Krieg & Frieden

Das finstere Sirenenheulen macht uns nur noch stärker: So geht es den Menschen in Gifhorns Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskyj

Svitlana Peretz Veröffentlicht am 13.04.2022
Das finstere Sirenenheulen macht uns nur noch stärker: So geht es den Menschen in Gifhorns Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskyj

„In jeden Faden der Tarnnetze sind ein schützendes Gebet und Wünsche für einen schnellen Sieg eingewoben“, schreibt „Nadrossia“-Chefredakteurin Svitlana Peretz.

Foto: Svitlana Peretz

Die Schulen in Korssun-Schewtschenkiwskyj haben ihre Arbeit wieder aufgenommen, auch die Zeitung „Nadrossia“ erscheint wieder regelmäßig – doch Putins Krieg beschäftigt die Menschen in der Gifhorner Partnerstadt Tag für Tag: Sie schicken Konserven an die Front, sie weben Tarnnetze – und sie flüchten bei Alarm in die Luftschutzbunker. „Nadrossia“-Chefredakteurin Svitlana Peretz schildert die jüngsten Tage in einem Gastbeitrag für KURT – übersetzt von Valentyna Dovhopola, Vorsitzende des Partnerschaftsvereins.

8 Uhr morgens. Im Zentrum von Korssun wird die Hymne der Ukraine gespielt. Die Stadt beginnt einen neuen Tag ihres Lebens im Kriegszustand.

In dieser Zeit hat sich unsere Stadt zahlenmäßig verdoppelt. Dies liegt daran, dass Korssun-Schewtschenkiwskyj zu einem Zufluchtsort für Tausende von Flüchtlingen aus Kriegsgebieten der gesamten Ukraine wurde – aus Kiew, Charkiw, Mariupol, Irpen. Nach offiziellen Angaben leben derzeit nur 2700 registrierte Flüchtlinge in Korssun, nach inoffiziellen Angaben sind es etwa 4000.
Wegen des Kriegsrechts änderte Korssun seinen Lebensstil. Den Großteil der Arbeit bestimmt die freiwillige Unterstützung des Militärs an der Front. Jeden Tag kommen Dutzende von Stadtbewohnern und Flüchtlinge zur Arbeit in freiwillige Küchen, wo sie Konserven für die Front zubereiten. Fleisch dafür wird vor allem von Wohltätern bereitgestellt – etwa vom Landwirtschaftsbetrieb MHP, der frisches Huhn liefert.

Die Bewohner von Korssun spenden auch Schweine von eigenen Höfen, um Konserven zu machen. So wurden allein in der vergangenen Woche 5900 Dosen Konserven, verschiedene Breie mit Fleisch (Buchweizen, Hirse, Reis) und Pasteten hergestellt. Ein Teil des Fleisches wurde zu Suppensets sowie zu Halbfabrikaten verarbeitet – so wurden auch 40.000 Stück Pelmeni gemacht. Bereits 2500 Dosen Konserven, Pastete und Haferbrei wurden an unsere Verteidiger geschickt. Insgesamt wurden in der Gemeinde bisher etwa 43 Tonnen Hähnchen verarbeitet und fast 20.000 Dosen Konserven, Pasteten und Breie hergestellt.

In den Kultur- und Bildungseinrichtungen beschäftigen sich die Bürger mit einer anderen wichtigen Arbeit: dem Weben von Tarnnetzen für die Front. Die Korssuner und auch Flüchtlinge beteiligen sich aktiv an der gemeinsamen Arbeit. Das bisherige Ergebnis: In nur einem Monat haben unermüdliche Arbeiter 65 Netze gewebt, jedes etwa 20 Quadratmeter groß. Und in jeden Faden des Netzes sind ein schützendes Gebet und Wünsche für einen schnellen Sieg eingewoben.

Derzeit wird der Bildungsprozess in den Schulen nicht unterbrochen. Am 14. März begannen alle Schulen mit dem Online-Unterricht. Wegen des Krieges mussten etwa 500 Kinder und ihre Eltern die Gemeinde verlassen, auch ins Ausland. Viele von ihnen lernen online weiter, darunter auch Kinder, die jetzt in anderen Ländern sind. Sie nehmen aus der Ferne am Lernprozess teil, bereiten Aufgaben vor und senden diese ab.

Neben dem Unterricht in den Schulen wurde auch jener in außerschulischen Bildungseinrichtungen wieder aufgenommen. Heute arbeitet das Zentrum für Kinder- und Jugendkreativität auch im Internet. Die Leiter eröffneten neue Möglichkeiten, mit den Schülern aus der Ferne zu arbeiten, indem sie Video-unterricht für sie vorbereiten und die Kinder ihren Lehrern ihren Erfolg demonstrierten – zum Beispiel im Gesangs- oder Choreographieunterricht. Darüber hinaus organisierten Pädagogen des Zentrums für Kinder- und Jugendkreativität in den Wohnheimen Nr. 1 und Nr. 2 des Pädagogischen Kollegs Kurse für die Kinder der Flüchtlinge. Hierher kommen Psychologen und leisten psychologische Hilfe für Kinder, die die Schrecken des Krieges erlitten haben.

Tag für Tag kommen unzählige Menschen in Korssun-Schewtschenkiwskyj in die freiwilligen Küchen, um für die ukrainischen Soldaten zu kochen.

Foto: Svitlana Peretz

An der Korssuner Sportschule ist das Leben in vollem Gange: Kinder kommen zu den Trainern zu den Unterrichten. Das war für Kinder und Trainer ein wahrhaft freudiges Ereignis, denn ein Tropfen Freude an der Kommunikation, die alle so sehr vermisst haben, hilft den Stress schlechter Zeiten zu überwinden. Kinder können auch von der Energie der Unruhe profitieren und eine Ladung Gesundheit und Positivität gewinnen. Selbst Luftalarm lässt sie nicht erschrecken – dann sind die Schüler organisiert und ziehen sehr schnell in einen nahe gelegenen Luftschutzbunker.

Auch alle Unternehmen der Stadt arbeiten wieder, der Medienbereich funktioniert auch – die zweite Woche erscheint in Korssun unsere Zeitung „Nadrossia“ nun wieder.

Die aktive Aussaatkampagne wird von agroindustriellen Gesellschaften und landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt – die schwierigste seit der Unabhängigkeit der Ukraine und die verantwortungsvollste, da von der Arbeit der ukrainischen Landwirte die Ernährungssicherheit in der gesamten Ukraine und auf der ganzen Welt abhängt.

Trotz der Tatsache, dass heute jede Stadt in der Ukraine in realer Gefahr von Raketenbeschuss, Zerstörung und Verstümmelung steht, begann Korssun auf seinem Territorium für eine saubere Umwelt zu kämpfen. Fast jeden Tag finden in verschiedenen Teilen der Stadt Veranstaltungen zum Thema Landschaftsgestaltung und Umweltreinigung statt. Hunderte von Bürgern sind darin engagiert, und viele Flüchtlinge schließen sich den stadtweiten Aufräumarbeiten an.

Unsere Stadt kämpft gemeinsam mit der ganzen Ukraine weiter um den Sieg im Krieg mit Russland und seinen Besatzern und tut Großes und Kleines, um unseren Staat weiter zu stärken.
Ja, wir weinen oft, besonders wenn wir uns von den toten Landsleuten verabschieden. Wir vereinen uns, wenn wir gemeinsam für die Front arbeiten. Wir beten oft, dass Raketen unser Haus, unser Korssun nicht zerstören, wenn wir Luftalarme hören.

Experten schätzen, dass in der Zeit vom 24. Februar bis 1. April in der Region Tscherkassy 203 Mal Sirenen ertönten. Und in diesen Tagen hören sie nicht auf mit ihrem finsteren Heulen. Aber das macht uns nur stärker und abgehärteter.

20 Uhr: In Korssun-Schewtschenkiwskyj im Zentrum der Stadt erklingt wieder die Hymne der Ukraine. Sie schallt von den Fassaden der Häuser zurück, trifft auf die Mauern des alten Schlosses in unserer Stadt und erhebt sich in den blauen Himmel. Diese Hymne singt jeden Tag in der Seele eines jeden Korssuners, denn es ist die Hymne unseres Sieges!

Ruhm der Ukraine!

Slawa Ukrajini!


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