Musik

Im Kampf gegen Atomexplosionen und Künstliche Intelligenz: Progressive-Artrock-Band Valid Blu veröffentlicht neues Album

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 02.08.2021
Im Kampf gegen Atomexplosionen und Künstliche Intelligenz: Progressive-Artrock-Band Valid Blu veröffentlicht neues Album

Opulente Lichtshow, LED-Wände und fliegende Roboter: Valid Blu machen Artrock auf progressive Weise. Mit Annika Riemer und Dennis Wetzler kommen zwei Bandmitglieder aus Landkreis Gifhorn.

Foto: Kai Kestner

Einfach mal alles komplett anders machen: progressiven Artrock nicht mit männlichem, sondern weiblichem Gesang. Dann sind es auch noch zwei Sängerinnen, ebenso untypisch. Die Musikerinnen und Musiker sind zwischen Anfang 20 und Ende 40 – und sie releasen im Jahr 2021 mit „WFYB.TV“ ein aus der Mode gekommenes Konzeptalbum. Ganz schön viel anders für eine Band. Die Rede ist von Valid Blu, in Eigenschreibweise Valid blU, aus Oebisfelde, mit zwei Musikern, die aus unserem Landkreis Gifhorn stammen. Sängerin Suzen Berlin zwar nicht, dafür erzählt sie im KURT-Interview als Kopf der Band aber die ganze Geschichte dahinter.

Dem Anfang von Valid Blu geht ein Ende voraus: Von 2010 bis 2017 betrieb Suzen (39) mit Gitarrist Peter Schmidt (49) von Oebisfelde aus das Quintett Suzen‘s Garden. Das lief erfolgreich. War Suzen‘s Garden eher im Pop verankert, wollten sie sich irgendwann viel lieber in eine rockige, progressive Richtung orientieren. Daher schlossen sie mit Suzen‘s Garden ab und hoben Valid Blu aus der Taufe.

Mit ihnen kamen Schlagzeuger Dennis Wetzler, ursprünglich aus Ehra-Lessien, und Zweitstimme Annika Riemer, ursprünglich aus Bergfeld, die auch schon zur letzten Tour bei Suzen‘s Garden mitmachte. Als fünfte und somit eigentlich einzige neue Musikerin bei Valid Blu spielt Lena Uhde (alle drei Anfang 20) nun den Bass. Die große Altersspanne der fünf ist für Suzen das Besondere: „Wir haben die gleichen Ziele, das macht das Miteinander so harmonisch.“

Auch besonders ist der Umstand, gleich zwei Sängerinnen zu haben – vor allem in dem Genre. „Es gibt Girlgroups, es gibt das im reinen Metal, im Pop und bei Solokünstlern. Aber im Artrock gibt es das nicht“, glaubt Suzen. Den zweifachen Gesang lobte auch Hannes Jaeckel aus Österreich, der das Album coproduzierte. „Er sagt, die Stimmen harmonieren und ergänzen sich charakterlich“, strahlt Suzen. In diesem Punkt vom Genre abzuweichen, fasst sie wiederum als inhaltlich zum Artrock passend auf: „Wir sind künstlerisch und anders, wir sind frei in dem, was wir tun, und experimentieren, wie wir wollen.“

Künstliche Intelligenz, Fake News und Einsamkeit: Annika Riemer (links) und Suzen Berlin packen mit Valid Blu die ganz großen Themen der Zeit an.

Foto: Kai Kestner

Die Idee für eine Band mit dem Namen Valid Blu und für ein Konzeptalbum hatte Peter schon vor Suzen‘s Garden. Nach dem Umbruch gingen die Fünf in aller Ruhe das neue Projekt an: Sie schrieben Songs, erstellten für das Konzeptalbum auch eine Konzeptshow und bauten ein Image für die Band auf. Pink-Floyd-Fan Suzen lacht: „Jetzt dürfen Songs auch mal über fünf Minuten lang sein.“ Von Anfang an produzierte die Band das Album zudem darauf hin, dass daraus ein Doppel-Vinyl wird – aus Leidenschaft. „Man muss eine Schallplatte bewusst hören, sie auflegen, die Nadel aufsetzen“, schwärmt sie. Deshalb ließ die Band für das Album sogar zwei Masterings anfertigen: eines für Vinyl und eines für CD und digitale Medien. „Den Unterschied hört man“, nickt Suzen, denn: Coproduzent Jaeckel „ist eine Koryphäe, der hat Erfahrung“, und schon die erste Testpressung haute die Vinyl-Fans aus ihrem Bekanntenkreis um. Das Medium Vinyl ist für Suzen „ein faszinierendes Thema, ich bin 1982 geboren und mit der Schallplatte im Kinderzimmer aufgewachsen“. Bei ihr rotierten damals „Der Traumzauberbaum“ und „Pittiplatsch“.

Deutlich andere Themen behandelt nun „WFYB.TV“, was ausgeschrieben „We Fuck Your Brain.TV“ heißt und für einen fiktiven Multimediakonzern steht, mit TV, Radio, Social Media und Print. Zentrales Thema des Albums ist „der Einfluss der Medien auf die Menschen“, so Suzen, mit einer komplexen Geschichte: Ein mit künstlicher Intelligenz gesteuertes System nimmt Einfluss auf das Denken, „wie in ‚Matrix‘“. Die Protagonistin der Geschichte, kurzerhand Suzen genannt, wächst in dieser Welt auf und hat mit Einsamkeit zu kämpfen und mit dem Umstand, Fake News nicht von Tatsachen, echte Freunde nicht von falschen unterscheiden zu können. Um in dieser Gesellschaft auch etwas darzustellen, beginnt sie, für den Konzern zu arbeiten. Nachdem sie in London eine Atomexplosion miterlebt, durchschaut sie das System – und „macht damit Schluss“. Und das ist noch längst nicht die ganze Geschichte: „Da gibt‘s so viel zu erzählen“, sagt Suzen. Und deshalb hat die Band schon jetzt den Plan, die drei Stücke, die in der Geschichte zwischen den Songs Nummer 4 und 5 fehlen – da gibt es einen inhaltlichen Zeitsprung –, zum Jahreswechsel als 12‘‘-EP namens „The Missing Link“ zu veröffentlichen. Die Lieder gibt es schon, nur aufgenommen sind sie noch nicht. „Wir wollten, dass das Konzept nachhaltig wird“, betont Suzen, „nicht einfach ein Album, Puff!, und was dann?“ Sie sinniert: „Wer weiß, vielleicht kommt da ja noch ein Song.“

Das erinnert an die „Chapter“-Reihe von Saga und an „Operation: Mindcrime“ von Queensrÿche. Nicht die einzigen Einflüsse für das Quintett, und da wären wir flugs beim Bandnamen: „Das ‚Blu‘ ohne E drückt den Artrock-Charakter aus“, erläutert Suzen. Und lacht: „Fun Fact: Jede Band mit einer Farbe im Namen wurde erfolgreich – Black Sabbath, Pink Floyd, Deep Purple, Whitesnake...“

Gitarrist Peter Schmidt ist Gründungsmitglied von Valid Blu.

Foto: Kai Kestner

Ihre Basis hat die Band in Oebisfelde, dort steht Peter nämlich mit Nordsound ein Konglomerat aus Bühne, Studio und mehr zur Verfügung, und dort entstanden nicht nur die Songs, sondern auch die Bühnenshow. Wenn man schon mit einem Konzeptalbum auftritt, dann auch mit einer Konzeptshow, findet Suzen: „Es gibt viele, die das Gleiche machen – wir hauen richtig auf die Kacke.“ Heißt im Klartext: eine LED-Wand „mit Content“, eine programmierte Lichtshow, Monitore, die sich wie Handydisplays drehen lassen, ein Surroundsound mit Geräuschen von hinten und ein fliegender Roboter.

Eine Promoshow ohne Gäste absolvierte die Band bereits im Mai, live übertragen auf You-Tube und nach und nach als Einzeltracks ebendort hochgeladen. Für den Spätsommer plant die Band weitere Promokonzerte mit Hygienekonzept und abgezählten Tickets, um die Show komplett vor Publikum auszutesten.

Überhaupt freut sich das Quintett auf baldiges Touren. „Wir hoffen, dass wir dann auch in Gifhorn spielen können“, sagt Suzen. Es wäre für sie nicht das erste Mal: „Annis erster Gig mit uns, damals noch Suzen‘s Garden, war im Kultbahnhof“, erinnert sich Suzen. „Und über Jahre hinweg haben wir unsere Bandweihnachtsfeier mit Konzert immer im Rock Café Wittingen gemacht – es war dort immer herzlich und man fühlte sich wie zu Hause.“ Sie strahlt: „Die geilsten Partys haben wir dort erlebt!“

Valid blU: „WFYB.TV“
13 Songs, 70 Minuten,
CD 10 Euro, Doppel-Vinyl 19,90 Euro zzgl. Versand
Bestellungen: validblu.com


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