Musik
Der Soundtrack, der Dich um den Verstand bringt - Das PC-Spiel des Gifhorners Timo Wegener mit der Musik von Bastian Windszus lässt einen erschaudern
Matthias Bosenick Veröffentlicht am 14.03.2022
Das Computerspiel „Dinner With An Owl“ des Gifhorners Timo Wegener hat ein schreckliches Abendessen zum Thema.
Foto: Screenshot
Der blanke Horror: Eine tyrannische Eule hält ihre Abendessen-Gesellschaft in einer Zeitschleife gefangen. Nur ein Mord hilft, den Fluch zu brechen, doch wenn man die Idee zu spät hat, wird man selbst zur Eule, empfängt den nächsten Gast – und alles beginnt von vorn. So erzählt es das Computerspiel „Dinner With An Owl“, das Timo Wegener (36) jetzt überarbeitet herausbringt, unter anderem ergänzt um Ambient-Musik von seinem langjährigen Freund Bastian Windszus (35). Als BoringSuburbanDad arbeiten die beiden Gifhorner bereits am nächsten Projekt – und erzählen KURT von Millionen-Klicks auf YouTube, Zeiten mit der Metal-Band Brute Force Engine und ihrer Leidenschaft für Point-and-Click-Spiele.
Bei diesem Genre folgt man der Geschichte, indem man mit der Maus auf Gegenstände oder Personen klickt und die Figuren so agieren lässt. Klassiker wie „Monkey Island“ sind da klare Vorlagen für Programmierer Timo und Komponist Bastian, und „Dinner With An Owl“ erfüllt die Vorstellungen, die beide an solche Spiele haben. „Das Gameplay ist slow, man kann sich Zeit lassen, man wird in die Story gesaugt“, erläutert Bastian.
Diese Sogwirkung hat auch „Dinner With An Owl“, das Bastian im Horror-Genre ansiedelt. Man wird als Gast eines Arbeitsessens von einem Butler empfangen, und der Gastgeber ist kein Mann, sondern eine Eule, die außerdem eine Frau mit Tochter gefangenhält und diese Runde ständig zum Essen auffordert. Die Farben des Spiels sind in dunklen Gelb-, Rot- und Brauntönen gehalten, die Szenerie ist mystisch, bedrohlich, gruselig – und unterschwellig auch humorvoll. „Die Leute reden Oxford-Englisch, das Essen ist der Eule wichtig – und dann gibt es nur Porridge“, grinst Timo. Mit Einfällen wie diesem durchbricht der Programmierer die düstere Stimmung, in der ein Mord die einzige Lösung aus dem Dilemma ist, das sich jedoch Tag für Tag wiederholt, wenn man es nicht richtig anstellt. Mit Abweichungen indes, „es lohnt sich, längere Tage auszureizen“, deutet Bastian Überraschungen an.
Timo Wegener (links) kreierte das Point-and-Click-Game „Dinner With An Owl“, das durch mehrere Let‘s Plays bei YouTube bereits Millionenklicks vorzuweisen hat. Bastian Windszus lieferte die Musik dazu.
Foto: Sina Durchstecher
Die Figuren und Hintergründe entstammen sämtlich Timos Kreativität, er gestaltet alles in 3D-Fassung am Computer und rendert es zu 2D-Grafiken. „Ich mache Tricks mit den Grafiken, damit es so aussieht, wie es aussieht“, und sobald Licht und Szenerie stimmen, beginnt die Arbeit an den Details, oder auch: „Er zaubert“, wie Bastian es ehrfürchtig nennt.
Für „Dinner With An Owl“ hatte Timo die Rote Hütte im Wald aus der TV-Serie „Twin Peaks“ im Hinterkopf, in der sich die Charaktere ebenfalls merkwürdig verhalten, und genau das mache den Grusel aus, findet Bastian, dass „alles normal scheint“, aber einige Details aus dem Rahmen fallen, „nicht genau fassbar, man versteht etwas nicht, aber das Setting ist normal, dann fühlt man sich unwohl“.
Dazu passend komponierte Bastian nun den Soundtrack, vielmehr: zur Neuversion des Spiels, denn ursprünglich erstellte Timo es bereits 2017 für den jährlichen Programmier-Wettbewerb Adventure Jam, und schon damals schlug das Spiel unerwartet hohe Wellen. International renommierte YouTuber zeigten es in ihren Let‘s Plays, also Videoclips, in denen man den Spielern dabei zuguckt, wie sie Games zocken und kommentieren. Auf dem YouTube-Kanal des US-Amerikaners Markiplier etwa hat dessen Clip zu „Dinner With An Owl“ über 1,8 Millionen Aufrufe – Millionenklicks seien zwar normal für die Szene, relativieren es die beiden Gifhorner, aber für ein Indie-Spiel wie dieses überwältigend, und das bestärkte Timo schließlich darin, sein Spiel während der Coronazeit zu überarbeiten.
Für die neue Version verpflichtete Timo professionelle Sprecher, die er auf einer israelischen Internet-Plattform buchte und die den Figuren nun eine Stimme verleihen. Und er holte Bastian mit an Bord, mit dem er seit Jahren in vergleichbaren Projekten verbunden ist, denn „Dinner With An Owl“ ist nicht sein erstes Spiel; ältere Experimente macht er auf seiner Gamejolt-Seite verfügbar. Diese Neuversion erregt auf der Spiele-Plattform Steam, auf der sie jetzt kostenfrei verfügbar ist, neuerliche positive Aufmerksamkeit. Für das Duo sollte dies eher ein Testlauf dafür sein, wie diese Profiplattform überhaupt funktioniert, und den Test verbuchen beide als Erfolg.
Unheimlich und bedrohlich – doch warum? „Dinner With An Owl“ ist ein rätselhaftes, aufreibendes Indie-Game mit eigenständigem Look.
Foto: Screenshot
Einen großen Beitrag leistet dazu Bastians Musik, für die der Metal-Gitarrist ins Ambient-Fach wechselte. Seit 25 Jahren ist Bastian als Musiker aktiv und entwickelte sich autodidaktisch zum Multiinstrumentalisten, „ich kann Snippets auf dem Piano spielen“, führt er als Beispiel an. Für den im Heavy Metal sozialisierten Bastian ist es seit jeher horizonterweiternd, Genregrenzen zu überschreiten und zu analysieren, warum etwa Blues- oder Popstücke so gut sind, wie sie sind, und die Erkenntnisse auf den Heavy Metal zu übertragen. Noch länger als Metal-Fan ist er indes Videospiel-Fan, und deshalb hat er gute Vorstellungen davon, was eine gelungene Atmosphäre in einem Spiel ausmacht. Für seine Musik zu „Dinner With An Owl“ ließ er sich von Timos Bildern inspirieren – und von Akira Yamaoka, dem japanischen Spielesoundtrack-Komponisten, der den Score zur „Silent Hill“-Reihe erstellte. Eine surreale Stimmung schwebte Bastian vor, ebenso wenig greifbar wie die Geschichte des Spiels, mithin „die Aufgabe, Bild und Ton in Einklang zu bringen“.
Mit Bastians Musik ist Timo überglücklich: „Er versteht, welche Stimmung es sein soll, ich weiß, er trifft den Nagel auf den Kopf, ohne dass ich mir konkrete Gedanken machen muss.“ Bastian grinst: „Unsere Vorstellung für Stimmungen ist offensichtlich dieselbe.“ Dabei funktioniert die Inspiration in beide Richtungen, Timo erhielt aus der Musik auch Ideen für seine Bilder. Erhältlich ist dieser Soundtrack indes nur auf Steam und auf YouTube.
Ein neues Projekt steht außerdem in den Startlöchern: Es hört auf den Arbeitstitel „Inside The Moonlight Box“ und erzählt die Vorgeschichte zu „Dinner With An Owl“, natürlich ebenfalls als Point-and-Click-Spiel. Timo berichtet: „Es wird umfangreicher, mit Sprachausgabe und der exzellenten Musik von Bastian und grafisch aufgerüstet, dafür werde ich auch Unterstützung haben.“ Den optischen Stil des ersten Spiels will Timo erhalten, drei Songs hat Bastian auch schon fertig. Musik dieser Art macht er erst seit fünf Jahren und entwickelt sich beständig darin weiter: „Es gibt viel zu lernen“, denn er will versuchen, seinen Beitrag zu „Dinner With An Owl“ noch zu übertreffen. Außerdem sollen dieses Mal auch die Soundeffekte nicht wieder aus Internetbibliotheken stammen, sondern von Bastian: „Ich war schon fleißig, hab eine kleine Datenbank angelegt“, mit Schritten, Türknarren und ähnlichen Alltagssounds.
Bastian Windszus (rechts) mit seinen Wastegate-Kollegen Martin Schmidt (von links), Max Wolpers und Daniel Harms.
Foto: Max Wolpers
Auf diese Weise wurde Bastian nunmehr zu einem Teil von BoringSuburbanDad, dem Programmierer-Alias von Timo. Der erklärt, dass er sich bei diesem Namen einen „Amerikaner mit weißem Zaun und getrimmtem Garten“ vorstellt, langweilig eben, und dann „taucht er ab in die Twilight Zone“, also in seinen Computerspiele-Keller, und Bastian nickt: „Dann ist er nicht mehr boring.“ Dad indes ist von den beiden nur Timo, aber Bastian fühlt sich davon nicht ausgeschlossen.
Für Bastian sind die Ambient-Soundtracks gegenwärtig nicht die einzige musikalische Betätigung. Parallel spielt er bei Wastegate Gitarre und singt, seit elf Jahren, wenn man die Pause von fast zehn Jahren nicht mitberechnet. „Mit Freunden hobbymäßig Rock‘n‘Roll“ sei das, mit immerhin einem Gig damals im alten Flax und der Hoffnung auf neue Auftritte im Sommer. Zur Unterbrechung kam es, als Bastian vor zehn Jahren zum Studieren nach Hildesheim zog, und als er zurückkehrte, reaktivierten die Freunde die Band. Bastian lacht: „Wir hatten sieben eigene Songs – und wir haben uns an keinen einzigen erinnern können und auch nichts aufgenommen.“ Inzwischen haben sie wieder genau so viele neue Songs zusammen. Er lacht: „Ich bin bemüht, immer irgendeine Art von Musik zu machen.“
Einst noch mit längerem Haar: Bastian Windszus spielte schon in mehreren Metal-Projekten wie Mindscrye.
Foto: Bils Isaias Witkowski
Seine erste Band in Gifhorn war ab 2007 Brute Force Engine, von Freunden gern „Blutwurstentchen“ genannt. „Wir waren Schulfreunde und Bekannte und wollten Metal machen“, erzählt Bastian. Sie spielten damals sogar einmal auf der Bühne am H1 im Rahmen des Gifhorner Altstadtfestes. Und es gab eine selbstproduzierte EP, „die klingt fürchterlich“, lacht er, doch werde er noch heute darauf angesprochen. Timo wirft ein: „Ich habe die EP noch!“ Das wusste Bastian gar nicht, er ist überrascht und freut sich über Timos Vorschlag, sie mal zusammen aufzulegen: „Die habe ich ewig nicht gehört!“
In Hildesheim dann antwortete Bastian auf eine „Musiker-gesucht“-Anzeige und gründete 2011 mit den Gefundenen die Band Mindscrye, ein Power-Metal-Projekt. Doch war das musikalisch nicht ganz Bastians Richtung, er war mehr zum Thrash geneigt und stieg daher bei Betonengel ein, einer bereits etablierten Band, die als Rammstein-Covergruppe angefangen hatte und quasi auf dem großen Sprung war, der sich jedoch selbst mit Auftritten in Tausender-Hallen in der Schweiz oder dem 2013er-Album „Hart wie Beton“ nicht einstellte. 2016 veröffentlichte Bastian mit der Thrash-Metal-Band Surgical Strike das Album „V II XII“, „eine tolle Produktion, meine erste richtige Studioerfahrung“, doch letztlich funktionierte es auch mit dieser Band nicht. Und als er nach Gifhorn zurückkehrte, nahm er die Erkenntnisse mit und nutzt sie nun für seine neuen Projekte: „Es war eine coole Erfahrung.“
Von der profitiert eben Timo, der seinen alten Wegbegleiter bei seinen PC-Produktionen an Bord hat. Was überdies rein zum Vergnügen stattfinden soll, beide haben feste Jobs und, so Bastian, „sind in dem Alter, dass die Geschichte mit dem Dolle-bekannt-Werden nicht unser erklärtes Ziel ist“. Es stecke „viel Liebe und Herzblut“ in dem Projekt, das er als „von Fans dieser Spiele für Fans dieser Spiele“ klassifiziert. Und Timo schließt: „Es gibt nichts Besseres, als sowas zu machen mit einem Freund.“
http://gamejolt.com/games/DinnerWithAnOwl/255458
https://www.youtube.com/watch?v=qkeIVFzgbEc
https://twitter.com/boringsubdad