
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Impressionen von der Werkstattwoche in Lüben: Die israelische Künstlerin Yael Tiecher (oben) präsentiert die Arbeit „Intense“.
Foto: Michele Pero
Durch ihren Beruf erleben Sie viele Vereine und ihre Entscheidungsträger. Unterscheidet sich da der Landkreis Gifhorn mit seinem Angebot von anderen Regionen? Hat Gifhorn ein bestimmtes Profil?
Gifhorns kulturelle Schwerpunkte liegen in der Bewahrung und Vermittlung des regionalen Kultur- und Naturerbes durch seine Museen, der Förderung von Musik und Kunst durch seine Bildungseinrichtungen sowie der Pflege seiner historischen Architektur. Im ländlichen Raum spielen aber auch soziokulturelle Angebote eine wichtige Rolle, denn sie ermöglichen es allen Menschen, unabhängig von Alter und Herkunft, am kulturellen Leben teilzuhaben.
Manchmal staunt man, was für tolle Vereine es in der Provinz gibt – von der kleinen Theatergruppe bis zum Vorlesekreis. Doch der demographische Wandel zermürbt Initiativen auf dem Land. Wie kann man dem politisch beikommen?
Vereine übernehmen in etlichen niedersächsischen Dörfern die kulturelle Grundversorgung der Region, wenn man das so sagen darf. Sie bringen Menschen zusammen und fördern den Austausch.
Es geht um Fragen des Zusammenlebens in den Dörfern und die Stärkung des Gemeinsinns. Durch bürgerschaftliches Engagement werden insbesondere auch ländliche Regionen gestärkt und belebt.
In diesen Tagen erleben wir Haustürwahlkampf und Plakatekleben als politisches Ehrenamt. Wir hören aber auch von Angriffen auf Politiker. In Steinhorst trat die Grünen-Ratsfrau Sarah Hiltner im vergangenen November zurück und verließ das Dorf, weil sie bedroht wurde. Wird das Ehrenamt zum Risikofaktor?
Leider haben die Kompromissfähigkeit und der gegenseitige Respekt in unserer Gesellschaft abgenommen und der Umgang ist rauer geworden. Einige Menschen sind weniger bereit, aufeinander zuzugehen. Dass Politikerinnen und Politiker, die sich für die Gemeinschaft engagieren, die die Gesellschaft zusammenzuhalten, beschimpft und angegriffen werden, empfinde ich als beschämend. Solche Übergriffe sind Straftaten, die Täter müssen zur Verantwortung gezogen werden. Engagement und Ehrenamt dürfen nicht zum Risiko werden.
Wie streitet man im Verein gesund?
Die Arbeit im Vorstand eines Vereins ist häufig ein Drahtseilakt. Eine gesunde Streitkultur kann aber auch produktiv sein. Es geht darum, respektvoll miteinander umzugehen und auch andere Meinungen zuzulassen. Es sollte immer um die Sache, also um den Verein gehen.
Herr Minister, viele Vereinsvorstände beklagen, dass der Nachwuchs fehlt, der sie ablöst. Wollen die Bürgerinnen und Bürger immer weniger Verantwortung übernehmen?
Die Gründe, warum sich weniger Bürgerinnen und Bürger engagieren, sind vielfältig. Es ist leider schwieriger geworden, Menschen für einen längeren Zeitraum für verantwortliche Aufgaben zu begeistern. Ich habe es immer als Bereicherung für mich erlebt. Ohne Ehrenamt hätte ich vieles nicht erleben und lernen dürfen und wäre heute sicher kein Minister.
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Kunstpädagogin Andrea Grieß führt bei der Werkstattwoche Lüben durch die Ausstellungen im Dorf.
Foto: Michele Pero
Über welche Vereine und Initiativen sind Sie glücklich, weil sie Aufgaben der Verwaltung übernehmen und damit entlasten?
Vereine prägen das Leben im Landkreis ganz entscheidend mit, schaffen Räume des sozialen Miteinanders. Die Kultur schafft öffentliche Debattenräume, und die Demokratie braucht diese Debatten. Ich freue mich aber ganz grundsätzlich über alle, die sich für andere und unser Zusammenleben einsetzen.
Die Kassen sind oft leer – ob in Hannover oder in den Kommunen. In den Vereinen ist die Angst groß, dass Fördermittel gestrichen werden müssen. Droht die organisierte Zivilgesellschaft wegen der Sparpolitik zu erodieren?
Das Ehrenamt ist uns wichtig, die Kultur ist ein Eckpfeiler einer guten und freiheitlichen Zukunft unseres Landes. Niedersachsen ist geprägt von der Vielfalt seiner Regionen. Ich freue mich sehr, dass die regierungstragenden Landtagsfraktionen es trotz der angespannten Haushaltslage hinbekommen haben, die regionale Kulturförderung zu stärken. Wir unterstützen kleine und mittlere Kultureinrichtungen in diesem Jahr zusätzlich mit 2,3 Millionen Euro.
Ohne Ehrenamt wäre unsere Gesellschaft auf jeden Fall sehr viel ärmer. Ehrenamtliches Engagement ist unbezahlbar.
„Verlasse die Welt besser, als Du sie vorgefunden hast“, hat Robert Baden-Powell, Gründer der Pfadfinderbewegung, gesagt.
Die Demokratie wird uns nicht geschenkt. Wir müssen sie uns immer wieder hart erarbeiten und verteidigen.