Kunst

Nicht alles, was düster ist, muss dunkel sein - Gifhorns Fotografen Jonas Völpel und Tina Kernchen stellen auf der Foto Wien aus

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 26.03.2022
Nicht alles, was düster ist, muss dunkel sein - Gifhorns Fotografen Jonas Völpel und Tina Kernchen stellen auf der Foto Wien aus

Ein Tier schleicht sich durch die Szenerie auf diesem Foto von Jonas Völpel. Ist es ein Fuchs, ein Hund? Man könnte es dem magischen Realismus zuordnen.

Foto: Jonas Völpel

Kunst ohne Publikum ist wie eine Zugfahrt ins Nichts. Fast zwei Jahre tote Hose, kaum Ausstellungen, wenig Filmvorführungen, nur vereinzelt Besuch in den Galerien. Die Welt der Kunst- und Kulturschaffenden war seit dem Pandemiebeginn – das kann man wohl so sagen – ganz schön im Arsch. Beinahe wie ein kleines Wunder wirkt es, dass Jonas Völpel und Tina Kernchen nun auf dem Festival Foto Wien ausstellen dürfen. Die beiden Gifhorner zeigen in ihrer Arbeit „Dunkel bis neblig“ Fotos der vergangenen Jahre und lassen dabei ihre persönlichen Träume zum Medium für das Publikum werden.

Manchmal muss man auch einfach Glück haben, zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Und sich anmelden, das ist auch ziemlich wichtig. So geschehen bei Jonas und Tina, die sich im Sommerhoch 2021 ein Herz fassten und halb überstürzt eine Bewerbung in Richtung der Foto Wien abschickten. So richtig erwartet hatten sie die positive Rückmeldung nicht, schließlich hatte keiner der beiden bisher bei einer renommierten, großen Ausstellung teilgenommen. Der Erfahrungswert war maximal gering. Als die plötzliche Zusage kam, war die Freude dementsprechend groß.

Jonas Völpel ist in Gifhorn geboren, mit 22 zog er nach Hannover, arbeitete erst, fing dann an der Hochschule Hannover ein Studium des Fotojournalismus und der Dokumentarfotografie an. Vor Ort lernte er Tina Kernchen kennen. Die gebürtige Berlinerin hatte bereits auch ein paar Jahre Arbeit hinter sich, bevor sie in Hannover dasselbe Studium wie Jonas startete. Inzwischen wohnen die beiden allerdings in Gifhorn, bei den Eltern von Jonas. Es ist auch irgendwie ein Ding der Pandemie, dass das Leben die beiden raus aus der Großstadt gezogen und rein in die Kleinstadt geschmissen hat.

Natürlich hat es nicht nur mit Glück zu tun, dass Jonas und Tina bei der Foto Wien dabei sind. „Ich habe schon immer fotografiert“, erinnert sich die 34-Jährige. Durch das Studium lernten die beiden das Handwerk des Fotografierens in- und auswendig kennen – vielleicht sogar etwas zu gut. „Mir macht es mehr Spaß, intuitiv zu fotografieren“, erklärt Tina. Sie hat eher die Perspektive einer Künstlerin als einer Journalistin. Richtig klar wurde ihr das vor etwas mehr als zwei Jahren, in Bangladesh, zuvor auch in Thailand. Während die Pandemie sich langsam nach Europa schleppte, gewann sie Abstand von Hannover und der Hochschule. Auch von ihrer Arbeitsweise. Und auch Jonas tut sich mit dem klassischen Fotojournalismus schwer.

Die Gifhorner Fotografen Jonas Völpel und Tina Kernchen dürfen bis zum 27. März auf dem Festival Foto Wien ausstellen.

Foto: Shirin Abedi

Bei der Anmeldung für die Foto Wien musste im Grunde schon das gesamte Konzept stehen. Interessant ist deswegen, dass die Einzelprojekte der beiden zu einem neuen zusammenflossen: „Dunkel bis neblig“ heißt die Arbeit, die nun bei der Ausstellung zu sehen sein wird. „Man erkennt schon, dass es zwei Arbeiten sind“, findet Jonas. In seinen Fotos ist beispielsweise ein wenig Farbe zu erkennen, Tina dagegen arbeitet fast ausschließlich in schwarz-weiß.

Der Ausgangspunkt für „Dunkel bis neblig“ sind die Träume der beiden Gifhorner. In der Beschreibung der Arbeit heißt es: „Träume werden nicht dargestellt, wie sie erlebt wurden, es wird das Gefühl dargestellt, das dabei entstand. Finstere Regungen bleiben nicht länger im Verborgenen und werden verarbeitet. Doch nicht alles, was düster ist, muss dunkel sein.“ Die beiden konservieren nicht nur ihre Träume, sondern auch das, was damit verbunden ist – und erwecken sie durch die Fotos zum Leben. Es ist ein magischer Realismus, der „Dunkel bis neblig“ auszeichnet, ein Spiel mit dem was weg ist, was sicher da ist und was bloß da sein könnte. „Träume – bei so einem Thema sieht jeder etwas anderes“, sagt Jonas.

Auch wenn ein Großteil seiner Fotos in und um Gifhorn entstanden ist, jagte er seine Träume – oder das Gefühl seiner Träume – sogar bis nach Eckernförde, wo sein Opa herkommt. „Ich habe auch viel Erlebtes verarbeitet“ schildert Jonas. Und Tina fügt an: „Man zeigt ja auch seine Verletzlichkeit in den Fotos. Beim Fotografieren möchte ich jeden Tag eigentlich vergessen, was ich wahrnehmen möchte.“ Sie ist der Ansicht, dass man da nämlich den Kopf besser ausknipsen sollte. Später beim Editieren hingegen müssten Kopf und Herz auf einer Linie sein.

Die Arbeit der beiden steht aber ohne Frage auch unter der Fuchtel der Pandemie. „Die Leichtigkeit ist weg, viele Leute sind fertig mit den Nerven“, erkennt Tina. Und so soll „Dunkel bis neblig“ nicht nur ein Medium sein, dass wieder mit dem Publikum in Verbindung tritt. Noch viel mehr möchten die beiden Gifhorner, dass die Besucherinnen und Besucher der Foto Wien über die Arbeit ins Gespräch kommen. „Wir hoffen, dass man sich über diese Fotos austauscht. Dass der eine sagt, bei mir war es so und die andere antwortet, bei mir so. Das ist ja eine interaktive Sache, die die Menschen wieder zusammenbringen kann“, meint Tina.

Einen besonderen Auftritt werden die Fotografen aber sowieso hinlegen: Ihre Arbeit wird nicht in einem herkömmlichen Ausstellungsraum zu sehen sein, sondern im Bus von Jonas Eltern, den die beiden eigens für die Ausstellung ein bisschen umgemodelt haben. In jenem Bus waren die beiden auch für mehrere Monate während der Pandemie zusammen in Portugal unterwegs. Der gemeinsame Urlaub, das gemeinsame Projekt, jetzt die erste gemeinsame Ausstellung – es könnte schlechter laufen.

Festival Foto Wien
Bis zum 27. März
www.fotowien.at

Jonas Völpel
www.jonasvoelpel.com

Tina Kernchen
www.tinakernchen.com


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