Stolpersteine

Gedemütigt und entrechtet flohen sie in den Tod - Zwei Stolpersteine erinnern an die Gifhorner Willy und Anna Hedwig Redlich

Manfred Grieger Veröffentlicht am 29.03.2022
Gedemütigt und entrechtet flohen sie in den Tod - Zwei Stolpersteine erinnern an die Gifhorner Willy und Anna Hedwig Redlich

Eine Aufnahme des Gifhorner Steinwegs zu Zeiten der Nationalsozialisten, zu finden im Kreisarchiv Gifhorn.

Foto: Kreisarchiv Gifhorn

Willy Redlich war einst ein angesehener Bürger unserer Stadt.

Foto: Martin A. Seth (Sammlung)

Es war der 21. April 1933, als die Gifhorner Hauptstraße in Adolf-Hitler-Straße umbenannt wurde. Hakenkreuz-Fahnen zierten zahlreiche Gebäude links und rechts der Straße – auch der stadtbildprägende Bau der Aller-Zeitung war ganz im Geiste der Nationalsozialisten geschmückt. Drinnen gab der Hauptschriftleiter – heute würde man Chefredakteur sagen – den Ton an: Es war Willy Redlich (rundes Foto), geboren 1881 in Warschau. 1904 hatte er bei der Zeitung begonnen, bei seiner Heirat 1907 den evangelischen Glauben seiner Frau angenommen. Fünf Jahre nachdem die Nazis an die Macht kamen, wurde er – vermutlich wegen seiner jüdischen Herkunft – entlassen, später verhaftet. Freigelassen, aber gedemütigt und entrechtet nahm er sich 1940 gemeinsam mit seiner Frau das Leben. Willy und Anna Hedwig Redlich sind zwei von etlichen Opfern des Nationalsozialismus in und aus Gifhorn. Ihre Biographien stellt KURT in einer Serie vor – diesmal mit einem Gastbeitrag des Historikers Prof. Dr. Manfred Grieger.

Der am 1. Juni 1881 als Sohn des Kunstmalers Hersz/Heinrich und Miriam Redlich in Warschau geborene Journalist Willy Redlich war 1903 nach Gifhorn gekommen und begann hier im Februar 1904 seine Tätigkeit als Hauptschriftleiter der Aller-Zeitung. Im Zusammenhang mit der Eheschließung mit seiner Ehefrau Anna Maria Hedwig nahm er 1907 das evangelische Bekenntnis an.

In politischer Hinsicht rechtskonservativ orientiert, übte er die Hauptschriftleitung der Lokalzeitung bis zum 13. September 1938 aus. An dem Tag wurde er vermutlich wegen seiner jüdischen Herkunft fristlos entlassen. Im Mai 1939 wurde er von der Gestapo in „Schutzhaft“ genommen und kam erst am 19. August 1939 wieder frei.

Der Erwerbstätigkeit genommen und nunmehr als „Jude“ geführt, hoffnungslos und ohne Möglichkeit zur Flucht, suizidierte er zusammen mit seiner Ehefrau am 12. März 1940 in der gemeinsamen Wohnung durch Gas.

Zwei Stolpersteine direkt vorm Eingang zur Aller-Zeitung erinnern heute an Willy und Anna Hedwig Redlich.

Foto: Mel Rangel

Christina Rudert, Redaktionsleiterin der Aller-Zeitung, und Vermarktungsleiter Florian Schernich haben die Patenschaft für die beiden Stolpersteine für Willy und Anna Hedwig Redlich übernommen. Zu ihren Beweggründen schreiben sie:

„Willy Redlich war in den 1930er Jahren so etwas wie der Chefredakteur der Aller-Zeitung – Hauptschriftleiter hieß das damals. Dass die Nationalsozialisten ihn im September 1938 nur wegen seiner jüdischen Herkunft fristlos entließen und er wenige Monate nach Ende seiner Schutzhaft sich und seine Frau Anna Hedwig tötete, weil er keinen anderen Ausweg sah, ist heutzutage kaum noch vorstellbar. Wir leben seit Jahrzehnten in einer Demokratie mit per Verfassung garantierter Pressefreiheit. Das ist für uns – zum Glück – alltäglich und normal. Darüber vergessen wir leicht, dass es mal andere Zeiten hier in Deutschland, in Gifhorn gab. Die Stolpersteine für Willy und Hedwig Redlich vor dem Haus der Aller-Zeitung sollen die Passanten aus dem Tritt bringen und sie daran erinnern, dass diese Freiheit nicht selbstverständlich ist. Deshalb haben wir gerne die Patenschaft für die beiden Stolpersteine übernommen.“

Dieser Text ist Teil der Broschüre „Stolpersteine in Gifhorn“, kostenfrei erhältlich im Stadtarchiv und in der Stadtbücherei.

Die Forschung zu Opfern des Nationalsozialismus in und aus Gifhorn geht weiter. Hinweise sammelt Gifhorns Kulturbüro:
Tel. 05371-88226
kultur@stadt-gifhorn.de


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren