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ChatGPT, bringst Du meinen Job in Gefahr? KURT-Kolumnist Malte Schönfeld schreibt über Angst und Job

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 06.05.2023
ChatGPT, bringst Du meinen Job in Gefahr? KURT-Kolumnist Malte Schönfeld schreibt über Angst und Job

Wie viele andere auch, fragt KURT-Mitarbeiter Malte bei verzweifelten, antwortlosen Fragen ChatGPT um Hilfe.

Foto: Mia Anna Elisabeth Timmer

Ich glaube, liebe Leserinnen und Leser, es ist an der Zeit, dass ich Ihnen etwas über meine Arbeit und meine Arbeitsweise erzähle. Denn in Zukunft wird sich da etwas verändern.

Wenn ich Ihnen sagte, dass ich von Kindesbeinen an Journalist werden wollte, dann wäre das gelogen. Ich vermute, kein Kind will Journalist werden. Wieso auch? Für Kinder ist das ein fast unsichtbarer Beruf. Man baut keine futuristischen Autos, erlebt die Welt von oben oder rettet Haustieren das Leben, wenn sie in Scherben getreten sind.

Kinder in den 90ern, also als ich zur Schule ging, wollten das werden: Ingenieur, Astronaut, Tierärztin. Sowas schrieb man neben seinem Portraitfoto (Fishbone-Pullover) und seiner Lieblingsfarbe (Gelb) in Freundschaftsbücher. Ich weiß noch, mit welchem Traumberuf ich mich in den Freundschaftsbüchern meiner Klassenkameraden verewigte: Archäologe. Und einmal sogar: Drogenkurier. Gerade hatte ich eine Folge TKKG gehört, da sprach ein Drogenkurier, dass er mit einer Fahrt nach Spanien und zurück 10.000 Mark verdient hätte. Das bisschen Auto fahren, die warme Sonne auf der Haut, das vakuumierte Päckchen im Reifen versteckt – Drogenkurier, ja, das leuchtete mir als 10-Jähriger ein.

Wie so häufig im Leben, kam es dann leider anders. Inzwischen habe ich mich aber sehr gut damit arrangiert, nicht in Spanien arbeiten zu dürfen. Ich mag es, Journalist zu sein. Ich mag es, mit Menschen zu sprechen und ihnen Fragen zu stellen. Ich liebe Fragen. Und gute Antworten. Hoffentlich: Je besser die Fragen, desto besser die Antworten. Ein Interview zu führen ist ein Handwerk. Wie jedes beliebige andere Handwerk, kann man das lernen. Noch bin ich nicht so gut wie ich sein möchte. Irgendwann vielleicht schon.

Für meinen Beruf wäre es vorteilhaft, wenn man nicht nur das Fragen mag, sondern auch das Schreiben. Und Wörter müssen einem etwas bedeuten. Da ist der Journalist vermutlich wie der Schriftsteller. Ich befürchte, jeder Journalist führt ein eigenes Wörterbuch. In meinem stehen folgende Begriffe (ohne emotionale Reihenfolge): opak, Waldfrevel, Archipel, Spring-ins-Feld, Vexierspiel, solcherlei. In welchem Satz sie landen werden, weiß ich noch nicht. Aber gut, dass sie schonmal da sind.

Meine journalistischen Stücke versuche ich, immer nach zwei Grundsätzen zu schreiben: Alle ist wahr, alles ist unterhaltsam. Wenn es nicht wahr ist, steht es nicht auf dem Papier. Wenn Sie es nicht gerne lesen mögen, wenn ich es nicht gerne lesen mag, war ich nicht gut genug. Ich finde, ein guter Journalist sollte auch ein guter Stilist sein. Ein Stück sollte Eleganz und Musik haben, sagt man. Meine haben sie vermutlich seltener als ich mir das wünsche – doch auch da arbeite ich dran.

Weshalb ich Ihnen das schreibe, hat einen bestimmten Grund. Ich möchte Sie etwas bitten. Tag für Tag, Woche für Woche, Ausgabe für Ausgabe sorgen wir uns, manchmal bis in die späten Abendstunden, um Ihnen eine unterhaltsame Lektüre zu bieten, kleine Stücke und große Stücke, ein Schmunzler hier, eine ungewusste Info da – immer wieder ein kleiner KURT mit einem großen, pochenden Herz.

Doch fortan wird sich alles ändern. Denn ChatGPT, dieser Wunder-Algorithmus des maschinellen Lernens, manche sagen schon Künstliche Intelligenz, ist nun da. Er ist in unsere Welt getreten und wird sie in Brand stecken oder retten – je nachdem welch Apologet man fragt. Und doch richtet sich meine Bitte an Sie: Vertrauen Sie bitte weiter in Redaktionen, in denen Menschen sitzen und grübeln und sich die Haare raufen und streiten. Und ich verspreche angstvoll, besser zu werden.


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