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Zeilen für Freundschaft und gegen Polizeigewalt: Hagen02 aus dem Gifhorner Nordkreis kommen mit echtem Dorfjugend-Sound

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 02.11.2022
Zeilen für Freundschaft und gegen Polizeigewalt: Hagen02 aus dem Gifhorner Nordkreis kommen mit echtem Dorfjugend-Sound

Kritik am sogenannten Freund und Helfer: Im Musikvideo zu „Jäger mit Tollwut“, das vor gut einem Jahr herauskam, gehen Hagen02 mit der Polizei und manch gewalttätigem Ausbruch hart ins Gericht.

Foto: Hagen02

Eine Punkband mit Trompete ist schon ungewöhnlich genug, aber eine, die erst vollständig ist, sobald ein Rapper dazukommt? Das ist Hagen02, ein junges Quintett aus Hagen-Mahnburg. Die Band brachte jüngst ihr erstes Album „Liebe und Krawall“ heraus, mit Songs über Feiern und Freundschaft, in denen sich auch deutliche Worte gegen Rechts und andere gravierende Missstände finden lassen. Gitarrist Jona Hallmann erläutert KURT, was es mit dem Bandnamen auf sich hat, berichtet von Live-Aktionen zwischen „Straff im Kaff“, „Liebe statt Kriege“ und Gigs in Mecklenburg-Vorpommern und gibt Hintergründe zum Schlachtruf „Dawai! Dawai! Hagen02!“

Um zu verstehen, was es mit dem Namen „Hagen02“ auf sich hat, muss man die ganze Geschichte der Band kennen. Die beginnt 2017. Da finden sich Gitarrist Jona, Bassist und Sänger Paulus Kasprzyck sowie die Brüder Felix und Lukas Schacke als Coverband zusammen; Felix an Bass, Trompete und Gesang, Lukas am Schlagzeug. Busted Birds nannte sich das Quartett und spielte vornehmlich auf Geburtstagen. Die Sache mit der Trompete guckte sich das Quartett bei Feine Sahne Fischfilet ab, verrät Jona: „Die hören wir seit unserer Kindheit, wir sind damit aufgewachsen.“

Zwei Jahre später traf Jonas Karstens, heute 31 und damals schon ein Freund von Felix, auf die Gruppe. „Die beiden kannten sich vom Fußball“, erzählt Jona. In Wolfsburg betreibt Jonas nämlich das VfL-Rap-Projekt Riot45. Deren Stück „Liebeslied“ lief dort sogar schon im Stadion, so Jona. Eine umwälzende Ergänzung für die junge Band aus Gifhorns Nordkreis, wie Jona erzählt: „Er kann gute Texte schreiben und ergänzt uns dabei optimal. Jonas ist bei uns aufgeblüht und hat wie die Faust aufs Auge gepasst – er hat die Band komplett gemacht.“ Das übrigens nicht allein mit Rap: Er steuert maßgeblich seinen Punkgesang zu den Songs bei.

Nun, da die Band zu fünft war, sollte auch ein neuer Name her. Doch damit tat sich das Quintett etwas schwer, wälzte Ideen – und kam auf den naheliegenden Gedanken: Hagen02. Jona lacht: „Das ist die Adresse vom Bandraum.“ Denn: „Hagen ist so klein, da gibt‘s keine Straßennamen.“ Wichtig ist dabei, dass Buchstaben und Zahlen ohne Leerzeichen dazwischen geschrieben werden.

Zu dieser Zeit richtete die Band ihr erstes eigenes Festival aus: „Straff im Kaff“, 2019 noch privat. „Da spielten wir unser erstes eigenes Lied, Medaille“, erzählt Jona. Da kam auch schon die Trompete zum Einsatz; der Rest des Programms bestand wieder aus Coversongs. In den Folgejahren bremste Corona die Pläne für eine Fortsetzung aus, dieses Jahr hatten viele Bands keine Zeit, also setzen Hagen02 für 2023 eine Wiederaufnahme des Festivals an, „dieses Mal öffentlich“.

„Wir wollen in Zukunft überregional zocken“, sagt Jona von Hagen02 und meint damit Live-Auftritte in Braunschweig, Wolfsburg, Münster und mehr. „Gigs gerne und überall, darauf haben wir Bock.“

Foto: Hagen02

Nun brach also Corona herein, und die bühnenlose Zeit widmeten die Musiker ihrem Album. Das nahmen sie bei Darius Pesel auf, der bei sich zu Hause ein eigenes Studio hat, in dem er auch seine Band Damage Report aufnahm. „Wir hatten ein Riesenglück mit Darius“, freut sich Jona. Denn dessen Studio ist ebenfalls in Hagen gelegen: „Wir mussten nur aus dem Bandraum stolpern.“ Jona ist dankbar für „viel Zeit und Geduld“, die Darius für die Aufnahmen aufbrachte: „Wir haben einige Songs dort entwickelt, andere sind dort erst entstanden.“ Die Aufnahmen dauerten fast zwei Jahre – weil immerfort etwas dazwischenkam: „Arbeit, Studium, Corona.“

Zwölf Songs waren alsbald fertig. Dann folgte die nächste Hürde: der Albumname. „Wir haben uns damit schwergetan“, gesteht Jona. „Und dann kam uns der Geistesblitz.“ Denn der Titel „Liebe und Krawall“ fasst „alles zusammen, was auf dem Album entstanden ist“. Etwa die Vorab-Singles: „Teufelsküche“ ist eine „Hommage an die geile Zeit, an Freundschaft“, so Jona, als die Musiker zusammen in Hamburg auf Konzerten waren und feierten.

Die zweite Single „Jäger mit Tollwut“ richtet sich gegen Polizeigewalt und rechte Strukturen in der Polizei, veröffentlicht am 13. Dezember. Kein Zufall, steht doch der Code 1312 klar für eine Anti-Haltung gegenüber der Polizei. Jona meint: „Wir positionieren uns gegen rechte Gewalt, gegen Rechts, gegen Nazis.“

Der Song „Primetime“ wirft einen extraterrestrischen Blick auf die Erde, bei dem Beobachter feststellen, „wie Menschen sich selber ans Bein pissen und sich gegenseitig kaputtmachen“. Zusammengefasst also: Sauferei und Freundschaft und Lieder, die anecken. Jona findet: „Wir haben einen guten Mix gefunden.“ Der sich auch auf dem Cover ausdrückt: ein zur Faust geballtes Herz auf einem grünen Tor. „Der Schuppen unseres Bandraums hat auch ein grünes Tor, es gibt hier überall grüne Türen“, erläutert Jona. Dazu selbstredend: „Die Faust – Krawall, das Herz – Liebe.“

Und dann ist Hagen02 auch noch eine mitreißende Liveband, von Anfang an. Wobei der erste Auftritt, auf dem Geburtstag einer Freundin und noch als Busted Birds, gleich der Inbegriff des Rock‘n‘Roll war. „Eine völlige Katastrophe“, erinnert sich Jona lachend. „Es ging alles schief, was schiefgehen konnte: Stromausfall, Saite gerissen, besoffen.“ Für das Quartett kein Grund, mit Konzerten aufzuhören. So kam es zum Jahresanfang 2022 zum Ukraine-Benefiz-Festival „Liebe statt Kriege“, das Hagen02 mit dem befreundeten Deutschrap-Duo Shinsky x Dima im Hagener Schützenhaus ausrichteten – und bei dem mehr als 6000 Euro zusammenkamen, die die Band vollständig an die Kirchengemeinde Hankensbüttel und die Organisation Leave No One Behind weiterleiteten. Da vereinten sich für die Musiker zwei wertvolle Aspekte: der so genannte gute Zweck – „und es hat Spaß gemacht“, so Jona.

Nicht minder der Auftritt kürzlich im Rahmen der 800-Jahr-Feier von Groß Oesingen, als Hagen02 eingebettet zwischen Seducer und den Gastgebern Hoax, die ihrerseits ihren 40. Geburtstag begingen, ein neues Publikum erschlossen. „Für uns war das ein bisschen von zu Hause weg“, sinniert Jona. Das Publikum hatte natürlich das Dorfjubiläum und den Gig der Lokalhelden Hoax als Schwerpunkt, aber so Jona dankbar: „Die Leute waren gut drauf, das war geil.“

Sänger Paulus Kasprzyck bei den Aufnahmen zu „Liebe und Krawall“: Das erste Album von Hagen02 kam Anfang dieses Jahres raus.

Foto: Hagen02

In eine ähnliche Richtung ging jüngst der Auftritt bei einem Geburtstag in Mecklenburg-Vorpommern, bei dem die Band laut Jona begriff: „Es ist schön: Die Musik wird angenommen, auch wenn man ein komplett anderes Publikum hat.“ Für Hagen02 ist dies eine wichtige Motivation: „Wir wollen in Zukunft überregional zocken“, sagt Jona, „Braunschweig, Wolfsburg, Münster vielleicht, da wohnt einer von uns.“ Er grinst: „Gigs gerne und überall, darauf haben wir Bock!“ Außerdem hat die Band so frisch nach dem Album schon wieder neue Musik in petto. „Wir wollen aber mehr Singles rausbringen“, kündigt Jona an, denn wenn die Band wartet, bis genug Material für ein Album zusammen ist, veröffentlicht sie seltener. Dennoch: „Vielleicht bringen wir die Singles irgendwann als EP.“ Zunächst nur als Stream oder Download, auf Tonträger ist es kompliziert: „Da haben wir Bock drauf, aber es ist superschwer.“ Was übrigens keine grundsätzliche Absage an etwa das Medium Schallplatte ist: „Da haben wir schon Anfragen gehabt – da kommt auf jeden Fall noch was!“

Übrigens sind für Jona nicht nur Feine Sahne Fischfilet ein Einfluss. „Mein Papa hatte eine Band“, erzählt er, nämlich die Basement Pigs. Damit ist er nicht der einzige bei Hagen02, der die Musik quasi in die Wiege gelegt bekam: Felix spielt die Trompete genau wie sein Vater. Paulus unterstützt seinen Vater in dessen Musikhaus in Hankensbüttel und gibt dort auch Unterricht. Musikalische Nebentätigkeiten haben auch andere aus der Band: Jonas ist nach wie vor mit Riot45 aktiv und Lukas ist als DJ ElSchacko unterwegs, unter anderem als Teil des Duos Beat The Drums mit „Liebe-und-Krawall“-Produzent Darius, der zu Lukas‘ Sets live das Schlagzeug spielt.

Bleibt also noch offen, was es mit dem Schlachtruf „Dawai! Dawai! Hagen02!“ auf sich hat. Jona grinst, denn im Grunde hat der keine Bedeutung: „Das ist Jux und Dollerei“, lacht er. „Dawai heißt ‚vorwärts‘, es reimt sich, das fanden wir lustig.“ Und es lässt sich leicht auf beides anwenden, auf Liebe und Krawall.

Hagen02: „Liebe und Krawall“
12 Songs
38:43 Minuten
www.hagen02.de
Instagram: @hagen02


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