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111 Jahre Club Frohsinn: Die Gentlemen in Lumpen - Gifhorner Gesellschaft organisiert Bälle, Silvesterpartys und Vatertagsausflüge

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 31.12.2020
111 Jahre Club Frohsinn: Die Gentlemen in Lumpen - Gifhorner Gesellschaft organisiert Bälle, Silvesterpartys und Vatertagsausflüge

Auch wenn nur Männer in den Club eintreten dürfen, die Ehefrauen sind (fast) immer mit dabei: Die Goldenen Zwanziger gab‘s nicht nur im Berliner Moka Efti, sondern auch 1922 im Hotel Deutsches Haus in Gifhorn.

Foto: Privat (Archiv)

Seine Farben sind Rot, Weiß und Blau – und es gibt ihn seit nunmehr 111 Jahren: Der Club Frohsinn feiert seine Schnapszahl! Eine lange und bewegte Geschichte liegt hinter ihm. Doch alte Liebe rostet ja bekanntlich nicht. Und so macht der Gifhorner Club Frohsinn auch heute noch einen ganz und gar prächtigen Eindruck. Selten war das geführte Club-Leben so ausdrucksstark wie heute. Auch deswegen hoffen die Mitglieder, dass bald wieder ausgiebig gefeiert werden darf.

Ganz so schlimm sei es nicht gewesen, dass man in diesem Jahr keine Party anlässlich des 111. Club-Geburtstags organisieren durfte, meint der Vorsitzende Jörn Könecke. Dafür habe man den 110. Geburtstag auch einfach im größtmöglichen Rahmen bestritten. Dennoch: Aufgrund der Corona-Pandemie mussten viele der geplanten Aktivitäten abgesagt werden. Schade für den lebhaften und unternehmungsfreudigen Club Frohsinn, der gerade in der jüngeren Vergangenheit wieder richtig aufblüht.

Der Ursprung des Club Frohsinn liegt im Jahr 1909. Das Deutsche Kaiserreich entwickelte sich im ausgehenden 19. Jahrhundert vor allem wirtschaftlich erheblich weiter, allerorts sprossen neue Industrien mit ihren Fabriken aus dem Boden. Seit den 1870er Jahren florierte in Gifhorn zum Beispiel die Glashütte, die kurz nach der Eröffnung von Wilhelm Limberg übernommen und innerhalb weniger Jahre zu einem echten Aushängeschild wurde. Für Pelikan produzierten die Glashüttenwerke W. Limberg und Co. die Tintenfässer, für 4711 die Parfümflaschen. Zu Beginn wurden die Produkte noch mit Pferdegespannen ins Umland transportiert, später dann per Eisenbahn nach Hamburg, wo die Gifhorner Glashütten-Erzeugnisse bis nach Übersee verschifft wurden.

Zum Himmelfahrtsausflug 1927 traf sich der Club vorm Itschenkrug am Gifhorner Schützenplatz.

Foto: Privat (Archiv)

Wie im späten Mittelalter, als Gifhorn der Knotenpunkt der Salzstraße zwischen Lüneburg und Braunschweig sowie der Kornstraße zwischen Celle und Magdeburg war, gewann der Wirtschaftsstandort Gifhorn an Bedeutung. Infolge der veritablen Glashütten-Produktion – immerhin arbeiteten 1903 fast 300 Leute in der Fabrik – zog es reihenweise Kaufleute nach Gifhorn. Ohne Kenntnisse über Stadt und Umgebung und mit wenigen Beziehungen zu ihrer Bevölkerung hört sich das erst mal nach wenig Bonvivant an.

Der Club Frohsinn bei einem Lumpenball 1922: Die Kostümierungen entsprechen zweifelsohne dem damaligen Zeitgeist.

Foto: Privat (Archiv)

Was hat das aber alles mit dem Club Frohsinn zu tun? Die Antwort darauf gab es sozusagen an der Theke: Um es den zugezogenen Kaufleuten einfacher zu machen, in Gifhorn anzukommen und Fuß zu fassen, wurde am 19. Oktober 1909 kurzerhand der Club Frohsinn gegründet. Eine Zusammenkunft für Junggesellen und Partyraketen. Als Clublokal wählte man die Gaststätte Philipp Reuther, der zudem eines der Gründungsmitglieder war. In der Vereinschronik heißt es dazu: „Zweck und Ziel ist, den jungen Gifhorner Bürgern und den jungen Leuten, die in Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit nach Gifhorn kommen, eine Pflegestätte der Geselligkeit zu geben.“ Und weiter: „Hier sollen sich die zugezogenen Mitglieder wohlfühlen und die Trennung vom elterlichen Hause soll erleichtert werden.“

Von Muttersöhnchen zu Aufschneidern, könnten Spötter meinen. Doch so war es nicht! Nach und nach wurden die wilden Junggesellen ruhiger und gründeten Familien. Im Frohsinn durfte man trotzdem bleiben. Vielleicht ist das auch ein Grund, weshalb es den Club heute noch gibt...

Vom Handwerker über den Finanzbeamten bis hin zum Lehrer: Der Club Frohsinn ist heute so heterogen wie nie zuvor. Seine Club-Treffen im Deutschen Haus bleiben aber ein Ritus.

Foto: Privat (Archiv)

„Man vertut sich da gerne mal, wie groß das Interesse an alten Gifhorner Clubs wirklich ist“, meint Jörn Könecke. Schon sein Opa und sein Vater waren im Club Frohsinn dabei, „da wurde ich als Steppke bereits mitgeschleppt“, lacht der Vorsitzende, der dem Verein 1979 dann offiziell beitrat.

Ganz so einfach ist es mit der Aufnahme – zumindest laut Statuten – allerdings nicht. „Einer erzählt was vom Club, ein anderer wird neugierig. Da läuft viel über Hörensagen“, erklärt Jörn Könecke. Hält man jemanden für clubtauglich, winkt die Einladung. Beim ersten Abend geht die Rechnung des Kandidaten aufs Haus, beim dritten Treffen folgt dann die Abstimmung. Ganz so hart geht der Club mit seinen Interessenten aber nicht ins Gericht. „Bisher wurde noch jeder aufgenommen“, schmunzelt Stefan Pingel, der 2000 zum Club dazustieß und seit sechs Jahren das Amt des Geschäftsführers innehat.

Christi Himmelfahrt ist Frohsinn-Zeit. Die Club-Mitglieder unternahmen traditionell Ausflüge ins Umland.
1935 in Begleitung der Ehefrauen

Foto: Privat (Archiv)

Ohnehin sind die Regularien beim Club Frohsinn immer mit einem Augenzwinkern zu betrachten. Beispielsweise gibt es den sogenannten Vizepräsidenten, der auch zeitgleich das Amt des Vergnügungsausschuss-Vorsitzenden bekleidet. Wahrlich keine unbedeutende Position in der Hierarchie! Denn gifhornweit ist der Club bekannt für seinen Unternehmungsgeist. Das heißt Vorschläge, Vorschläge, Vorschläge. Die Treffen am ersten Mittwoch des Monats finden noch genauso statt wie früher, auch wenn die Gaststätte mittlerweile gewechselt hat: Clubhaus ist schon seit langer Zeit das Hotel Deutsches Haus. Doch die wirklichen Glanzlichter wechseln immer wieder: Da gibt es Silvesterpartys, Fußballspiele, Harztouren, das Adventstreffen auf dem Weihnachtsmarkt, die Trips an Himmelfahrt zum Restaurant Deutscher Heinrich nach Wilsche und vieles mehr. Legendär sind die sogenannten Lumpenbälle, bei denen die Mitglieder und ihre Familien besonders ulkige Klamotten von anno dazumal aufrocken. Unvergessen ist auch der 100. Geburtstag: „Den haben wir richtig groß in der Scheune vom Deutschen Haus gefeiert“, erinnert sich Jörn Könecke mit leuchtenden Augen.

Außerdem ist die Heterogenität des Vereins geblieben, die aktuellen Mitglieder sind zwischen 30 und 85 Jahre alt. Die ältesten Mitglieder bekommen ihre Einladungskarten zu den Veranstaltungen ganz old school noch mit der Post. „Im Moment haben wir eine Truppe zusammen, die ist einfach großartig. So viele Mitglieder wie jetzt hatten wir nicht immer“, schwärmt Stefan Pingel. Und Jörn Könecke versichert: „Sollte irgendwann alles wieder funktionieren, werden wir einiges nachzuholen haben. Das ist vollkommen klar!“


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