Engagement
Weltfrauentag: Bunte Figuren am Gifhorner Marktplatz machen aufmerksam auf Ungleicheiten in der Gesellschaft
Marieke Eichner Veröffentlicht am 08.03.2022
Zum Weltfrauentag am 8. März organisierte Gifhorns Gleichstellungsbeauftragte Sevdeal Erkan-Cours (zweite von links) bunte Figuren, die provokant auf gesellschaftliche Ungleicheiten zwischen den Geschlechtern hinweisen sollen.
Foto: Michael Uhmeyer
Bunte Eye-Catcher am Gifhorner Marktplatz machten zum internationalen Weltfrauentag am 8. März aufmerksam auf die gesellschaftliche Ungleichheit von Mann und Frau. Initiiert von Sevdeal Erkan-Cours, der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Gifhorn, lenkten die aus Plastikeimern und -bällen gebauten Figuren den Blick der Vorbeigehenden auf die vor ihnen aufgestellten Plakate mit gewollt provozierenden Fragen und Feststellungen. Allen voran: Internationaler Frauentag – braucht man sowas noch?
„Ziel ist, einen Ort für internationalen Zusammenhalt zu schaffen und auf die Ungleichheiten in der Gesellschaft hinzuweisen“, fasst Gifhorns Gleichstellungsbeauftragte Sevdeal Erkan-Cours zusammen und erinnert: „Schließlich war gestern auch der Equal-Pay-Day. Bis zu diesem Tag im Jahr arbeiten Frauen quasi umsonst.“ Denn noch immer besteht in Deutschland ein Verdienstunterschied von 18 Prozent zwischen den Geschlechtern, kurz Gender-Pay-Gap genannt.
Gifhorns Gleichstellungsbeauftragte will auf viele Aspekte der Ungleicheit hinweisen: „Eine der Figuren fragt zum Beispiel, warum meistens Frauen pflegen.“ Die Pandemie habe zudem zu einem Dauerzustand der Erschöpfung bei Frauen geführt. „Viele Systeme sind ausgefallen und Frauen tragen die Konsequenzen.“ Home-Schooling, Home-Office, Haushalt, Kinderbetreuung – meist seien es die Frauen, die diese Arbeit übernehmen. Dieser geschlechtsspezifische Unterschied wird Gender-Care-Gap genannt.
„Dabei zeigen Studien, dass Männer mehr dieser Care-Arbeiten übernehmen möchten“, weiß Sevdeal Erkan-Cours. „52 Prozent der Männer wollen mehr dieser Sorgearbeit übernehmen, 42 Prozent der Frauen ihre Arbeitszeiten ausweiten – und wir können die Rahmenbedingungen dafür schaffen.“ Das Zuverdienermodell habe ausgedient.
Jetzt wird diskutiert: Vor den Figuren und Plakaten kommen Unterstützerinnen und Unterstützer sowie Passantinnen und Passanten ins Gespräch.
Foto: Michael Uhmeyer
„Wir brauchen mehr Unternehmen, die das fördern“, fordert Gifhorns Gleichstellungsbeauftragte. Viele Männer stoßen auf Widerstand, wollen sie mehr Care-Arbeit übernehmen und dafür etwa mehr Elternzeit nehmen, so Sevdeal Erkan-Cours. „Das ganze System muss geändert werden: Die Einteilung in Lohnsteuerklasse 3 und 5, das sogenannte Ehegattensplitting, die Anreize für das Zuverdienermodell.“
Der Aktion am Markplatz schloßen sich auch Frauen aus der Gifhorner Lokalpolitik und Zivilgesellschaft an. „Wir wollen Farbe bekennen“, betont Elga Eberhardt, engagiert im Gifhorner Kulturverein und Frauenzentrum. „Unter anderem für eine bessere Bezahlung – nicht nur in der Pflege.“ Da stimmt auch Jutta Bahr aus der Theatergruppe des Frauenvereins zu: „Wir Frauen müssen schließlich zusammenhalten – gerade in diesen Zeiten.“ Politisch Flagge zeigen will Karen Wachendorf, Stadtrats- und SPD-Mitglied: „Wir wollen Sevdeal in ihrer Arbeit unterstützten. Was sie tut, ist ganz wichtig und wir wissen das sehr zu schätzen.“
Sevdeal Erkan-Cours möchte den Krieg in der Ukraine am Weltfrauentag nicht außer Acht lassen. „Frauen spüren die Folgen des Krieges anders. Sie sind von Gewalt bedroht, sexualisierte Kriegsgewalt ist immer noch ein Thema.“ Und diese Gewalt ende mitnichten auf der Flucht, so verweist Gifhorns Gleichstellungsbeauftragte etwa auf „unseriöse Schlafangebote“ für Geflüchtete. Sie fordert Sensibilisierung für das Thema, ein koordiniertes Hilfesystem und Geschlechterparität bei den Friedensverhandlungen.