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Lasst Gigi D’Agostino laufen: Unser Kolumnist Malte Schönfeld hält nichts von mutloser Selbstzensur auf Schützenfesten

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 16.06.2024
Lasst Gigi D’Agostino laufen: Unser Kolumnist Malte Schönfeld hält nichts von mutloser Selbstzensur auf Schützenfesten

„Herz statt Hass“ sollte die Botschaft auf den Schützenfesten im Landkreis Gifhorn sein. Doch das geht auch erwachsen ohne das Zensieren von Gigi D’Agostinos Dance-Lied „L’amour toujours“, das in den vergangenen Monaten durch nationalsozialistische Parolen gekapert wurde.

Foto: Michael Uhmeyer / Montage: Michael Arnold

Eintracht und Bürgersinn lautet das Motto des Gifhorner Schützenfestes. In den vergangenen vier Jahren, seitdem ich fest und regelmäßig für das Gifhorner Magazin KURT schreibe, habe ich es immer wieder Schützinnen und Schützen in Interviews und Gesprächen betonen hören. Beide Korps verständigen sich auf diesen Kern – das bestätigten mir schon die Majore. Die Eintracht, ein Zustand der Harmonie und des friedvollen Miteinanders. Der Bürgersinn, die Idee von Nächstenhilfe und tatkräftiger Unterstützung.

Man könnte Eintracht und Bürgersinn auch als Werte beschreiben. Für sie möchten die Mitglieder des Uniformiertes Schützenkorps und des Bürgerschützenkorps eintreten. Sie sollen mitschwingen, wenn der Festumzug durch die Straßen zieht. Wenn die geputzten Säbel zum „Gruß an Kiel“ und „Petersburger Marsch“ präsentiert werden. Und auch, wenn der neue König feierlich proklamiert wird. Immer Eintracht und Bürgersinn. Sollte es da reichen, wenn Brauch und Tradition weitergegeben werden von Generation zu Generation, wie eine pflichtbewusst eingeübte Choregraphie – oder ist es nicht auch eine Haltung im Schützenwesen, im Wesen selbst, die angebracht wäre?

Ich stelle diese Frage von außerhalb. Denn ein Schütze bin ich nicht. Dennoch erinnere ich mich gern daran zurück, wie ich einmal als aufgeregter Junge mit meiner Fußballmannschaft und unseren Eltern mitmarschiert bin. Extra T-Shirts wurden in den Gifhorn-Farben bemalt. Und auch wie ich häufig am Straßenrand stand und nach den geworfenen Bonbons suchte, um mir die Hosentaschen prall zu machen.

Doch plötzlich herrscht big trouble in little Gifhorn. Das Dance-Lied „L‘amour toujours“ des italienischen Produzenten Gigi D‘Agostino ist so wie „Blue“ von Eiffel 65 ein Klassiker der schrecklich-guten Milleniumssorglosigkeit. Und wurde im vergangenen halben Jahr durch Gesänge mit „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ sowie Hitlergruß nicht nur als Liebeslied in Misskredit gebracht, sondern auch zum Code einer rechtsextremen Pop-Kultur. Provokant wie einige Unverbesserliche sind, wurde er nun auch brutal-verfälscht aus dem eigenen Partykeller auf die Schützenfeste im Landkreis Gifhorn geschleppt, was Sprecher der Schützenvereine in Erklärungsnot und die Polizei in Alarmbereitschaft versetzte.

Die Organisatoren schritten vielerorts ein und sorgten dafür, dass das Lied gar nicht gespielt wird. Ich halte das für falsch. Das Lied selbst ist unschuldig und wird erst durch die Interpretation und das nationalsozialistische Gegröle der Rechtsextremen und Trittbrettfahrer verletzend. Sich selbst zu zensieren, ist eine erstaunlich mutlose Schlussfolgerung. Lasst es laufen. Wer dann die Nazi-Zeilen singt, sollte in Eintracht und Bürgersinn vom Zelt geworfen werden. Sollte sich also jemand über das Stigma Volksverhetzung freuen, so wie ein Kind, das trotzig weiter mit Scheiße wirft, muss man zivilisatorisch eingreifen und als Gemeinschaft sagen: Gut, dann ist an dieser Stelle jetzt eben Schluss für Dich.

Die Gifhorner Schützinnen und Schützen könnten an dieser Stelle unter Beweis stellen, dass aus den Werten Eintracht und Bürgersinn wirklich eine praktische Anwendung folgen muss. Wegschauen wäre dann nicht.


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