Stadtentwicklung
Hindenburgstraße: Testsperrung ab Oktober – Sechsmonatiger Versuch soll Aufschluss über Pläne für Gifhorns Innenstadt geben
Malte Schönfeld Veröffentlicht am 17.07.2023Die mögliche Sperrung der Verbindung zwischen der Hindenburgstraße und der Michael-Clare-Straße für den motorisierten Individualverkehr hatte in den vergangenen Wochen für Diskussionen gesorgt. Kritiker fürchten einen Schaden für den Einzelhandel und die Gastronomie. Nun willigten Politik und Verwaltung ein, ab dem 16. Oktober eine sechsmonatige Testsperrung durchzuführen. Währenddessen „sollen umfangreiche Daten erhoben werden“, wie es in einer Pressemitteilung der Gifhorner Stadtverwaltung heißt.
Die testweise Sperrung der Hindenburgstraße erfolgt vor dem Hintergrund des „rechtlich erforderlichen barrierefreien und sicheren Ausbaus der Haltestelle Steinweg“, wie die Stadtverwaltung verkündet. Die Hoffnung: dass eine durchgängige Fußgängerzone die Aufenthaltsqualität für Passantinnen und Passanten steigert. Lärm und Abgase sollen verringert, der Ausbau der Haltestelle ermöglicht werden. Zusammen erhoffen sich die Befürworter, dass das Erlebnis Innenstadt verbessert wird. So zumindest die Vorstellung.
Doch das sehen nicht alle so. Gegenargumente bringt die City-Gemeinschaft Gifhorn (CGG) ins Feld: Vorsitzender Udo von Ey sprach zuletzt von einer schlechteren Erreichbarkeit der Innenstadt durch zunehmende Staubildung auf Alternativrouten, eingeschränkte Zufahrt zum Parkhaus, erschwerte Erreichbarkeit von gastronomischen Angeboten.
Der Verwaltungsausschuss, in dem die Spitzen aller Stadtratsfraktionen vertreten sind, entschied nun hinter verschlossener Tür, dass ab 16. Oktober eine Testsperrung erfolgen soll – und zeigte sich damit kompromissbereit. Das beauftragte Planungsbüro WVI hatte zuvor bereits die Verkehrsauswirkungen und die Verträglichkeit für den fließenden Verkehr simuliert. Wie plausibel diese Zahlen wirklich sind, muss nun überprüft werden.
Die Stadtverwaltung hat deswegen eine Datenerhebung veranlasst. Im Oktober soll dazu ein externes Büro aktiv werden, das alle relevanten Knotenpunkte einer Beobachtung unterzieht und obendrein die KFZ-Verkehrsströme misst. Eine zweite Messung soll im Frühjahr 2024 erfolgen.
Auch die Stadtverwaltung selbst möchte im Oktober und im Frühjahr Querschnittsmessungen in der Bodemannstraße, der Lindenstraße und der Michael-Clare-Straße/Hindenburgstraße durchführen. Weitere Untersuchungskriteren sind die Auslastung der Parkhäuser in der Hindenburgstraße und bei Schütte sowie die Passantenfrequenz in der Fußgängerzone. Die Kosten für den Verkehrsversuch werden auf 30.000 Euro geschätzt.
Durch die Testphase verzögert sich der Baubeginn für die neue Haltestelle laut Stadtverwaltung um rund ein Jahr. Der Fachbereich Tiefbau geht nun von Mai 2025 aus.
Für den Bereich der Innenstadt ist es nicht die erste Testphase. Im Februar 2022 startete ein ebenfalls auf sechs Monate angelegter Modellversuch, der die Innenstadt ganztags für den Radverkehr freigab. Das war auch eine Reaktion und ein Versuch zur Veränderung: Unter 450 Orten in Deutschland mit 20.000 bis 50.000 Einwohnerinnen und Einwohnern hatte Gifhorn beim vorangegangenen Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) nur Platz 368 belegt. Als durchschnittliche Gesamtschulnote kam eine 4,3 heraus.
Mobilität neu zu denken und die alte Grundannahme der „autogerechten Stadt“ zu hinterfragen – das war damals die Idee hinter dem Modellversuch. Nach sechs Monaten war die Empfehlung aus den Reihen von Stadtverwaltung, Politik und Interessengruppen fast einstimmig pro Fahrradverkehr im Innenstadtbereich. Dennoch entschied der Stadtrat am Ende dagegen.
Der neuerliche Modellversuch entscheidet nun auch ein wenig darüber, ob Mobilität in Gifhorn nur neu gedacht wird – oder auch neu gemacht.