Engagement

Das Queere Netzwerk will ins Zentrum von Gifhorn - Verein für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt hofft auf Support der Stadt

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 06.07.2021
Das Queere Netzwerk will ins Zentrum von Gifhorn - Verein für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt hofft auf Support der Stadt

Sie erzählen ihre Geschichten, um sich gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie stark zu machen: Janus (von Links), Nico, Lean und André gehören dem Queeren Netzwerk Gifhorn an, das sich in diesem Frühjahr gegründet hat.

Foto: Screenshot (Youtube)

Wie viel Arbeit passt in anderthalb Jahre? Sehr viel, wenn man auf das Pensum von Dominik Ruder blickt. Im November 2019 startete er die Queeren Wespen, eine Gruppe für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen zwischen 14 und 27 Jahren. Sie ist angetreten, um schwulen, lesbischen, bi-, trans- und intersexuellen Personen einen schützenden Raum zu eröffnen. Nun, im Frühjahr 2021, hat sich alles im Dachverein Queeres Netzwerk Gifhorn potenziert – die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Gruppen, die Ideen. Und eben auch die Arbeit. Aber das kann Dominik Ruder nur recht sein.

Wenn der 24-Jährige spricht, scheint es fast so, als würde er hin und wieder ein Drittel des Satzes aussparen. So als müsste er noch mehr Satz in gleich viel Zeit unterbringen. Oder als hätte Dominik Ruder das Gefühl, dass lange etwas auf der Strecke geblieben ist und man sich deswegen sputen müsste.

Irgendwie ist da auch was dran. „Dass in Gifhorn bei dem Thema bisher so wenig getan wurde, kann man erschreckend finden“, sagt Dominik Ruder. Vor allem aber habe „das Wissen und das Verständnis“ gefehlt, wie man die Dinge anpacken muss. Das hat sich nun ein wenig geändert.

„Wir gehören ins Herz von Gifhorn, und wir wollen ein Teil von Gifhorn sein, weil wir viel zu lange nicht beachtet wurden.“
Dominik Ruder, Vorsitzender des Queeren Netzwerks Gifhorn

Foto: Çağla Canıdar

Aus der Gruppe der Queeren Wespen, die Dominik Ruder im Spätherbst 2019 aus der Taufe hob, als er von Braunschweig wieder in seine Heimatstadt Gifhorn zog, ist mittlerweile ein Großprojekt geworden. Die Wespen sind bloß noch ein Teil davon. Denn das Queere Netzwerk Gifhorn, das als Dachverein gegründet wurde, möchte in diesem Jahr noch drei weitere Gruppen an den Start bringen: unter der Leitung von Konstantin Belling die Trans:Füchse, für Jugendliche, die sich nicht mit ihrem Geburtsgeschlecht identifizieren können; die Queer Adults mit der Gruppenleiterin Katrin Matzat; der Enby-Place, geführt von Henning Kahle, der ein Ort für nichtbinäre Menschen sein möchte. Alle Gruppen funktionieren autark, der Dachverein gibt bloß das übergeordnete Regelwerk vor.

Für Dominik Ruder und Co geht es vor allem auch darum, der sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt in Gifhorn ein Forum zu geben. „Vernetzungsarbeit, Werbung, Sichtbarmachung“ nennt es Dominik Ruder, der nun auch als Vereinsvorsitzender fungiert.

Ein gutes Beispiel dafür war die Kampagne zum Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie. Vier Personen veröffentlichten über den Instagram-Kanal des Queeren Netzwerks ihre Geschichten von Diskriminierung, die von schneidenden Blicken über Misgendering bis hin zu körperlichen Attacken reichen. „Wir haben ganz lange überlegt, ob wir das machen wollen“, sagt Dominik Ruder. „Wir haben uns aber dann dafür entschieden, um zu zeigen, dass das nicht nur in Berlin oder in München passiert. Das passiert auch in Gifhorn – immer wieder. Man muss den Finger in die Wunde legen.“

Dass noch viel Aufklärungsarbeit gefragt ist, um dem gesellschaftlichen Klima einen entscheidenden Ruck zu geben, stellt das Queere Netzwerk immer wieder fest. Auch deswegen steht der Verein in engem Kontakt mit der städtischen Politik und ihren Parteien; nur durch offizielle Fördermittel können die Ideen und Wünsche umgesetzt werden. Dazu gehört beispielsweise die Errichtung eines queeren Zentrums – nicht irgendwo, sondern mitten in der Stadt. „Wir gehören ins Herz von Gifhorn, und wir wollen ein Teil von Gifhorn sein, weil wir viel zu lange nicht beachtet wurden“, erklärt Dominik Ruder. Bisher organisiert sich der Verein noch in den Räumlichkeiten des Kinderschutzbunds.

Zum Jahresende erwartet der Vorsitzende von dem neu gewählten Kreistag eine Entscheidung über die Höhe der Fördermittel. Erst dann kann geklärt werden, wohin die Reise geht. Außer Frage steht: In anderthalb Jahren ist aus einer kleinen, unbekannten Gruppe bereits ein echter aktivistisch-politischer Player in Stadt und Landkreis Gifhorn geworden – und der wird alles dafür tun, nie wieder stumm zu sein.

Queeres Netzwerk
Winkeler Straße 2b, Gifhorn
Tel. 0176-43568850
info@queeres-netzwerk-gf.de
www.queeres-netzwerk-gf.de


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