Glauben & Zweifeln

Es ist nicht verrückt, an die Auferstehung zu glauben: Wie in einer Fabel von Franz Kafka ist der Tod ausweglos – oder etwa nicht?

Martin Wrasmann Veröffentlicht am 15.04.2022
Es ist nicht verrückt, an die Auferstehung zu glauben: Wie in einer Fabel von Franz Kafka ist der Tod ausweglos – oder etwa nicht?

Kurz vor Ostern ist sich KURT-Kolumnist Martin Wrasmann sicher: Der Auferstehungsglaube ist ohne politisches Handeln nicht zu haben.

Foto: Michael Uhmeyer

Ostern – das Fest der Befreiung und überbordenden Freude steht direkt vor der Tür. Wie sieht es jedoch aus mit der Fröhlichkeit? Haben wir noch etwas zu lachen? Ich weiß nicht, wie Ihnen zumute ist. Vielleicht denken Sie: Ostern, Sonne, strahlender Gesang – da lacht das Herz. Aber da sind sicher auch sehr viele andere unter uns, die sagen: „Mir ist das Lachen vergangen, und wenn ich an die Zukunft denke, auch die nahe, da kann einem das Lachen und die Fröhlichkeit vergehen.“ Haben wir noch etwas zu lachen?

Franz Kafka erzählt diese Fabel: „Ach“, sagte die Maus, „die Welt wird enger mit jedem Tag. Zuerst war sie so breit, dass ich Angst hatte, ich lief weiter und war glücklich, dass ich endlich rechts und links in der Ferne Mauern sah, aber diese langen Mauern eilen so schnell aufeinander zu, dass ich schon im letzten Zimmer bin, und dort im Winkel steht die Falle, in die ich laufe.“ – „Du musst nur die Laufrichtung ändern“, sagte die Katze und fraß sie.

Ist das nicht ein Bild unseres Lebens, gerade in diesen Zeiten? Erst liegt es vor uns wie unbegrenzt, voller Möglichkeiten. Aber dann werden die Mauern sichtbar, sie treiben uns schließlich in die Enge. Viele lähmt das Gefühl der Ausweglosigkeit, die Corona-Krise, der Völkermord in der Ukraine, die bedrohliche Klimasituation, persönliche Einschläge. Dieses ohnmächtige Gefühl: Scheinbar kann keine Macht der Welt diesen Prozess umkehren. Zudem: Wir können heute besser als frühere Generationen sehen, wie die ganze Erde der Falle zutreibt und wie die Katze ihr auf den Fersen sitzt. Die Welt ist wie von Mauern eingefangen.

Kann uns da Ostern aus der Falle helfen und/oder vor ihr bewahren? Hier geht es in der Tat um Glauben und Zweifel. Ich nehme Sie mit auf meinen Weg, Ostern, die Botschaft
der Auferstehung zu verstehen und zu glauben.

„Wer wälzt uns den Stein vom Grab?“, fragen die Frauen auf dem Weg zum Grab Jesu. Er war sehr groß, unüberwindbar wie die hohen Mauern, die uns in die Enge treiben. Der Stein kam ins Rollen, die Mauern stürzten ein. In der Ostersequenz heißt es: „Mors et vita duello conflixere mirando.“ Man kann das in seiner Schärfe und Prägnanz kaum übersetzen. Ein Duell auf Leben und Tod. Jesus ist mit diesem letzten Feind aufs Letzte gegangen. Dass wir diesen letzten Streit nur ja nicht verharmlosen. Es ist nicht Sache der Christen, sich mit Ostern das Leben bequemer zu machen, sich schadlos zu halten.

Wer das tun möchte, hat von Ostern nichts begriffen! Kein friedlicher Übergang, kein: Irgendwie wird es schon weitergehen. Kein: Auf Regen folgt immer die Sonne.

Der Tod ist eine Großmacht, die nicht nur die letzten Minuten des Lebens beherrschen will. Man darf ihn nicht unterschätzen. Er fordert seine Opfer, millionenfach, täglich. Jesus hat ihm den Nacken geboten. Der Tod ist ihm nicht erspart geblieben – sein furchtbarer Tod. „Dux vitae mortuus.“ Der Anführer des Lebens – tot. Das ist das Ende, wenn Gott nicht wäre. In Jesu Sterben hat er sich mit dem Tod angelegt, er hat ihm nicht nur den Nacken geboten, sondern auch die Stirn, er hat den Tod getötet. Der Anführer des Lebens – er lebt.

Da ändert sich das Bild in der Kafka-Fabel: Da treibt nicht mehr ein Mensch oder die ganze Welt der Falle zu, der Tod ist in die Ecke getrieben. Der Tod sitzt in der Todesfalle.

Jesus ist der Abführer eines neuen Lebens. Wie ist das zu verstehen? Auferweckung ist keine Verlängerung des Lebens, kein Weiterleben. Es werden nicht einfach nur die Pferde gewechselt, und dann geht’s weiter im alten Trott. Auferweckung ist auch nicht das ewige Stirb und Werde. Eben dieser Kreislauf wird durchbrochen. Das ist für uns Menschen undenkbar.

„Wer wälzt uns den Stein weg?“, fragen die Frauen. Er ist weggewälzt, nicht aber von Menschenhand. Das geht über das Menschenmögliche hinaus. Das spottet jeder Erfahrung. Von den Frauen wird gesagt: „Da verließen sie das Grab und flohen, denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt“ (Mk 16,8). Das ist alles andere als eine vorübergehende Festtagsstimmung. Das Halleluja kommt ihnen nicht so leicht über die Lippen. Wo Gott so unmittelbar am Werk ist, da verschlägt es dem Menschen die Sprache. Ostern ist gezeichnet vom Erschrecken darüber, dass mit der Auferweckung die Skala menschlicher Erwartungen gänzlich auf den Kopf gestellt ist.

Jesus ist nicht am Tod vorbeigegangen, er kennt den Tod – weiß Gott. Das kann man ihm ansehen, er trägt die Wunden seiner Folter. Durch den Tod hindurch hat er das neue Leben erschlossen, das bleibende Leben, das ewige Leben. Wir sind nicht mehr Komplizen des Todes, wir dürfen Komplizen des Auferstandenen sein. Sind wir es? Das hätte Konsequenzen. Dann werden wir uns nicht mehr mit den Mächten des Todes einlassen und abfinden. Dann werden wir entlarven, was Menschen in die Enge treibt oder ums Leben bringt, und wenn sie auf die Falle zulaufen, steht hinter ihnen nicht die Katze, sondern wir stehen da, die getrieben vom Glauben an die Auferstehung, den Aufstand für das Leben proben, wo immer das Leben bedroht ist und die Schöpfung zerstört wird.

Auferstehungsglaube ist ohne politisches Handeln nicht zu haben, denn auch in dieser existenziell so wichtigen Frage geht es um Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit.

Martin Wrasmann, katholischer Theologe aus Gifhorn, schreibt die monatliche KURT-Kolumne „Glauben & Zweifeln“. Beipflichtungen wie auch Widerworte sind stets willkommen. Leserbriefe gerne an redaktion@kurt-gifhorn.de.


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