Kopfüber

Nicht mal erwachsen, aber bereit für den Krieg: Malte Schönfeld fragt in seiner Kolumne, ob die Bundeswehr an Schulen betteln sollte

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 05.05.2024
Nicht mal erwachsen, aber bereit für den Krieg: Malte Schönfeld fragt in seiner Kolumne, ob die Bundeswehr an Schulen betteln sollte

Werbung für die Bundeswehr in Schulen? Auch schon in Gifhorn ist das passiert. KURT-Kolumnist Malte Schönfeld meint, dass er dieses Vorgehen unter Gewissen Umständen dulden kann.

Foto: KURT Media via Dall-E

Es scheint, als sei der Korridor des Fragwürdigen, im eigentlichen Wortsinne, jüngst wieder ein Stück weit aufgegangen, als mich eine Bekannte zur Seite nahm und fragte: „Meinst Du, es gibt bald Krieg in Deutschland?“

„Krieg in Deutschland?“, erwiderte ich und wusste erst gar nicht, was sie damit meinen könnte.

„Ja“, fuhr sie fort, es gehe doch nur noch um Raketen, Soldaten, Wehrhaftigkeit, Militär an Schulen, Drohungen aus dem Ausland, europäische Bodentruppen in der Ukraine und so weiter.
„Tja“, sagte ich, was natürlich eine bescheuerte Antwort war, und dann besänftigend: „Nein. Auf keinen Fall.“

Dass man das überhaupt betonen muss, 2024, in Mitteleuropa, gibt schon Aufschluss darüber, in welch paranoidem Zustand sich einige unter uns befinden. Ungewissheit, Sorgen und Ängste kriechen an den Bürgerinnen und Bürgern hoch und nisten sich in ihre Köpfe und Herzen.

Was nach der Panikfrage meiner Bekannten auch mitkam: Das Ur-Unvertrauen in die Bundeswehr, die Soldatinnen und Soldaten sowie ihre Ausstattung. Was ist eigentlich mit den 100 Milliarden Euro Sondervermögen passiert? Ist das verpufft? Ausgegeben? Auf dem Tagesgeldkonto von Boris Pistorius abgelegt? Oder gleich schon im Zauberdepot der Aktienrente von Christian Lindner verzockt?

Dann noch der Abhörfall, als russische Staatsmedien die Gespräche deutscher Offiziere und eines Generalleutnants veröffentlichten. Kein gutes Licht auf Deutschland. Und dieses zweite beschauliche Wort neben Wehrhaftigkeit wurde wieder bemüht: RE-SI-LI-ENZ. Sind wir resilient genug? Das ist ja eigentlich ein Begriff aus der Psychologie, der die Anpassungsfähigkeit auf Veränderungen beschreibt. Also dass nicht jede Eruption dazu führt, dass einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird.

Laut eigener Aussage scheiden jährlich rund 15.000 Soldatinnen und Soldaten aus dem Dienst aus. Das Minus muss zum Heimatschutz ausgeglichen werden. Man muss 17 Jahre alt sein, um bei der Bundeswehr freiwillig seinen Wehrdienst zu leisten oder als Zeitsoldat seine Ausbildung zu beginnen. Die Bundeswehr wirbt dafür mit ihren Jugendoffizieren an Schulen. In der Vergangenheit auch in Gifhorn. Und das stößt immer wieder auf Kritik.

Natürlich kann ich es nicht gutheißen, wenn die Bundeswehr um jugendliche Schüler bettelt. Sie gehören historisch und moralisch aufgeklärt, und Krieg ist kein Abenteuer. Doch respektvolle und schonungslos ehrliche Werbung für Erwachsene, die auch Episoden wie den schrecklichen Einsatz in Afghanistan nicht verharmlosen – das kann ich dulden.

Denn was ist sonst die Alternative? Es bereitet mir Unbehagen, wenn ich mir ausmale, wie die Bundeswehr irgendwann nur noch von Rechtsextremen durchzogen ist, die in ihrer Freizeit Munition und Waffen horten, um sie dann am herbeigesehnten Tag X zusammen mit anderen Faschisten, Demokratiefeinden und Parteikadern einzusetzen.

Ich jedenfalls werde nicht für Deutschland in den Krieg ziehen, den es auch gar nicht gibt. Und selbst wenn er stattfindet, sitze ich im Zug nach Irgendwo und ärgere mich über die Naivität im Frühling 2024.


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren