Glauben & Zweifeln

Alle, die von Freiheit träumen... - Isolation und Freiheit in Zeiten von Corona

Martin Wrasmann Veröffentlicht am 26.04.2020
Alle, die von Freiheit träumen... - Isolation und Freiheit in Zeiten von Corona

„Mir wird noch einmal mehr deutlich, wie sehr mein ganz persönliches Verhalten relevant ist für das Überleben von anderen“, sagt Martin Wrasmann.

Foto: privat

Menschen in Quarantäne, etliche, in Kontaktsperre alle, Social-Distance oder Physical-Distance sind die prägende Begriffe einer Zeit, die sich so unwirklich anfühlt, wie für heute Lebende keine Zeit zuvor, nach dem Krieg, in Europa und der Welt.

Es geschehen Dinge, die sich kaum einordnen lassen. Viele erzählen, dass ihnen Worte und Sprache fehlen, das zu beschreiben, was in ihnen vorgeht. Wem soll man glauben? Den Virologen, den Psychologen, den Ökologen, den Ökonomologen, den Theologen, den Politologen? Alles renommierte Berufssparten, die sich in ihrer Profession auf den Logos beziehen. Der Begriff Logos meint mehr als nur die flache Übersetzung „Wort“, es geht um mehr, um Weltvernunft, nicht mehr und nicht weniger, als der Frage nachzugehen, wie wir mit Vernunft so handeln, dass dabei die Würde aller Menschen im Blick bleibt.

So ordnen sich dann Begriffe wie Isolation und Freiheit ganz anders.

Für manche ist da das häusliche Verbleiben schon sehr einengend, während andere, Obdachlose, gar nicht wissen, wie sich Häuslichkeit anfühlt.

Da fliegt die Regierung der BRD für mehr als 50 Millionen Euro deutsche Urlauber zurück, während der Landkreis Gifhorn es ablehnt, 20 Kinder aus Griechenland aufzunehmen.

Die Sorge, wie die BRD aus der Covid-19-Krise herauskommt, lässt medial und sozial fast vergessen, wie die Hot-Spots der Armut, also der ärmsten Regionen der Welt förmlich untergehen. Länder schotten ihre Grenzen ab und sichern ihre Eigeninteressen, wie hat Europa noch über das „America First“ des US-Präsidenten gespottet.

Aus all diesen Ambivalenzen wird deutlich: Es geht also um das große Ganze, den Logos, das ist ein Lernwert, wenn nicht sogar der wichtigste, den uns die Aufarbeitung der Virenkrise auferlegt.

Und trotzdem bleibt das private Erleben von Freiheit und Isolation eine Wirklichkeit, der wir uns, jeder und jede, einzeln und täglich stellen müssen.

Während ich schreibe, sind gerade einmal zehn Tage der Kontaktsperre herum. Und ehrlich: Ich hätte bis hierhin nicht gedacht, dass unsere Zivilgesellschaft so viele Grundtugenden (Empathie, Solidarität, Wahrnehmung, Dialogfähigkeit, Verzicht et cetera) substantiell abrufen kann, diese Erfahrung kann ein Faustpfand für die zukünftige Gestalt unseres Zusammenlebens sein. Und mir wird noch einmal mehr deutlich, wie sehr mein ganz persönliches Verhalten, alltäglich, relevant ist für das Überleben von anderen, meine eigene Freiheit ist unwiderruflich verknüpft mit der Freiheit der anderen.

Für unser Lernen in und nach der Krise wünsche ich mir, dass die Symbole der Krise präsent bleiben: der Mundschutz, der dafür sorgen kann, dass unsere Sprache sauber bleibt und andere nicht infiziert; die Handhygiene, die uns jetzt schon beim täglichen Waschen daran erinnert, dass niemand seine Hände in Unschuld waschen kann; ausreichend Abstand halten zu Positionen, mit denen ich nicht übereinstimme; Quarantäne, die mich daran erinnert, dass Entschleunigung mitunter sehr energievoll sein kann.

Und dann ist da ja auch noch Ostern, das Fest der Auferstehung Jesu, das Fest, an dem Christen feiern, dass die Grenzen des Todes gesprengt sind und damit die Freiheit grenzenlos wird. Wer daran glaubt, ist über jeden Zweifel erhaben. Ich wünsche allen Leser*innen eine behütete Zeit.


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