Fußball
Als Heidenheim fast das fast Unmögliche möglich machte: Sport-KURT-Autor Tim Borgfeld erlebt als VIP ein Bundesliga-Spiel beim FC Bayern
Tim Borgfeld Veröffentlicht am 21.01.2024
Aufbegehren gegen den Fußball-Riesen: Tim Borgfeld (rechts) und Max Kisanyik tragen für das Bundesliga-Spiel zwischen Bayern München und dem 1. FC Heidenheim Trikots auf.
Foto: Privat
Die Allianz-Arena in München zählt zu den größten und modernsten Stadien in Deutschland. Dass ich die Möglichkeit, für ein Spiel des FC Bayern München der Fußball-Bundesliga Karten zu bekommen, sehr gern annahm, dürfte niemanden verwundern. Noch dazu waren es VIP-Tickets. Dass aber ausgerechnet der vergleichsweise kleine 1. FC Heidenheim praktisch die Hauptrolle in meinem Stadionerlebnis spielen sollte, sorgte im Freundes- und Bekanntenkreis dann aber auch für das eine oder andere Stirnrunzeln.
Der Hintergrund ist schnell erklärt: Ich arbeitete einst beim Deutschen Tennis-Bund in Hamburg mit einem echten Heidenheimer zusammen, der sogar so etwas wie mein Vorgesetzter war. Max Kisanyik und ich freundeten uns schnell an, er schenkte mir sogar ein Trikot seines Herzensklubs FCH, für den er selbst einmal gespielt hatte. Das war zum Ende der Saison heruntergesetzt, er schlug zu – so wie es sich fürs Klischee eines guten Schwaben gehört.
Weil Max seit einigen Jahren in München lebt, machten wir uns nach einer gemütlichen Laufrunde am Morgen also auf den Weg zur Allianz-Arena. „Lass uns zusehen, dass wir früh da sind. Ich will das auskosten“, sagte ich Max etliche Male. Gesagt, getan. Wir waren zwei Stunden vor Spielbeginn am Stadion. Das Suchen unseres Blocks und des Eingangs in den VIP-Bereich kostete uns etwas Zeit, dafür lief alles andere absolut reibungslos. Um 15.30 Uhr sollte der Anpfiff ertönen, um 13.45 Uhr hatten wir uns angemeldet.
Schnell wurde uns klar, dass wir uns in den folgenden Stunden um nichts, aber auch wirklich gar nichts Sorgen machen müssten. Zuerst wurden uns unsere Jacken abgenommen, dann ging es zum Tisch. Das Buffet war bereits eröffnet, das Glas wurde die gesamte Zeit immer wieder nachgefüllt, wenn es einmal geleert war.
Es war eine Welt, in der Max und ich uns nicht wirklich auskannten. Wir genossen es aber. Wer glaubte, dass dort ausschließlich Geschäftsleute in Anzug unterwegs sein würden, wurde eines Besseren belehrt. Die Bandbreite in dieser Hinsicht war beeindruckend. Es waren auch kleine Gruppen dort, die wir aufgrund ihrer Fankleidung schnell als Heidenheimer Fans identifizieren konnten. Also zogen wir unsere Hemden aus und zeigten unsere Trikots des FCH.
Die Allianz-Arena in München macht auch von außen etwas her.
Foto: Privat
Auch das Spiel an sich sollte seinen Beitrag zu einem gelungenen Ausflug in die Allianz-Arena leisten. „Es ist mir egal, dass wir das Spiel verlieren. Ich möchte einfach ein Heidenheimer Tor sehen“, wiederholte Max immer wieder. Klar, ein Kantersieg für die Bayern hätte wohl niemanden überrascht. Zumal Heidenheims Mitaufsteiger Darmstadt 98 wenige Wochen zuvor mit 0:8 unter die Räder gekommen war.
Es ging uns viel mehr um das Erlebnis an sich. Mit vollem Bauch und einem Getränk begaben wir uns auf unsere Plätze. Die waren hinter dem Tor gelegen und prinzipiell nichts Besonderes, dafür waren wir aber nicht weit entfernt von den etwa 5000 Heidenheimern. Max hatte einige von ihnen schon identifiziert und kannte sie von früher. „Der 1. FC Heidenheim in der Allianz-Arena“, sagte er und atmete tief durch. Ihm dürfte dieses Spiel noch mal deutlich mehr bedeutet haben als mir.
Doch jetzt wirklich zum Spiel: Die Heidenheimer machten ihre Sache von Anfang an gut. Zum Unterschiedsspieler in der ersten Halbzeit wurde aber ein gewisser Harry Kane. Den hatte ich zuvor nie im Stadion gesehen, und ich war beeindruckt. Sowohl über die beiden Tore und die Art und Weise, wie er sie schoss beziehungsweise köpfte. Aber auch davon, wo er überall zu sehen war. Teilweise spielte er als defensiver Mittelfeldspieler Diagonalbälle auf Leroy Sané oder Serge Gnabry, um dann aber doch wieder selbst im Zentrum zum Abnehmer zu werden.
Die Bayern führten zur Pause, in der wir uns in der Loge ein weiteres Mal ein bisschen verwöhnen ließen, mit 2:0. Entschieden war das Spiel damit aber lange nicht. Und plötzlich, Mitte des zweiten Durchgangs, hatten wir den Grund, um aus dem Sattel zu gehen. Eine abgefälschte Flanke fiel Tim Kleindienst auf den Fuß, der das herbeigesehnte Heidenheimer Tor erzielte.
„Das müsst Ihr uns jetzt aber gönnen“, sagte Max in seiner Euphorie zu den hinter uns sitzenden Bayern-Fans. Die reagierten skeptisch. Warum, das zeigte sich nur kurz darauf. Denn es ging spätestens jetzt nicht mehr nur noch um die Höhe des Sieges des deutschen Rekordmeisters. Und wer weiß, vielleicht würde ja mal eine Ecke gefährlich in den Strafraum von Nationaltorwart Manuel Neuer segeln…
Doch die brauchte es gar nicht. Münchens Innenverteidiger Min-jae Kim spielte im eigenen Strafraum einen Fehlpass, Jan-Niklas Beste zog ab – und abgefälscht von Kim schlug der Ball im Winkel ein. Der 1. FC Heidenheim hatte einen Tag vor der Mitgliederversammlung des FCB ausgeglichen in dessen Fußballfestung ausgeglichen.
Max drehte sich ein weiteres Mal zu den Bayern-Fans um. „Da habt Ihr jetzt aber selbst Schuld“, merkte er voller Überzeugung an. Wir konnten es beim Blick auf die Anzeigetafel kaum glauben – 2:2. Auch ich konnte meine Euphorie über das, was da unten auf dem Rasen passiert war, nicht verbergen.
Wir wurden allerdings recht schnell wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt – sowas passiert bei Spielen des FC Bayern häufiger. Nun ja, die Geschichte der restlichen 20 Minuten ist schnell erzählt: Raphael Guerreiro traf zwei Minuten nach dem Ausgleich zum 3:2, Eric-Maxim Choupo-Moting machte danach mit seinem Treffer alles klar.
Der große FCB gewann mit 4:2. Die Laune ließen wir uns davon aber gewiss nicht verderben – und diesen besonderen Tag noch eine Weile in der VIP-Loge ausklingen.