Kopfüber
Müde vom Profi-Fußball: KURT-Kolumnist Malte Schönfeld möchte wieder mehr den Amateursport im Kreis Gifhorn unterstützen
Malte Schönfeld Veröffentlicht am 13.08.2023
KURT-Kolumnist Malte Schönfeld fand das Stadionfest des VfL Wolfsburg ganz unterhaltsam. Dennoch ist er dem Profi-Fußball ein wenig über und möchte mehr den Amateursport unterstützen.
Foto: Malte Schönfeld
„VfL, VfL“, rufe ich einsam, zwischen dem Getränkestand und der Nordkurve stehend. Es ist mein zweites Bier, ich habe nur Spiegelei mit Toast gefrühstückt. Der Ennui beim Stadionfest des VfL Wolfsburg, historisch immerhin Deutscher Meister der Fußball-Bundesliga und Pokalsieger, ist allgegenwärtig. Schade. Ich jedenfalls hatte mich gefreut.
4,90 Euro das Bier. Irgendwas mit 6 Euro kostet ein Stück Pizza, draußen vor dem Stadion in einem Food Truck, das ist mir jetzt ein wenig zu viel. Man kennt da ja den gedanklichen Lohn-Preis-Widerspruch. Plötzlich rechnet man wieder nach, was denn jetzt ein Apfel, eine Tüte Milch und ein Stück Butter kosten.
Kostenfrei sind dafür kleine Mitmachspiele: Wer herausfinden möchte, wie viele Kilometer pro Stunde der eigene Fuß so schießen kann, wird Antworten finden. Eine Boulderstation am Betonpfeiler des Stadions ist außerdem aufgebaut. Und so weiter. Für Familien eine tolle Möglichkeit, mit dem Herzensverein in Korrespondenz zu treten. Während die Tochter beim Torwandschießen freidreht, kann Papi endlich mal den Geschäftsführer sprechen. Denn für die Vereinsfunktionäre ist so ein Stadionfest immer die Möglichkeit, sich unter die Kurve zu mischen und nach unten zu versichern, wie unzufrieden „das Band“, wie es in Wolfsburg heißt, mit der Transferperiode ist.
Inzwischen rufen nun ein paar Leute mehr „VfL, VfL“, denn das Testspiel gegen Sassuolo Calcio wurde angepfiffen. Hier dürfen die vom Band beschriebenen Fehleinkäufe erste Fehlpässe begehen. Man merkt schon, dass die alle Fußball spielen können, da sind ein paar magische Füße dabei, die Körper sind athletisch bis in die Haarspitzen. Doch all das reicht nicht, um für Stimmung zu sorgen. Kein Funke, kein Knistern. Das Spiel geht 1:1 aus.
Im Sommer ist die Go-to-Seite transfermarkt.de. Alles rund um den Profi-Fußball, das ganze verruchte Geschäft, wo niemand von außen mehr so richtig nachvollziehen kann, was da eigentlich GENAU passiert, wird hier berichtet. Der Sportjournalismus, sowieso erst Möglichmacher und Steigbügelhalter des fragwürdigen Milliarden-Business, ist hier besonders gut in seinem freien Fall dokumentiert. Und als idiotischer Konsument mache ich da mit.
Wer ist wo im Gespräch, wie hoch ist die Wechselwahrscheinlichkeit von, wer streikt sich aus dem Trainingslager zum neuen Verein – auf transfermarkt.de ist man immer eine Nanosekunde nach dem Vorfall mit einer löchrigen Meldung gefüttert. Es ist total genial: Seitdem die Fußballspieler von Management und Spin-Doktoren darauf trainiert wurden, nur noch in Null-Sätzen zu reden, ist die sogenannte Gerüchteküche mehr denn je am Brodeln. Wo nichts gesagt wird, kann alles reininterpretiert werden.
Nirgends sonst gibt’s so viele scheinbare Insider, die aber total außerhalb stehen. Und Berater sind keine Berater mehr, sondern Entscheider. Es geht alles durcheinander. Da versucht im Sommer – tatsächlich so geschehen – der saudische Prinz dem katarischen Minister einen Fußballspieler für 300 Millionen Euro abzukaufen. Dagegen wirken 4,90 Euro für ein Bier direkt wieder im Rahmen.
Für diejenigen, die nach so einem bescheuerten Propaganda-Event-Sommer die Lust verlieren, gibt’s aber glücklicherweise auch noch diesen anderen Fußball. Alleine in der Fußball-Landesliga treten in diesem Jahr der MTV Gifhorn, der SSV Kästorf, der VfL Wahrenholz und der TSV Hillerse gegeneinander an. Alles Teams mit einer eigenen DNA. Stadion-Hopping bei kurzen Distanzen. Es gibt so viele Vorteile.
Also, support your local Amateursport.