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Über das Projekt Glück: Unser Kolumnist Malte Schönfeld meint, in manchen Fragen sollten wir mehr Königreich Bhutan wagen

Redaktion Veröffentlicht am 29.12.2024
Über das Projekt Glück: Unser Kolumnist Malte Schönfeld meint, in manchen Fragen sollten wir mehr Königreich Bhutan wagen

So stellt sich ChatGPT die Achtsamkeitssttadt vor, die in Bhutan gebaut werden soll. Aus Brücken werden Universitäten, natürliche Flussläufe bleiben so gut unberührt, Zukunftsindustrien siedeln sich an – zumindest stellen sich der bhutanische König und das Parlament die Zukunft so vor.

Foto: Illustration: KURT Media via Dall-E

Unsere Welt scheint opak geworden, auch stürmisch und flüchtig. Einige Troublemaker mehr sind unterwegs. Das Gefühl von Beklemmung. Dabei wollen wir doch zum Ende des Jahres abergläubig emotional irgendwie die Kurve kriegen. Hoffnung aufbauen für 2025, bestenfalls länger. Wir wollen optimistischer im Job sein dürfen, selbstbewusster in der Liebe, einen kleinen Palazzo am Rande der Stadt bauen, raus aus der Schlappheit, ernsthaft unernst sein, einmal nicht den billigen Duftzwilling kaufen, all in gehen, das persönliche Schmerzuniversum verkleinern. Einfach glücklicher sein.

In Bhutan, einem kleinen Königreich im großen Himalaya, gibt es das Bruttonationalglück. Es ist ein alternatives Konzept zum uns bekannten Bruttonationaleinkommen, um den Staat und seine Gesellschaft zu bewerten. Es ist ausdrücklich das politische Ziel, die Bürgerinnen und Bürger nachhaltig glücklich zu machen. Immer mit dem Verweis: Glücklichsein ist nicht mit Freude zu verwechseln. Die Langfristigkeit steht im Vordergrund. Daran arbeiten König, Ministerpräsident und Parlament gemeinsam.

Wie funktioniert das, fragt man sich als deutscher Europäer, der beim Index nur an Geier Sturzflug und das Bruttosozialprodukt denkt. Das geht so:

Als Bhutan, dem in der Mangel von China und Indien droht, zerquetscht zu werden, muss man schauen, was man hat. Vieles fußt auf dem ziemlich friedlichen Buddhismus und der fast heiligen Ökologie. Gesetzlich festgehalten darf die bewaldete Fläche nicht unter 60 Prozent des Staatsgebiets fallen. Die Natur als zweiter Tempel. Bergsteigen ist verboten –
sie zu bewundern, soll reichen. Selbst vom Aussterben bedrohte Arten wie Elefanten und Tiger pflanzen sich wieder fort. Als einziger Staat nimmt Bhutan mehr Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre auf als es ausstößt. Die Energiegewinnung erfolgt über Wasserkraftwerke.

Das Bruttonationalglück wird in Umfragen seit 2008 erhoben. Ob die wirklich aussagekräftig sind, darüber lässt sich glücklich streiten. Zumindest zeigt sich: In einigen Ressorts sind große Fortschritte zu erkennen. Der Glücksminister jubelt. Dank kostenfreier Bildung ist die Alphabetisierungsrate merklich angestiegen. Die Unterrichtssprache ist Englisch, doch die Landessprache Dzongkha müssen alle Kinder lernen – kulturelle Identität wird geschützt.

Am Projekt Glück ist, auch mehr als 50 Jahre nachdem der vierte König Jigme Singye Wangchuck es ausrief, wenig zu kritisieren. Es gibt nur ein Problem: Die Ausbildung der Bürgerinnen und Bürger funktionierte so gut, dass viele junge Menschen aus Bhutan aufbrachen, die Welt zu entdecken. Das zwingt das kleine Gebirgsland in eine existenzielle Krise. Aber auch hierfür gibt‘s Ideen.

In einem 20-Jahres-Plan sollen die Abgewanderten, aber auch Touristen, mit einem einzigartigen Bauprojekt begeistert werden: der Achtsamkeitsstadt. Gemäß der bestehenden bhutanischen Prinzipien könnte sie eine grüne Wellbeing-Oase werden. Brücken über natürlichen Flussläufen, eine Universität aus Holz gebaut, ein Staudamm, der gleichzeitig Tempel ist, Stadtteile, die räumlich wie ein Mandala angeordnet sind.

Klingt für mich nach einem wunderbaren Hoffnungsstifter zum Ende des Jahres. Von Bäumen träumen.


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