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Das A in Alex steht für Alleskönner: Der Gifhorner Alex Garoufalidis macht alles vom neuen Solo-Album bis Karate

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 10.02.2024
Das A in Alex steht für Alleskönner: Der Gifhorner Alex Garoufalidis macht alles vom neuen Solo-Album bis Karate

Wenn er spielen will, findet er auch jemanden: Alex Garoufalidis hat ein großes Telefonbuch mit Musikerinnen und Musikern.

Foto: Jörg Litges

„Man hat mich immer festgemacht auf Rock“, erkennt Alex Garoufalidis von den Melodic-Hardrockern King‘s Call. Und macht es auf seinem nächsten Solo-Album einfach mal ganz anders: Unter dem bereits erprobten Namen The Lost Arts Society kombiniert er eher unrockige Genres wie Lo-Fi und Hip-Hop mit seiner Rock-Gitarre. Im Hinterkopf hat er bereits das nächste Projekt, ein Musikalbum mit Texten von Dichtern unterschiedlicher Sprachen. KURT erzählt er außerdem von seiner Arbeit mit Star-Produzent Chris Tsangarides, seiner Liebe zu Thin Lizzy und seinen gut besuchten Selbstbehauptungskursen beim MTV Gifhorn.

Seit 2007 betreibt der Gifhorner Alex Garoufalidis seine Band King‘s Call, vier Alben brachte die Gruppe heraus, das letzte, „Showdown“, hat bereits sieben Jahre auf dem Buckel. Das sagt einiges über das Zeitkontingent seiner Mitmusiker. „Ich habe gesehen, die Jungs haben einen eigenen Alltag, Job, Familie“, erzählt Alex. Seine Erkenntnis daraus: „Ich muss Projekte machen und damit Leute überzeugen, das ist vielleicht einfacher.“ Nun arbeitet er also mit weit mehr Musikern zusammen als in einem klassischen Bandkontext. „Du hast mehr Leute um Dich, die die Musik umsetzen können“, schwärmt er. „Bei einem Live-Gig von vier Leuten können mal drei nicht – jetzt habe ich 10 bis 15, irgendwer hat immer Zeit.“ Auftritte sind ihm damit gesichert. „Im Kleinen geht das Trio, ich kann aber auch allein spielen.“

Das ist die Ausgangslage für Alex‘ neues Projekt: „Ich wollte einfach mal was anderes machen.“ Er erweitert seinen Genre-Pool, um „Jazz, Hip-Hop, Blues Rock, Funk – das ist immer drin“, sagt Alex. Eben nicht immer nur der Hard Rock, nicht ausschließlich jedenfalls: „Den baue ich mit ein.“ So spielt er Hip-Hop mit harten Gitarren oder chilligen Lo-Fi mit Gitarre als Ergänzung. Seine Kreativität sprudelt dabei ungeahnt. „Es sollte eigentlich eine EP werden“, verrät er, doch „ich habe zehn Songs“. Ein ganzes Album ist somit fast fertig und er hofft, es noch vor dem Sommer zu veröffentlichen. Zehn Songs reichen ihm für das Langspielformat absolut aus: „Ich will nicht übertreiben, der Trend geht zurück zu Alben, die normal lang sind.“

Als Namen für dieses Projekt greift Alex auf The Lost Arts Society zurück, unter dem er bereits 2021 die „Five Leaf Clover EP“ herausbrachte. „Die kam gut an“, freut er sich, „nicht so heavy“, und er habe darauf den Song arbeiten lassen. Damit steht der Name des Projektes fest, aber noch nicht der des Albums. Für den hat er zwei Titel zur Auswahl: „Wounds To Wisdom“, also thematisch so etwas wie aus Erfahrung lernen, und „Insight Job“, also eine Wortspielerei.

Dies ist somit die nächste Etappe in Alex‘ musikalischer Geschichte. Die begann er mit 13, 14 Jahren in der Band Eagle Springs, „da waren wir noch Kinder“, erzählt er. „Wir haben gesagt: Wir kaufen uns entweder Mopeds oder Gitarren. Wir haben Gitarren gekauft – und eine Band aufgezogen.“ Nach nur zwei, drei Jahren waren Eagle Springs sattelfest genug, die Songs von Helden wie Deep Purple nachzuspielen, und damit fit, um sogar im Schützensaal aufzutreten, für den sie ein Mitarbeiter von der Kirche ganz überraschend buchte. Mit ebenso überraschendem Erfolg: 600 Leute kamen.

„Ich kann auch alleine spielen“, so Alex Garoufalidis. Am liebsten hat er vier Leute im Background – aber das ist bei ihm kein Muss.

Foto: Privat

Mit 21 verstarb jedoch ihr Sänger Frank an Drogen. „Das war ganz hart in Gifhorn“, so Alex. Die Stadt sei ein Transit-Umschlagplatz zwischen Amsterdam und Berlin gewesen: „Mancher hat den hohen Preis gezahlt.“ Ein harter Schlag für die Freunde aus der Band. In den 90ern verloren sich die verbliebenen Musiker aus den Augen, „es hat kaum noch einer Musik gemacht“, Alex selbst ging ins Ausland. Nicht nach Paris, seiner großen Liebe, besonders in Verbindung mit Romy Schneider, sondern in die USA, nach Kalifornien. „Es sollten ein paar Monate werden, es wurden ein paar Jahre“, erzählt er. Kein Wunder bei dem Job: „Ich habe VIP-Security gemacht für Phil Collins, Madonna, Lenny Kravitz, Quincy Jones – ich habe sie alle kennengelernt.“ Irgendwann stellte er begeistert fest, dass die alte Garde seiner musikalischen Helden wieder neue Platten herausbrachte, und befand: „Ich wollte das auch.“ Also kehrte Alex zurück nach Gifhorn und formierte eine neue Band. „Ein neuer Name musste her“, entschied er, und wählte dafür King‘s Call.

„King‘s Call“ war nämlich ein Solo-Song von Phil Lynott, dem Sänger von Thin Lizzy – Alex‘ erklärter Lieblingsband. „Es ging um Elvis“, weiß Alex, und der Text sei mehrdeutig interpretierbar, einerseits religiös und andererseits: „Der King ruft und alle kommen zusammen.“ Als Alex noch in den USA lebte, brachte Philomena Lynott, die Mutter von Phil Lynott, ein Buch über ihren Sohn heraus, „My Boy“. „Ich habe sie angerufen“, erzählt Alex, was dazu führte, dass er sie in Irland besuchte: „Wir haben uns gut verstanden“, erinnert er sich. „Das war das Fundament für King‘s Call“, auch musikalisch, „melodischer Hard Rock“, ganz nach dem Vorbild Thin Lizzy. „Bei denen stehen die melodischen, energetischen Gitarren im Vordergrund“, so Alex, „Twin Guitars“, unter anderem von Gary Moore, einem weiteren Vorbild für ihn.

Als King‘s Call starteten, zogen sie viel übers Land: „Die ganze Dorfjugend kam, wir haben abgerockt“, strahlt Alex. Drei, vier Bands spielten pro Abend mit King‘s Call. Einer aus der Gruppe packte immer das Equipment in einen Bulli, der Rest reiste mit dem Fahrrad an – „das ging alles“. Und wurde überraschend größer. „Als Teenager habe ich gesagt, ich will mit den großen Produzenten arbeiten.“ Da Thin Lizzy nun mal seine Lieblingsband war, kontaktierte er übers Internet das Management von deren Produzent Chris Tsangarides und fragte nach den Kosten für eine Produktion von King‘s Call. „Das Management hat mir den Preis gesagt – es war zu teuer.“

Doch das Unglaubliche geschah: „Dann rief Chris mich privat zurück und sagte, er will ein eigenes Studio einrichten.“ Fortan arbeiteten sie zusammen, jahrelang – bis zu Chris‘ überraschendem Tod 2018.

Bis zu seinem Tod arbeitete Chris Tsangarides (links) mit Alex Garoufalidis für ihre Musik eng zusammen.

Foto: Privat

Ein weiterer erschütternder Einschnitt für Alex. Der sich nach einem neuen Produzenten umsah und ihn in Kit Woolven fand, einem Mitarbeiter von Tony Visconti, der schon mit David Bowie gearbeitet hatte. „Wir haben einen Videocall gemacht“, erzählt Alex, „und beschlossen, zusammen einen Song zu schreiben über Musiker aus Leidenschaft.“ Doch Kit Woolven wurde krank – und verstarb ebenfalls. Der nächste Schock für Alex. Der daraufhin Kontakt zu Vic Martin knüpfte, dem Keyboarder der Band von Gary Moore, und das kam so: Alex postete während der Pandemie Videos auf Social Media, wie er Songs seiner Helden nachspielte, auch von Gary Moore. Daraufhin schrieb Vic ihn an und entschied, dass sie gemeinsam ein Instrumental-Album aufnehmen sollten. Sie schickten Tracks hin und her, und so entstand „Spell By Spell“, 2023 erschienen unter dem Projektnamen Midnight Mirage. „Es ist ein schönes Album geworden, ein bisschen chilliger“, so Alex.

Kurz darauf veröffentlichte Alex noch unter dem Titel „Innocence & Lies“ eine Akustik-EP und trat mit dieser im Gepäck in Gifhorn und Umgebung auf. „So viel, wie in den Jahren davor nicht“, staunt der Musiker selbst. Und legt sich fest: „So soll es weitergehen.“ Ganz abgesehen davon, dass er mit King‘s Call mit einer Queen-Cover-Band in Griechenland und Zypern unterwegs war und er solche Gigs dort auch 2024 fortsetzen will.

Das geht quasi in Richtung der Heimat seiner Eltern: „Sie sind in einer der ersten Wellen hergekommen“, so Alex, und zwar in den 60ern, „auf Einladung: Kommt nach Deutschland, die Wirtschaft ankurbeln.“ Alex‘ Vater wollte nur für vier, fünf Jahre bleiben, doch: „Meine Mutter sah: Hier haben wir eine Zukunft.“ Denn kurz darauf brach in Griechenland die Diktatur aus. Dann kam Alex zur Welt: „Ich bin hier geboren in Gifhorn, 1967.“ Seine Eltern waren damals in Griechenland Schauspieler, deshalb sagt er: „Ich sehe mich nicht nur als Musiker, sondern als Künstler – ich hätte auch Schauspieler sein können, es ist einfach in den Genen drin.“

Dabei hatte es Alex als Sprössling griechischer Eltern zunächst schwer. „Ich habe als kleines Kind immer den Arsch voll bekommen“, sagt er. „Ich war der einzige auf dem Gymi, und die Leute sagten: Was will der Grieche, was will der Kanake?“ Vertraute rieten ihm, Karatekurse zu absolvieren, doch er lehnte zunächst ab: „Nee, da krieg ich ja noch mehr auf die Fresse.“ Doch änderte er irgendwann seine Meinung und blieb dran: „Ich habe durchgehalten.“ Mit der Folge: „Heute gebe ich Selbstbehauptungskurse für Frauen.“

Im November erreichte er den 5.-Dan-Schwarzgurt: „Mehr geht nicht.“ Eine Gruppe für Kinder und weitere Selbstverteidigungskurse für Frauen stehen für dieses Jahr auf Alex‘ Agenda, und er betont, dass es nicht darum gehe, sich zu prügeln, sondern zu wissen, dass man in bedrohlichen Situationen eine Chance hat, und die dann auch zu nutzen: „Nicht in die Opferrolle hingeben.“ Als wäre das alles nicht schon Aufgabe genug, ist er noch Schulbegleiter, „was Gutes für die Welt tun“. Und nachmittags ist er Gitarrenlehrer im Kultbahnhof in Gifhorn.

Und Musiker sowieso: „Ich möchte etwas mitteilen“, sagt Alex. „Musik ist für mich ein Sprachrohr geworden.“ Er betont: „Du musst es aus Liebe machen, ob Du ein Buch schreibst oder ein Bildhauer bist.“ Oder eben Musiker.

Deshalb hat Alex bereits sein nächstes Projekt im Hinterkopf: Ein Musikalbum mit den Stimmen unterschiedlicher Personen. „Ich will Leute haben, die in verschiedenen Sprachen draufsprechen, die ein Gedicht geschrieben haben“, sagt Alex. „Irgendwas mit Poetry.“ Er findet: „Es sind coole Zeiten – Du musst nicht mal singen können.“

The Lost Arts Society:
facebook.com/AX1111


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