Engagement

Drei Jahre, zwei Monate und ein neues Leben - Die Diakonische Jugendhilfe in Gifhorn half Dennis Schwenk bei seinem Neustart

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 30.12.2020
Drei Jahre, zwei Monate und ein neues Leben - Die Diakonische Jugendhilfe in Gifhorn half Dennis Schwenk bei seinem Neustart

Dennis Schwenk verbrachte mehr als drei Jahre in einer WG der Diakonischen Jugendhilfe, mittlerweile wohnt er in der eigenen Wohnung und macht eine Ausbildung zum Verkäufer.

Foto: Çağla Canıdar

Gemeinsam leben lernen – das ist der Slogan des Vereins für Diakonische Jugendhilfe Gifhorn. Der Verein hilft Jugendlichen und vor allem jungen Erwachsenen im Landkreis Gifhorn dabei, aus einem zerrütteten Familienhaus zu entfliehen und gewährt ihnen mietbaren Wohnraum in Wohngemeinschaften. In den 36 Jahren des Vereinsbestehens konnten rund 450 Menschen so an einem Neustart in ihrem Leben arbeiten. So auch Dennis Schwenk, der nach mehreren Jahren Wohnerfahrung in der Gifhorner Lindenstraße zu einem verantwortungsbewussten und selbstbestimmten Leben motiviert wurde. Eine Erfolgsgeschichte.

Dennis Schwenk sitzt in seiner Wohnung in Isenbüttel. Die offene Küche und das Wohnzimmer sehen extrem sauber aus, so als würde man vor einem Ausstellungsstück im Möbelhaus stehen. Wer ein Staubkorn erwartet, sucht vergeblich. Keine Fettspritzer auf der Herdplatte, keine dreckigen Teller oder Besteck, keine Wäscheberge oder seelenlos herumfliegende Pizzakartons auf dem Wohnzimmertisch. Alles hat seine Ordnung. Ein paar Pflanzen sorgen für freundlich-grüne Akzente und lockern die Stimmung auf. Beinahe untypisch für die Wohnung eines 22-Jährigen.

Dass Dennis in seinem kleinen Isenbütteler Zuhause viel Wert auf Sauberkeit und Reinlichkeit legt, hat mit der Diakonischen Jugendhilfe zu tun. Seit 1984 gibt es diesen Gifhorner Verein, der jungen Menschen die Möglichkeit gibt, einen Fuß in die Tür ihres eigenen Lebens zu bekommen. „Junge Erwachsene, die aus den verschiedensten Gründen nicht mehr im Elternhaus leben können und Hilfe brauchen, werden von uns aufgenommen, bekommen einen Wohnraum und eine niederschwellige Betreuung“, erklärt der Vorsitzende Dieter Rutsch (72), evangelischer Pastor der Gifhorner St. Nicolai-Gemeinde im Ruhestand.

Dieter Rutsch ist seit mehr als 35 Jahren der Vorsitzende der Diakonischen Jugendhilfe in Gifhorn.

Foto: Çağla Canıdar

Kein Zuhause und keinen Ruhepol zu haben, ist gerade für junge Menschen eine große Herausforderung. Dauerhafter Streit mit den Eltern, fortlaufend ignoriert zu werden, Verwahrlosung, vielleicht körperliche oder psychische Misshandlung – es gibt viele Störungsquellen, die ein weiteres Zusammenleben mit der Familie unerträglich machen. Genau für diese Situationen ist die Diakonische Jugendhilfe da, wobei sich schon ziemlich früh zeigte, dass das Bereitstellen von Wohnraum alleine nicht ausreicht. Es ist vor allem auch die Begleitung im Alltag, das Vorleben von Selbständigkeit und die Unterstützung bei Behördenschreiben und Behördengängen. Finanziert wird der Verein unter anderem durch Spenden sowie Zuschüsse des Landkreises Gifhorn und des Diakonischen Werks.

In den 36 Jahren der Diakonischen Jugendhilfe hatten es Dieter Rutsch und seine Kollegen mit insgesamt 450 Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun. Sie leben in Wohngemeinschaften, manchmal nur für wenige Tage, manchmal für mehrere Jahre. So wie Dennis Schwenk, der über drei Jahre in einer WG an der Gifhorner Lindenstraße gewohnt hat. Streit mit dem Stiefvater, ein weniger gutes Verhältnis zur Mutter, dazu kam die abgebrochene Ausbildung. Wegen Depressionen und ständigen Wutausbrüchen folgte ein Aufenthalt im Psychiatriezentrum Königslutter. „Das war eine schwierige Zeit für mich“, erinnert sich Dennis. Deswegen war die Diakonische Jugendhilfe so was wie ein Neustart – ein bisschen erzwungen, aber noch mehr gewollt.

In den Wohngemeinschaften treffen unterschiedliche Charaktere aufeinander, die Liste der Anwärter ist nicht selten ziemlich lang. Der Vorsitzende Dieter Rutsch und der Sozialpädagoge Christian von Wedemeyer (52) versuchen also sicherzustellen, dass das soziale Gefüge in den einzelnen Gruppen nicht ins Wanken gerät. Vor allem auch, weil es keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung gibt. Dass die Bewohner eine Selbständigkeit erreichen, ist das vordergründige Ziel. „Manche von ihnen sind sozial gut integriert, andere weniger. Wir gucken, dass wir die Bewohner aktiviert bekommen“, so Christian von Wedemeyer, der seit September im Verein arbeitet. Damit trat er die Nachfolge von Birgit Pilz und vor allem Monika Gasa an, deren Bemühungen noch heute hoch geschätzt werden. „Es gibt Bewohner, die die Chance genutzt haben. Sie haben mittlerweile eine Ausbildung oder Anstellung. Das sind richtige Erfolgsgeschichten“, betont der Sozialpädagoge.

Seit September 2020 arbeitet der Sozialpädagoge Christian von Wedemeyer in der Diakonischen Jugendhilfe.

Foto: Çağla Canıdar

Diese Beschreibung trifft auch auf Dennis Schwenk zu. In den Jahren der Wohngemeinschaft hat er gelernt, seine Tage zu strukturieren, Verantwortung zu übernehmen und seine Zukunft zu planen. „Wenn ich Fragen hatte, habe ich gefragt. Die Betreuer von der Jugendhilfe hatten immer ein offenes Ohr“, meint Dennis, der gerade in den letzten Zügen seiner Ausbildung zum Verkäufer in einem großen Gifhorner Supermarkt ist. Im Januar wartet bloß noch die mündliche Prüfung. „So was gibt mir Sicherheit und Selbstbewusstsein. Man weiß, dass man was erreicht hat.“

Alles kann die Diakonische Jugendhilfe den Bewohnern nicht abnehmen. Das ist aber auch nicht die übergeordnete Idee des Vereins. Die Voraussetzungen sind nach wie vor der eigene Wille und der nötige Antrieb. „Der Rest ist eine Stütze“, meint Dennis und überlegt einen Moment: „Das ist eine gute Sache, ich würde das jedem empfehlen, der in einer ähnlichen Situation ist, wie ich es war. Ich bin jetzt glücklicher als früher.“

Verein für Diakonische
Jugendhilfe in Gifhorn
Hamburger Straße 3f, Gifhorn
Tel. 05371-73028
www.diakonische-jugendhilfe-gifhorn.de


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