Musik

Spielplätze und Kultur statt Nazis und Polizeigewalt: Another-Way-Sänger Iggy spricht über seine Jugend in Gifhorn und die Dringlichkeit von antifaschistischen Songs

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 29.04.2021
Spielplätze und Kultur statt Nazis und Polizeigewalt: Another-Way-Sänger Iggy spricht über seine Jugend in Gifhorn und die Dringlichkeit von antifaschistischen Songs

Fünf Jahre lang stand Iggy (Mitte) mit der Hardcore-Band Almost Equal auf den Bühnen Europas. Anschließend folgte 2019 xResistancex, ehe er zusammen mit Charles und Moritz Another Way gründete.

Foto: Almost Equal

Wer sein Leben „Straight Edge“ verbringt, verzichtet unter anderem auf Alkohol und Drogen. Der Soundtrack zu dieser Philosophie ist zumeist Hardcore, und dort verankert sich auch das Trio Another Way, das sich quer über den Atlantik im Zuge der Corona-Pandemie virtuell zusammen fand. Die Debüt-EP ist inzwischen draußen, stilecht als Kassette. Der im Osten des Landkreises Gifhorn wohnhafte 39-jährige Sänger Iggy erzählt von den Zukunftsplänen dieses Projekts, einem Leben Straight Edge, Politik in der Musik, den Buchstaben X und einer Vergangenheit in diversen Hardcore-Bands, mit denen er europaweit unterwegs war – und in Gifhorn.

Vorab: Iggy ist wegen seiner antifaschistischen und polizeikritischen Aktivitäten darum bemüht, hier in Wort und Bild anonym zu bleiben, zumindest über seinen Spitznamen hinaus, unter dem er in der Szene seit Jahrzehnten bekannt ist. Und unter dem er auch bei Another Way mitmischt.

Eigentlich hatten Iggy sowie Gitarrist und Bassist Moritz etwas anderes vor. „Wir kennen uns durch Konzerte“, erzählt der Sänger, „und hatten ein anderes Bandprojekt.“ Im März 2020 sollte es losgehen, doch was den beiden dazwischenkam, ist allgemein bekannt.

Straight Edge als Lebenseinstellung: Moritz ist bei Another Way am Bass und der Gitarre zu Höhenflügen aufgelegt.

Foto: Frank Tobian

Moritz spielt eigentlich bei der Braunschweiger Hardcoreband Torch und Iggy war nach dem Aus seiner Band xResistancex verfügbar, also machten sie mit dem Handy provisorische Aufnahmen, die sie sich per WhatsApp hin und her schickten. Hardcore, selbstredend, und der ist übrigens im Punk verwurzelt, also schnell, manchmal melodisch und häufig groovend. Als es im Frühjahr wieder erlaubt war, trafen sich die beiden im Proberaum. Iggy übernahm vorerst die Schlagzeugspuren und den Gesang, Moritz Gitarre und Bass.

Als dritten Mitmusiker und Drummer sicherten sie sich die Unterstützung von Charles aus Los Angeles. Der US-Amerikaner spielt aktuell bei XBystanderX, war Mitglied bei diversen US-Hardcore-Bands und zieht derzeit mit einem ganz anderen Projekt alle Augen auf sich: „Holding The Moments“, eine Dokumentation über die Band Bane.

Iggy kennt Charles noch aus der Zeit, als der bei Test Of Time spielte. Iggy buchte Charles für ein Konzert, auch mixte er Iggys xResistancex. „Ich hab ihm spaßeshalber geschrieben, ob wir eine Band zusammen machen wollen“, so der Sänger. Als er ihm nämlich vom vakanten Schlagzeugerposten berichtete, war ihm klar, dass Charles eigentlich Gitarrist ist. Glück für Iggy und Moritz, dass Charles Lust hatte, sich an den Drums auszuprobieren – die Band Another Way war somit geboren.

Charles lässt an den Drums die Muskeln spielen.

Foto: Charles

Knapp zehn Songs hatten Moritz und Iggy schon fertig. Dennoch entschieden sie sich dazu, es zu dritt zunächst mit einer EP zu versuchen. Ein Album könne später ja noch folgen. Dieses „Später“ ist inzwischen gegeben, denn die Resonanz auf das „Demo 2020“ war überaus positiv.

Nicht nur, weil Another Way es unter anderem auch als Tape veröffentlichten. „Das ist im Hardcore immer noch ein gefragtes Medium“, weiß Iggy. Besonders bei Demos kommt es zum Einsatz. Zudem sei es kostengünstig und habe einen gewissen Sammlereffekt, der ebenfalls in Hardcore-Kreisen eine große Rolle spielt. Da will der Fan einfach jede Schallplatte in allen verfügbaren Vinylfarben oder eben das Tape mit den unterschiedlichen Covergestaltungen. Iggy gesteht: „Ich bin da selbst auch affin.“

Bei der Betrachtung der Stücke auf diesem Demo geht es gleich thematisch ans Eingemachte. Vier Tracks sind darauf enthalten, davon ist der erste aber nur das Intro zum zweiten. Der trägt den Titel „13 Seconds Of F* 12“, ist tatsächlich nur 13 Sekunden lang und beinhaltet eine codierte Kritik an Polizeigewalt; das Intro greift als Sample eine Aussage auf, es gäbe bei der US-Polizei keinen Rassismus. „Ich bin von Kindheit an antifaschistisch erzogen worden“, stellt Iggy klar. Deshalb gab es bislang auch von jeder seiner Bands mindestens einen Antifaschismus-Song. Bei Another Way ist dies das 49-sekündige „Never Silence, Never Rest“, das „gegen Nazis und Rassismus“ Stellung bezieht, so Iggy.

2019 schloss sich Iggy (links) xResistancex an, bereits nach einem Jahr war Schluss. Anschließend gründete er Another Way, deren EP „Demo 2020“ in der Hardcore-Szene Wellen schlägt.

Foto: xResistancex

Als richtigen Song betrachtet er eigentlich nur das vierte Stück „History (Will Tell)“, das mit zweieinhalb Minuten erheblich länger ist als der Rest zusammen. So will das Trio zwar auf der EP seine musikalische Bandbreite abstecken, doch auf dem Album sollen dereinst eher Songs wie der vierte enthalten sein. In „History (Will Tell)“ fragt sich Iggy, ob man aus der Geschichte lernen und handeln oder lieber schweigen will; einmal mehr ein antifaschistisches Thema.

Dabei belassen es Another Way nicht beim Anprangern. So initiierte das Trio bereits ein Benefiz-Shirt für die Opfer von Polizeigewalt, analog zur US-Kampagne „Defund The Police“, die fordert, das Geld des unverhältnismäßigen Ausrüstungsetats der Polizei vielmehr in Bildung, Kultur oder etwa Spielplätze zu investieren. Projekte dieser Art unterstützen Another Way auch in Deutschland. Das Cover des Demos spiegelt das wider: Es zeigt nach Art des Graffiti-Künstlers Banksy ein Polizeifahrzeug, dem die Räder fehlen.

Charles ist Schlagzeuger bei Another Way, bei seiner US-Band XBystanderX hingegen an der Gitarre zu finden.

Foto: Privat

Eine limitierte Sammler-Variante davon ist überdies der TV-Figur Spongebob nachempfunden. „Da gab es eine lustige Szene mit der Krabbenpolizei“, so Iggy. Davon produzierte die Band 24 Stück – weil das X der 24. Buchstabe im Alphabet ist und symbolisch für die Straight-Edge-Bewegung steht. Der Hintergrund: In den USA wurde Jugendlichen unter 21 Jahren früher ein X auf die Hand gemalt, als Zeichen, ihnen keinen Alkohol auszuschenken. Da die Bewegung auch für den Verzicht auf Alkohol steht, adaptierte sie dieses X, das sich nun überall in Logos und Bandnamen wiederfindet.

Die Straight-Edge-Bewegung etablierte sich vor mehr als 40 Jahren in der US-Hardcoreszene um Bands wie Earth Crisis, Youth Of Today oder 7 Seconds als eine Art Gegenkultur. Namensgeber war ein 46-sekündiger Song der Hardcore-Band Minor Threat von 1981. Iggy ist von dieser Art zu leben überzeugt: „Ich habe Bock, das zu repräsentieren, weil es mein Leben mit Sinn ausfüllt.“ Dem Partykonsum habe er sich nie zugehörig gefühlt, und dennoch auch „gerne gefeiert, mit viel Alkohol“, bis er feststellte, dass er das nicht brauche. Er wollte sein Leben nicht ruinieren: „Ich habe dann mit dem Rauchen aufgehört – das tat gut, also bin ich dabei geblieben.“

Dabei geht es ihm mitnichten darum, sich über andere zu stellen oder zu missionieren. Er habe begriffen, dass er nicht betrunken sein müsse, um Spaß zu haben. Davon leitet sich auch der Bandname Another Way ab: „Es gibt einen anderen Weg zu leben.“ In Ausprägungen schließt Straight Edge weitere Aspekte mit ein, etwa den Veganismus oder die treue Paarbeziehung. Was man unter Drogen versteht, sei dabei individuell, so Iggy: „Kaffee, Krafttraining, Schuhe, Vinyl – jeder hat eine Leidenschaft, in die man sich reinsteigert.“

Fünf Jahre blieb die Hardcore-Band Almost Equal zusammen, Iggy war mit ihr sogar europaweit auf den Bühnen unterwegs.

Foto: Almost Equal

Ist das Ziel, ein Album aufzunehmen, auch über den Ozean hinweg, heutzutage virtuell leicht lösbar, sieht es mit dem Fernziel, die Songs live zu performen, schon wieder ganz anders aus. Das wäre zwar auch im Sinne von Charles mit anderen Schlagzeugern als ihm möglich, sagt Iggy. Die Zukunft ist derzeit jedoch des Virus‘ wegen nicht planbar. Deswegen lieber ein Blick in die Vergangenheit.

Seit 25 Jahren ist Iggy in der Hardcoreszene unterwegs, davon die letzten elf selbst aktiv in Bands und als Booker. Seine erste Band hieß Never Let Go, mit der spielte er auch in Gifhorn bei einem Festival gegen Rechts und im Flax. Nach zwei Jahren war Schluss, dann folgte ab 2014 für fünf Jahre Almost Equal. „Mit denen war ich europaweit unterwegs“, erinnert sich Iggy. Direkt daran schloss sich 2019 xResistancex an. Seit 2020 gibt es nun also Another Way – und eigentlich ja noch diese eine andere Band, zurzeit aber „noch im Proberaum“, so Iggy: Mit dabei ist ebenfalls Moritz, dazu einige Musiker aus Ostfriesland, weshalb die Zusammensetzung inoffiziell noch den Arbeitstitel „Ostfriesen-Band“ trägt.

Im Landkreis Gifhorn lebt Iggy übrigens quasi erneut: Der gebürtige Braunschweiger verbrachte bereits seine Jugend hier. Mit allem, was dazugehört, Flax, Music Hood und mehr. Zwar gründete er Another Way noch in Braunschweig, „aber ich bin in meine Jugend zurückgewandert, wo ich großgeworden bin und geprägt wurde“. Er schwärmt von seinen Zeiten im Jugendtreff: „Da habe ich Fear Factory, die Beastie Boys, Agnostic Front und NOFX kennen gelernt.“ Und selbst damit begonnen, sich musikalisch auszuprobieren, nachdem er bereits mit acht Jahren Keyboard-Unterricht bekam. „Ich hatte immer mit Musik zu tun“, erzählt Iggy, geprägt von den Eltern, die ihn Pop, Industrial und Hardcore entdecken ließen. Und Hardrock: „Meat Loaf war mein erstes Konzert.“
Nun ist das Keyboard jedoch für den Hardcore eher „suboptimal“, weiß Iggy. Zwar könne er gut Rhythmen halten, aber „ich kann mir nicht merken, was ich mir ausdenke“. Also kam auch das Schlagzeug für ihn nicht in Frage. Und die Gitarre war ihm zu kompliziert. Aber Bands brauchen ja auch Sänger. Aus dem Jammen mit Freunden entstand dann Never Let Go. In diesem Zuge begann Iggy außerdem, unter dem Logo Heart And Passion Konzerte zu veranstalten und Streetware zu gestalten. „Ich wollte der Szene etwas wiedergeben, selber aktiv sein und politisch vorangehen“, erläutert er. Er möchte Menschen für einen respektvollen Umgang miteinander sensibilisieren, steht für Toleranz und Gleichheit ein – und lebt Straight Edge, ein anderer Weg, der sein Leben verbessert.

Another Way: Demo 2020
Tape/Download/Cdr
4 Tracks, 3:35 Minuten
Ugly & Proud Records
anotherwayxxx.bandcamp.com/album/demo-2020
instagram: @anotherway_straightedge


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