Es scheint bitter nötig – aber gleichzeitig tut es auch einfach nur gut: Nach jahrelanger Dauerbeschallung, die annehmen ließ, dass man selbst vielleicht der letzte Demokrat in diesem Land wäre, weil alle anderen drumherum autoritären Ideen nachzuhängen scheinen, ist die gegenseitige Bestärkung durch die bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus endlich das Zeichen, dass es vielleicht doch noch nicht zu spät ist und mehr Menschen die freiheitlich-demokratische Grundordnung hochhalten wollen als zuletzt befürchtet. Ja, die Zustimmungswerte einer vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuften Partei steigen zwar kontinuierlich an – aber diejenigen, die Grundgesetz und Menschenrechte verteidigen wollen, sind doch weiterhin spürbar mehr.
So wird es wohl auch jeder und jedem ergehen, die bei der Demonstration am Samstagnachmittag auf Gifhorns Marktplatz dabei waren: Vom Rathaus bis in die Innenstadt hinein zog sich ein buntes Meer ebenso bunter Menschen, einfallsreichen Plakaten und Fahnen diverser Gruppierungen. Die Polizei sagte, es seien wenigstens 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – die Veranstalter sprachen gar von 2500 Leuten. Auf jeden Fall aber weitaus mehr als die erwarteten 500.
Und die Kundgebung war nicht nur eine Demonstration für die freiheitlich-demokratische Grundordnung, sondern auch eine Kunstaktion für dasselbe Anliegen: Eine symbolische Brandmauer gegen Rechts wurde aus bunt gestalteten Pappkartons errichtet – es wurden weit mehr als erhofft, so dass die Brandmauer nicht nur mitten auf dem Marktplatz stand, sondern auch noch die Fassade der St. Nicolaikirche zierte.
Hintergrund der bundesweiten Proteste sind Enthüllungen des Recherchenetzwerks Correctiv, wonach hochrangige AfD-Mitglieder, bekannte Neonazis, Angehörige der Identitären Bewegung und finanzstarke Unternehmer hinter verschlossenen Türen die Vertreibung von Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund und Andersdenkenden aus Deutschland geplant haben sollen. Das Treffen soll im November in einem Hotel bei Potsdam stattgefunden haben.
Warum KURT so wohlwollend über diese Demonstrationen berichtet und die im Regelfall selbstverständliche Distanz zum Berichtsgegenstand bewusst überschreitet? Weil auch wir – unser Verlag, unsere Redaktion – die freiheitlich-demokratische Grundordnung und damit auch die in Artikel 5 festgehaltene Pressefreiheit verteidigt sehen wollen. Weil wir in einem Unrechtsstaat unserer Leidenschaft für freie Berichterstattung nicht mehr ohne weiteres nachgehen könnten. Weil auch wir Journalistinnen und Journalisten Repressalien befürchten müssten, wie sie in anderen autoritären Ländern leider längst an der Tagesordnung sind. Deshalb!
Mehr als 2000 Menschen demonstrierten auf dem Gifhorner Marktplatz für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und gegen rechtsextreme Bestrebungen, diese zu zerstören.
Foto: Michael Uhmeyer
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