Krisenmanagement

Verfahren eingestellt - Gericht tastet Ausgangssperre im Landkreis Gifhorn nicht an

Redaktion Veröffentlicht am 21.01.2021
Verfahren eingestellt - Gericht tastet Ausgangssperre im Landkreis Gifhorn nicht an

Ein Ingenieur aus Gifhorn hat gegen die zurzeit geltende Ausgangssperre im Landkreis Gifhorn geklagt, weil diese aus seiner Sicht zu ungenau formuliert sei und gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße. Nach Erläuterungen durch die Gifhorner Kreisverwaltung wurde das Verfahren nun vom Verwaltungsgericht Braunschweig eingestellt. Der Landkreis Gifhorn trägt die Kosten des Verfahrens.

Foto: Pixabay (Symbolfoto)

Das erste Eilverfahren gegen die nächtliche Ausgangssperre im Landkreis Gifhorn ist abgeschlossen: Der Antragsteller und die Gifhorner Kreisverwaltung haben das Verfahren nach Hinweisen des Verwaltungsgerichts für erledigt erklärt. Das Gericht hat das Verfahren daraufhin eingestellt. Der Landkreis unter der Führung von Gifhorns Landrat Andreas Ebel muss die Verfahrenskosten tragen; er hatte zuvor eine entsprechende Erklärung vor Gericht abgegeben. Das teilte Torsten Baumgarten, Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Braunschweig und Pressesprecher des Gerichts, am heutigen Donnerstag mit.

Der im Landkreis wohnende Antragsteller hatte laut der Mitteilung zur Begründung seines Eilantrages angegeben, als Ingenieur in Wolfsburg zu arbeiten. Um Projekte fristgerecht abschließen zu können, müsse er teilweise auch am Abend länger arbeiten. Er halte die Ausgangssperre für rechtwidrig, weil er den Regelungen nicht entnehmen könne, ob er von der Sperre befreit ist. Für ihn sei nicht erkennbar, wann eine „zwingende berufliche Tätigkeit“ vorliege, bei der die Ausgangssperre nicht gilt. Die entsprechende Vorschrift der vom Landkreis erlassenen Allgemeinverfügung verstoße daher gegen das Bestimmtheitsgebot, so der Antragsteller.

Das Verwaltungsgericht hat dem Antragsteller schriftlich mitgeteilt, es sei nicht erkennbar, dass die Regelungen über die von der Ausgangssperre ausgenommenen beruflichen Tätigkeiten den Bestimmtheitsgrundsatz verletzen. Die Vorschrift sei so zu verstehen, dass eine Ausnahme von der Ausgangssperre für berufliche Tätigkeiten gilt, die nicht auf einen anderen Zeitraum verschoben werden können. Als „zwingend“ seien also nur berufliche Tätigkeiten anzusehen, die entweder nicht aufgeschoben oder aber nicht nachgeholt werden können. Die „Art“ der beruflichen Tätigkeit spiele dafür keine besondere Rolle, die Regelungen unterschieden also nicht zwischen „wichtigen“ und „weniger wichtigen“ Tätigkeiten. Die vom Antragsteller geschilderte berufliche Situation lege den Schluss nahe, dass es sich um eine „zwingend“ im Zeitraum der Ausgangssperre (20 bis 5 Uhr) zu erledigende Tätigkeit handelt. Andernfalls könne der Abschluss des jeweiligen Projekts nicht gewährleistet werden – auch vom Antragsteller geschilderte Messungen seien nur zu bestimmten Zeitpunkten möglich. Die Gifhorner Kreisverwaltung hatte laut der Pressemitteilung des Gerichts erklärt, dass sie dies im Ergebnis auch so sehe.

„Das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitete Gebot der Bestimmtheit von Normen verlangt, dass Rechtsvorschriften so gefasst sein müssen, dass der Betroffene die Rechtslage so konkret erkennen kann, dass er sein Verhalten danach auszurichten vermag“, heißt es dazu im Schreiben des Verwaltungsgerichts an den Antragsteller. Und weiter: „Dieses Gebot zwingt den Normgeber allerdings nicht, jeden Tatbestand mit genau erfassbaren Maßstäben bis ins Einzelne zu umschreibe Der Normgeber ist aber gehalten, seine Regelungen so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte und mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.“ Die Auslegungsbedürftigkeit nehme einer Vorschrift dabei noch nicht die rechtsstaatlich gebotene Bestimmtheit; es könne nicht erwartet werden, dass jeder Zweifel ausgeschlossen wird. Es sei Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären und die Entscheidung des Normgebers – gegebenenfalls mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden – zu konkretisieren. „In jedem Fall müssen sich aber aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die eine willkürliche Handhabung der Norm durch die für die Vollziehung zuständigen Behörden ausschließen“, so Richter Baumgarten.

Die Kammer sei nach Vorberatung unter Berücksichtigung der vorgenannten Ausführungen der Auffassung, dass der Inhalt der monierten Rechtsbegrifflichkeiten unter Anwendung der juristischen Auslegungsmethoden durchaus ermittelt werden könne, diese also den Bestimmtheitsgrundsatz in seiner einfachgesetzlichen Ausprägung in § 1 Absatz 1 des Niedersächsischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (NVwVfG) in Verbindung mit § 37 Absatz 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) wahren.

Der Begriff „zwingend“ könne vor dem Hintergrund, dass dieser unmittelbar mit einem zeitlichen Aspekt verknüpft ist, nur dahingehend verstanden werden, dass die Ausübung der beruflichen Tätigkeit nicht auf einen anderen Zeitraum verschoben werden kann. Dies werde insbesondere durch die weitere vom Gifhorner Krisenstab erlassene Regelung deutlich, wonach die Auslieferung von Lebensmitteln keine berufliche Tätigkeit ist, die zwingend in dem Zeitraum von 20 bis 5 Uhr erfolgen muss, da es laut Auffassung des Antragsgegners keinen gewichtigen Grund dafür gebe, dieser Tätigkeit, welche theoretisch über einen Zeitraum von 5 bis 20 Uhr, also 15 Stunden lang möglich ist, gerade in der vorgenannten Zeit nachzukommen.

„Anders dürfte es sich in der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit darstellen, die beispielsweise aufgrund einer Einteilung zur Nachtschicht nur eben in einem Zeitraum erfolgen kann, der von der Ausgangssperre umfasst ist“, heißt es im Schreiben des Gerichts an den Antragsteller. Denn die konkrete Arbeitsleistung könne dann nicht nachgeholt werden.

„Demnach ist die Regelung so zu verstehen, dass nur berufliche Tätigkeiten, die entweder nicht aufgeschoben oder aber nicht nachgeholt werden können unter die Begrifflichkeit ’zwingend’ fallen“, so Richter Baumgarten. Ob ein derartiger Fall vorliegt, könne nur im jeweiligen Einzelfall überprüft werden. „Es ist nichts dafür ersichtlich, dass hierfür die ’Art’ der beruflichen Tätigkeit eine besondere Rolle spielt, also es wichtige und weniger wichtige Tätigkeiten gebe“, so der Richter.

Die Allgemeinverfügung nenne ausdrücklich lediglich den Begriff der „beruflichen Tätigkeit“, wovon demnach sämtliche Tätigkeitsfelder umfasst werden. „Soweit die Auslieferung von Lebensmitteln darin aufgeführt wird, ist hieraus nicht ersichtlich, dass damit eine ’Abstufung’ von Berufstätigkeiten vorgenommen werden sollte“, schrieb das Gericht dem Antragsteller. Und weiter: „Vielmehr wird dadurch erkennbar, dass es berufsübergreifend Tätigkeiten gibt, die nicht ’zwingend’ in dem von der Ausgangssperre umfassten Zeitraum erfolgen müssen, da diese sich aufschieben, nachholen oder von vornherein in dem Zeitraum von 5 bis 20 Uhr erledigen lassen.“

„In Ihrem konkreten Einzelfall haben Sie durchaus eine berufliche Situation geschildert, die den Schluss nahelegt, dass es sich um eine ’zwingend’ in diesem Zeitraum (20 bis 5 Uhr) zu erledigende handelt, da andernfalls der Abschluss des jeweiligen Projekts nicht gewährleistet werden könne und gebenenfalls Messungen nur zu bestimmten Zeitpunkten möglich seien“, so das Gericht gegenüber dem Gifhorner Ingenieur, der die Klage eingereicht hatte.

In dem Schreiben, mit dem er das Verfahren für erledigt erklärt hat, habe der Antragsteller mitgeteilt, er habe außerdem weitere Erläuterungen des Landkreises zu der Frage erhalten, was unter einer zwingenden beruflichen Tätigkeit zu verstehen ist, so Richter Baumgarten.


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren