Musik
Wir wollen eine kleine Revolution entfachen: Malaika Lehner, Volker Schlag und ein Kinderchor sind Leuchtturmmusik
Matthias Bosenick Veröffentlicht am 20.04.2025
Malaika Lehner und Volker Schlag haben mit Leuchtturmmusik ein echt überraschendes Herzensprojekt gestartet.
Foto: Lechtturmmusik
Mit der Erfolgs-Explosion hatte niemand gerechnet: Eigentlich wollten Malaika Lehner und Volker Schlag lediglich ihren Grundschülern deren Musikprojekt-Ergebnisse von überall aus streambar machen – und kaum drei Wochen nach dem Hochladen führt das Album „Für die Kinder der Welt“ unter dem Projektnamen Leuchtturmmusik sämtliche Neueinsteiger-Hitlisten an. Der Gifhorner Kultbahnhof-Betreiber und die Wolfsburger Lehrerin erzählen KURT die ungewöhnliche Geschichte dahinter – die nicht nur sie, sondern auch Dutzende Kinder überrascht und glücklich macht.
„Ich freue mich wahnsinnig über den Anklang – ohne, dass wir darauf hingearbeitet haben“, strahlt Malaika. „Wir wollten ja nur, dass man es hören kann.“ Volker stimmt ihr zu: „Wir sind selbst total überrascht.“ Auf 150 digitale Plattformen lud das Duo die sieben Songs der Kinder weltweit hoch. Volker hat damit jahrelange Erfahrungen und zählt exemplarisch Anbieter wie Amazon, Spotify, Deezer, iTunes und YouTube Music auf. „Wir haben geguckt“, fährt er fort, „und was passiert? Auf einmal hat’s geballert!“ Zum Beispiel so: „Bei Amazon beste Neueinsteiger im Bereich Kindermusik auf Platz 1, vor den Großen. Bei Amazon-Neuheiten allgemein Platz 8, bei iTunes Platz 20 der Neuheiten – und Leute wie Lady Gaga haben gleichzeitig mit uns etwas rausgebracht.“ Er schüttelt den Kopf: „Warum auch immer – wir haben da was richtig gemacht.“
Die Rede ist bei Leuchtturmmusik von einem Schulprojekt, das Malaika und Volker vor drei Jahren an der Grundschule begannen, an der Malaika unterrichtet, nämlich der Evangelischen Waldschule Eichelkamp in Wolfsburg. Eigentlich sei der Anfang „super unspektakulär“ gewesen, winkt Malaika lachend ab.
Auf gar keinen Fall Nebendarsteller, sondern voll im Fokus bei Leuchtturmmusik sind die Kinder. Plötzlich charten also nicht nur Volker und Malaika an die Spitze, sondern auch ihr Kinderchor.
Foto: Privat
Als sie dort 2021 das Fach Musik übernahm, wollte sie dies mit einem „eigenen Unterrichtskonzept machen, nicht so piefig“. Nachdem am 24. Februar 2022 der Überfall der russischen Armee auf die Ukraine begann, organisierte die Schule eine Projektwoche zum Thema Frieden. Malaikas Beitrag war es, „einen Chor in Klassenstärke zusammenzucasten“ und in den Kindern den Spaß am Musikmachen zu wecken. Dazu hatte sie eine spontane Idee: „Ich habe meinen lieben Freund Volker angerufen“. Zusammen entwickelten sie ein ambitioniertes Konzept für die Projektwoche, nämlich ein Friedenslied mit den Gedanken der Kinder zu komponieren, zu üben, aufzunehmen, „eine Choreographie entwickeln und im Schulgottesdienst vorführen“, führt Malaika fort – und das alles in nur fünf Schultagen.
Sie lacht: „Das war eine fixe Idee mit ganz viel Arbeit.“ Volker nickt: „Das haben wir fast in Nachtarbeit gemacht.“ Denn: „Es waren 30 Kinder, wir haben jedes einzeln aufgenommen, die Aufnahmen musste man digital bearbeiten – die Maus war zweimal leer und meinen Scroll-Finger konnte ich nicht bewegen“, lacht er. Mit durchschlagendem Erfolg für das so entstandene Friedenslied „Ganz viel Liebe und noch mehr“, erzählt Malaika: „Die Schule war in Tränen aufgelöst – und ich auch.“
Aber das war ja lediglich der Anfang. Denn Malaika beobachtete, dass die Kinder aus dem Projekt einiges an Erfahrungen mitnahmen: „Sie haben etwas gelernt über ihre Kompetenzen, darüber, ihre Emotionen auszudrücken, über ihre musikalischen Skills.“ Das weckte in ihr die Hoffnung, das Konzept auch für den Unterricht anzuwenden – und den Instrumentenlehrer Volker dafür offiziell mit ins Boot zu holen: „Wir haben den Unterricht gemeinsam gestaltet.“ Denn, so Volker: „Die Idee hat so gut funktioniert – warum nicht eine neue Art von Musikunterricht mit den Kindern machen?“ Er geht ins Detail: „Die Kinder lernen, Musik anzuwenden, so dass sie wissen, worüber sie reden.“ Deshalb begannen die beiden, mit den Kindern Songs zu komponieren.
Daraus erwuchs die nächste Idee, nämlich mit jedem Schuljahrgang ein Projekt zu einem Thema musikalisch umzusetzen, „das den Kindern auf der Seele brennt“, so Malaika.
Beispielsweise Themen wie Freundschaft „oder ein ökumenisches Feierlied, das man auch im Gottesdienst singen kann“ oder ein Lied über „einen Moment, in dem alle Menschen zur gleichen Zeit dankbar sind“. Für Volker ist das nämlich ein enorm wichtiger Aspekt: „Den Kindern zuhören: Was geht Euch durch den Kopf? Was nervt Euch gerade? Was liegt Euch auf dem Herzen?“ Bis hin zu: „Wie soll das Lied klingen? Ist es schnell, ist es langsam?“
So entstanden nach und nach eine Handvoll mitreißender Rock-Pop-Songs mit den Kindern, jeweils begonnen in den dritten Klassen und abgeschlossen, sobald sie die vierte verließen. Die Talente im Fokus. Nach den Vorgaben der Schüler spielte Volker die Stücke ein, zu neunzig Prozent zumindest, für den Rest organisierte er einen Gastmusiker, „für ein paar Gitarrensachen“. Den Kindern hingegen gehören die Stimmen.
„Das sind tolle Ergebnisse“, schwärmt Malaika. Sie erzählt, dass Volker und sie den Kindern immerzu versprachen, diese Lieder zu veröffentlichen, „damit sie zu Hause sagen können: Alexa, spiel mal unsere Musik.“ Sie zuckt mit den Schultern: „Das war naiv und niedlich, aber die Sachen waren zum Verstecken zu gut, zu professionell und zu wichtig“, deshalb entschieden sie: „Hauen wir sie einfach mal raus.“
Der Gifhorner Volker Schlag arbeitete mit Malaika Lehner und ihrem Schulchor. Gemeinsam sorgten sie dafür, dass die Kinder lernten, ihre Emotionen in Musik auszudrücken.
Foto: Privat
Die essentielle Frage dabei stellte Volker: Wie sollen die Kinder das hören? Dafür gründeten die beiden kurzerhand ein Label, produzierten die Lieder nach und stellten sie online. Malaika und Volker ergänzten diese Songs um jeweils ein eigenes Lied, so kamen sieben zusammen und das Album erblickte das Licht der Öffentlichkeit. Ohne jegliche Promotion. Malaika staunt: „Wir haben den Kindern nur gesagt: Macht mal Werbung, sagt das mal weiter. Und dann explodierte das plötzlich.“
Und das ist noch lang nicht das Ende, es wird weitergehen, in viele Richtungen. Zunächst mit dem Album, das über den Manager von Volkers Band Brenner auf den Schreibtischen diverser Plattenfirmen gelandet ist und möglicherweise dereinst auch als physischer Tonträger erhältlich sein könnte. Eine Plattenfirma fragte Volker und Malaika zudem an, ob sie auch Songs für andere Künstler komponieren würden, erzählt der Musiker, und freut sich: „Unsere Arbeit wird geschätzt.“ Alle möglichen TV- und Radio-Sender bitten um Interviews, „es ist total verrückt“, staunt Volker. Und der Manager der Kinderband Heavysaurus kündigte Interesse daran an, das Projekt Leuchtturmmusik zu booken.
Für das Duo bedeutet dies: „Wir müssen Konzepte entwickeln“, so Volker. Konkret: „Wir müssen die Sache größer machen, auf die Straße bringen, eine Show mit und ohne Chor und mit und ohne Band entwickeln.“ Denn 20, 30 Kinder seien unmöglich immerzu zu Konzerten mitzunehmen. Außerdem, und das ist ein weiterer Schritt in die Zukunft, arbeitet er bereits an mindestens einem neuen Song. Doch er atmet ruhig: „Wir sind entspannt, es läuft ja.“ Für Malaika ist es gar keine Frage, ob sie weitermachen: „Es ist eine schöne Sache, es steckt so viel drin.“
Kaum weniger kurios ist übrigens die Geschichte, wie Malaika und Volker sich kennenlernten. „Wir kannten uns nur von Facebook“, beginnt die Lehrerin. Bis Volker ihre Band Pretty In Pink zum Gifhorner Altstadtfest in den Kultbahnhof einlud. Malaika erzählt: „Wir trafen uns, sind uns in die Arme gefallen – alles klar, wir machen was zusammen.“ Zunächst steuerte Malaika Gesang für ein Brenner-Album bei, „sie ist eine Super-Sängerin“, schwärmt der Bassist. Der im Zuge dieser Produktion feststellte: „Es passt supergut.“ So sieht es auch Malaika: „Das passt, die gemeinsame Linie, wir spielen uns die Bälle zu.“
Durch Leuchtturmmusik finden Volker Schlag und Malaika Lehner plötzlich Zugang zu einer ganz neuen Hörerschaft.
Foto: Lechtturmmusik
Also beschlossen sie, etwas zusammen zu schreiben, und das lief aus dem Stand perfekt: Volker hatte Songs parat, zu denen Malaika textete. „Das Zusammenarbeiten hat gut funktioniert, ich konnte mich nur auf die Musik konzentrieren“, schwärmt Volker. Malaika lächelt: „Das war unsere Bestimmung, Leuchtturmmusik zu machen – ich bin überzeugt, dass es toll ist.“ Sie selbst begann mit Musik übrigens als Teenager in Wolfsburg mit Rock-Pop-Coversongs, „so mit Schulband-Charakter“, und startete während ihres Studiums in Braunschweig mit der Funk-Soul-Band Spazzacamino durch. Auch war sie in Coverbands von Künstlern wie Robbie Williams und Eric Clapton, sang mit The Twang, Lothar Leger und den Southern Sisters und war Teil des Beatles-Projektes in der Brunsviga. Und nun hat sie noch die Leuchtturmmusik.
An der es für Volker überdies einen weiteren wichtigen Aspekt gibt: „Wir wollen eine kleine Revolution entfachen.“ Angeregt von einem Kind, das ihm sagte, „die Erwachsenen bauen gerade richtig Mist, aber keiner fragt uns und wir müssen es ausbaden“, betont er, dass es sich bei Leuchtturmmusik nicht schlicht um Kindermusik handelt, sondern: „Es ist von Kindern, die etwas zu sagen haben, das sollen Erwachsene sich anhören.“ Das mache das Projekt einzigartig: „Das ist das große Ganze an der Geschichte: Die Kinder wollen was sagen“, etwa darüber, wie sie das Weltgeschehen entdecken, „jeder hat eine andere Sicht“. In diesem Zusammenhang beobachte er: „Die Welt ändert sich“, denn seit 20 Jahren arbeitet er mit Kindern, und „es hat sich viel verändert in der Sprache und im Denken der Kinder, das ist spannend“. Er selbst begegne ihnen dabei nicht als Pädagoge: „Ich bin Elektriker“, winkt er ab, „ich gehe mit Kindern ganz normal um und nehme sie ernst. Ich rede mit ihnen nicht in Kindersprache, das sind keine Kinder, sondern kleine Menschen.“
Ob das ein Teil der Erfolgsformel von Leuchtturmmusik ist? Das Duo ruht sich jedenfalls nicht auf den unerwarteten Charterfolg und dem großen Zuspruch aus, mit den Kindern und mit der Leuchtturmmusik sind die nächsten Schritte bereits angesetzt. „Es geht weiter“, bestätigt Volker, und Malaika schließt: „Wir haben Ideen.“
Leuchtturmmusik:
„Für die Kinder der Welt“
7 Songs, 28:15 Minuten
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