Stadtgespräch

Spektrum des Queeren Netzwerks steht vor dem Aus – Gifhorns Kreisverwaltung will für 2024 die Finanzierung streichen

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 01.12.2023
Spektrum des Queeren Netzwerks steht vor dem Aus – Gifhorns Kreisverwaltung will für 2024 die Finanzierung streichen

Bunt, jung, offen – das Queere Netzwerk ist für viele besonders junge Gifhornerinnen und Gifhorner, aber auch ältere queere Personen ein Platz der Gemeinschaft und ein Rückzugsort. Nun droht der Landkreis für 2024 die Gelder zu streichen.

Foto: Michael Uhmeyer (Archiv)

Das Queere Netzwerk Gifhorn – ein Verein für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt – und sein in der Torstraße gelegenes Gruppenzentrum Spektrum dienen vielen jungen Menschen und Erwachsenen als soziale Heimat und Bildungs- und Kulturstätte. Nun aber droht das Aus für viele Aktivitäten, Projekte und das Spektrum selbst: Aktuelle Gespräche über den Haushaltsplan 2024 sehen keine Finanzierung seitens des Landkreises Gifhorn vor. Vertreterinnen und Vertreter des Queeren Netzwerks fühlen sich im Stich gelassen, der Vorstand formulierte deshalb einen offenen Brief.

„Es ist mir nicht begreiflich, weshalb wir von der Kreisverwaltung totgespart werden sollen“, moniert Dominik Ruder, Vorsitzender des Queeren Netzwerks Gifhorn. Um Zuschüsse in Höhe von 32.000 Euro – 12.000 Euro für die Weiterführung der queeren Jugendarbeit, 15.000 Euro für das Spektrum und 5000 Euro für das Testprojekt „Check Dein Risiko“, bei dem sich Menschen auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen können – hatte der Verein zuletzt gebeten. Zugestanden wurden ihm 6000 Euro für die Jugendarbeit. Wie es für 2024 nun weitergehen soll, bleibt bis zum 15. Dezember offen, ehe der nächste Kreistag den Haushalt festlegt. Kurzum: Die Kreisverwaltung hat den Vorschlag zum Sparen gemacht, bisher hat die Politik dem nicht widersprochen.

Als das Queere Netzwerk für 2021 vom Landkreis mit 15.000 Euro Fördergeldern bedacht wurde, um das Spektrum als zentralen Ort für die Vereinsarbeit aufzubauen, war die Freude groß. Seitdem konnte sich der Verein mit seinen unterschiedlichen Gruppenangeboten, Aktionen und Projekten immer auf das Spektrum als Austragungsort verlassen. „Wir haben daraufhin klargemacht, dass wir diese Summe jährlich benötigen würden, um das Spektrum zu finanzieren“, betont Dominik Ruder. Schon im folgenden Jahr, 2022, wurden die Unterstützungen allerdings um die Hälfte gekürzt. Selbst mit den 5000 Euro aus dem Budget der Stadtverwaltung reichte diese Summe allein nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken. „Die Betriebskosten des Spektrums betragen zwischen 35.000 und 45.000 Euro“, rechnet Dominik Ruder vor. Und jetzt droht die Finanzierung vollends gestrichen zu werden.

Im offenen Brief, den das Netzwerk auf seine Website hochgeladen und für Social Media als Video eingesprochen hat, scheinen die Konsequenzen klar: Bleibt das Geld des Landkreises aus, kann das Spektrum dichtmachen. Und da das Spektrum die zentrale Anlaufstelle für Gruppentreffen, Beratungen und Kulturveranstaltungen ist, könnte mehr ins Wanken geraten. Das Finanzierungsloch für 2022 wurde bereits mit Eigenmitteln – etwa aus Ticketverkäufen für Konzerte – zu füllen versucht. Unmöglich scheint für den Vorsitzenden Ruder, alle ausbleibenden Finanzierungen des Landkreises mit Eigenleistungen auszugleichen: „Wir haben kaum Rücklagen und müssten gucken, wie wir haushalten. Auf die vorläufige Unterstützung von den Landesverbänden könnten wir wohl zählen – doch wie lange, das weiß niemand.“

Das komplette Spektrum selbst zu finanzieren, würde Kapazitätsgrenzen der Ehrenamtlichen sprengen, wie Dominik Ruder ahnt. Wenig Geld komme – im Gegenteil zu manchen Sportvereinen etwa – auch über die Mitgliedsbeiträge in die Kasse. Ruder: „Unsere Mitglieder sind vor allem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene. Der Mindestbetrag liegt bei einem Euro. Unsere Mitglieder stehen nicht in den durchschnittlichen Gehaltsstufen eines 40- oder 50-jährigen Erwachsenen.“

Im Besonderen stößt dem Vorsitzenden aber eines auf: Noch im Sommer veranstaltete das Queere Netzwerk den ersten Christopher Street Day Gifhorns. Landrat Tobias Heilmann, Chef der Kreisverwaltung, die nun die Mittel streichen möchte, übernahm die Schirmherrschaft. Die demokratischen Parteien applaudierten. „Alle haben gesagt, wie toll das doch ist, so einen Verein zu haben. Was für eine Bereicherung wir für die Stadt und den gesamten Landkreis Gifhorn seien. Wir fühlen uns komplett verarscht“, wird Dominik Ruder deutlich. Und noch etwas anderes sei ihm aufgefallen: „Ich habe mir angeschaut, wo für den Haushalt gespart werden soll – vor allem bei Jugend und Soziales. Dort, wo die Hilfe am nötigsten gebraucht wird, den Rotstift anzusetzen, darf nicht sein.“


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