KURT deckt auf

Auf einmal geht's: Gifhorns Schlammgruben sollen nun offenbar doch untersucht werden - aber immer noch nur zum Teil

Redaktion Veröffentlicht am 06.01.2021
Auf einmal geht's: Gifhorns Schlammgruben sollen nun offenbar doch untersucht werden - aber immer noch nur zum Teil

880.000 Euro möchte die Gifhorner Kreisverwaltung für die Untersuchung der Erdöl-Altlasten locker machen – vorbehaltlich einer Förderung durch das Land Niedersachsen.

Foto: Pixabay (Symbolfoto)

Kehrtwende in der Gifhorner Kreisverwaltung: Nachdem jahrelang eine Untersuchung aller 52 Schlammgruben im Landkreis Gifhorn nicht für nötig erachtet und zuletzt noch im Gifhorner Kreistag eine Beratung darüber mit Mehrheit von der Tagesordnung genommen wurde, sollen nun doch weitere der Altlasten-Verdachtsfälle untersucht werden. Das teilten Kreisrätin Ute Spieler sowie Antje Präger und Jürgen Brunke vom Fachbereich Umwelt am heutigen Mittwoch nach übereinstimmenden Berichten in den jeweiligen morgigen Ausgaben von Aller-Zeitung und Gifhorner Rundschau mit. Die umfangreichen Recherchen und hartnäckige Berichterstattung der KURT-Redaktion, die dem Thema erst zu breiterer Öffentlichkeit verhalfen, haben offenbar Wirkung gezeigt – wenngleich KURT über die offenbar kurzfristig getroffenen Entscheidungen von der Kreisverwaltung heute nicht informiert wurde.

238 Bürgerinnen und Bürger haben die von KURT initiierte Petition unter schlammgruben.de inzwischen unterzeichnet und fordern eine komplette Untersuchung aller Schlammgruben im Landkreis Gifhorn, um mögliche Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung auszuschließen. Weitere Unterschriften könnten helfen – denn auch nach der heutigen Ankündigung ist das Thema nicht erledigt.

880.000 Euro möchte die Gifhorner Kreisverwaltung unter Leitung von Landrat Andreas Ebel laut den Zeitungsberichten in den nächsten drei Jahren ausgeben, um die Bohrschlammgruben in unserem Landkreis auf ihr Gefährdungspotenzial zu untersuchen – allerdings nur zum Teil.

Einen politischen Beschluss gibt es dazu bisher nicht. Die Parteien, die zuletzt für eine Untersuchung aller Schlammgruben warben, in der Dezember-Sitzung des Kreistages aber überstimmt wurden, wurden von der heutigen Kehrtwende der Verwaltung und den beabsichtigten Ausgaben von fast einer Million Euro überrascht.

Im Landkrreis Gifhorn wurden bisher nur 6 der insgesamt 52 Bohrschlammgruben untersucht, zwei davon in Wohnortnähe wie beispielsweise in Leiferde. Die weiteren untersuchten Altlasten-Verdachtsfälle befinden sich in Hardesse, Vorhop, Schneflingen, Dedelstorf und Hankensbüttel.

Die 46 bisher nicht erkundeten Schlammgruben sind über den gesamten Landkreis Gifhorn verteilt – mit einem großen Schwerpunkt in der Samtgemeinde Wesendorf. Dort wurde bisher keine einzige Schlammgrube untersucht.

Für den Fall einer Untersuchung sind drei Phasen vorgesehen: Auf eine historische Recherche sowie Ermittlung der bisher bekannten Daten und Fakten zu den Gruben folgt eine Felduntersuchung mit Boden- und Grundwasseruntersuchungen als Phase 2. Zuletzt müsste es – falls erforderlich – in Phase drei eine vertiefte weitergehende Untersuchung des jeweiligen Standortes sowie Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geben.

Bei vier der sechs bisher im Landkreis Gifhorn untersuchten Gruben sei man inzwischen zum Abschluss der Phase 2 gekommen. Auffälligkeiten hinsichtlich des Gehalts an gesundheitsgefährdenden Stoffen wie Benzol, Toluol oder anderer Kohlenwasserstoffe, die möglicherweise krebserregende Spuren enthalten, habe es laut den Medienberichten unter Berufung auf die Gifhorner Kreisverwaltung nicht gegeben.

Allerdings: „In den Gruben wurden neben den mineralischen Abfällen auch langkettige Alkane gefunden“, zitiert die Gifhorner Rundschau die Kreisverwaltung. „Dies sind Kohlenwasserstoffverbindungen, die für ölfündige Tiefbohrungen typisch sind. Solche langkettigen Verbindungen sind außerordentlich immobil und wandern folglich nicht in Richtung Grundwasser.“

Die dritte Phase sei in diesen vier Fällen demnach nicht notwendig – gleichwohl habe sich die Kreisverwaltung aber für ein Grundwasser-Monitoring entschieden, „um sicherzustellen, dass auch weiterhin keine Verunreinigungen auftreten und das Untersuchungsergebnis dauerhaft bestätigt bleibt“.

Bei den zwei weiteren Gruben sollen die Boden- und Grundwasseruntersuchungen voraussichtlich Ende Januar beginnen. Die Ergebnisse der Aktenrecherche gäben aber auch dabei „keine Anhaltspunkte für eine zu erwartende stärkere oder stofflich andersartige Verunreinigung“, so Umwelt-Fachbereichsleiterin Präger in der Gifhorner Rundschau.

Die Gifhorner Kreisverwaltung stelle laut den Zeitungsberichten sicher, dass „die Gesundheit der Bevölkerung ernst genommen und geschützt“ werde. Ein aktuell greifbarer Anlass zur Besorgnis liege demnach nicht vor.

100-prozentig wissen kann dies unsere Kreisverwaltung jedoch freilich erst, wenn die Schlammgruben auch wirklich untersucht werden. Bis dahin bleibt es bei Vermutungen.

Darauf wiesen zuletzt auch die Grünen und die SPD hin, die nach den KURT-Veröffentlichungen eine umfangreiche Untersuchung aller Schlammgruben im Landkreis Gifhorn forderten. Der Gifhorner Kreisverwaltung unter Leitung von Landrat Andreas Ebel warfen sie mangelndes Handeln vor.

Dass davon nicht die Rede sein könne, erläuterten Ute Spieler und Antje Präger laut der Gifhorner Rundschau. „Mit den Arbeiten zur Erfassung der Bohrschlammgruben sei bereits 2016 begonnen worden“, heißt es in dem Bericht. Und weiter: „Richtig sei, dass sich die Genehmigungsverfahren in die Länge zögen. Auch gebe es Gespräche, um eine Verlängerung des Förderzeitraums zu erreichen. Der Landkreis Gifhorn habe ein Altlastenkataster, bei denen die Schlammgruben nicht oberste Priorität hätten, weil die Gefährdungslage deutlich geringer sei als beispielsweise bei einer ehemaligen Tankstelle oder Reinigung.“

Richtig ist: Es muss zwar nicht sein, jedoch könnten Schwermetalle, radioaktive Stoffe und teils krebserregende Mineralölkohlenwasserstoffe in den Schlammgruben bedrohlich nah an der Erdoberfläche schlummern und mit jedem Regenfall weiter ins Grundwasser sickern – und das in jeder einzelnen der 46 bisher nicht untersuchten, aber aktenkundigen Verdachtsfälle.

Mit dieser gewaltigen Zahl steht der Landkreis Gifhorn übrigens niedersachsenweit an der traurigen Spitze. „Durch die landesweite Untersuchung von Bohrschlammgruben waren alle Kapazitäten der auf diesem Gebiet arbeitenden Ingenieurbüros ausgeschöpft“, erklärte Gifhorns Kreisverwaltung zuletzt auf Nachhaken der KURT-Redaktion, weshalb man bisher nur 6 von 52 Verdachsfällen für eine Untersuchung angemeldet hatte.

Gleichzeitig hat es der Kreis Cloppenburg aber geschafft, 29 von 32 Verdachtsfällen untersuchen zu lassen – und Diepholz sogar 42 von 46.

Für die restlichen Gruben hat die Gifhorner Kreisverwaltung nun offenbar insgesamt 880.000 Euro vorgesehen – allerdings laut der Aller-Zeitung nur für die Untersuchung in Phase 1, also die reine Aktenstudie am Schreibtisch ohne Bodenuntersuchungen vor Ort. Und auch nur vorbehaltlich der Förderung sämtlicher Anträge durch das Land Niedersachsen.

„Ob der Landkreis die Untersuchung von Gruben alleine finanzieren wird, wenn das Land Anträge ablehnt, sei dann Entscheidung des Kreistages“, verweist die Aller-Zeitung auf Kreisrätin Spieler.

Die Gifhorner Rundschau berichtet demgegenüber, dass in den nächsten Wochen weitere Förderanträge gestellt werden sollen, um die Untersuchung weiterer Bohrschlammgruben fortzusetzen. Das sei jedoch nicht für alle 46 Bohrschlammgruben möglich. „Das würden wir gar nicht genehmigt bekommen“, zitiert die Zeitung Umwelt-Fachbereichsleiterin Präger. Der Grund dafür liege in den Förderrichtlinien, die eine Priorisierung der zu untersuchenden Bohrschlammgruben erforderlich mache.

Die Erdöl-Industrie würde 80 Prozent der Kosten für die Untersuchung tragen. So steht es in einem Vergleichsvertrag zwischen dem Land Niedersachsen und dem Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung von 2015 – doch die Antragsfrist endet in wenigen Monaten.

Bis zuletzt blieb fraglich, weshalb die Gifhorner Kreisverwaltung sich dies entgehen lassen wollte. Ein Glück, dass sich die Verwaltungsspitze im Gifhorner Schloss nun offenbar doch noch sputen will...

Alle Verdachtsflächen im Landkreis Gifhorn hat KURT auf einer interaktiven Karte zusammengetragen – mitsamt sämtlichen frei verfügbaren Quellen unserer Recherche und einer Petition, mit der auch Sie unsere Kreisverwaltung auffordern können, alle ausstehenden Untersuchungen zu beantragen: schlammgruben.de.


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