Der 100. KURT

KURT möchte für Gifhorn identitätsstiftend sein - Die Volontäre Marieke Eichner und Malte Schönfeld interviewen den KURT-Herausgeber Bastian Till Nowak

Marieke Eichner, Malte Schönfeld Veröffentlicht am 30.07.2022
KURT möchte für Gifhorn identitätsstiftend sein - Die Volontäre Marieke Eichner und Malte Schönfeld interviewen den KURT-Herausgeber Bastian Till Nowak

Es sieht ein wenig nach Redaktionskuscheln aus, doch KURT-Volontärin Marieke Eichner und Volontär Malte Schönfeld (rechts) haben ihren Chefredakteur Bastian Till Nowak im Interview nicht geschont.

Foto: Michael Uhmeyer

Wer ist das eigentlich genau, dieser Bastian Till Nowak? Viele Leute sehen ihn auf den Straßen Gifhorns. Aber zu Greifen kriegen sie ihn selten, den Herausgeber und Chefredakteur des Stadtmagazins KURT und Inhaber von KURT Media. Doch so schwer zu verstehen ist das gar nicht: Bastian Till Nowak ist 36 Jahre alt, gebürtiger Gifhorner und wuchs in Triangel auf. Inzwischen ist er Medienschaffender, Pressewart im USK, Mitglied im BSK, Vorstandsbeirat im Kulturverein Gifhorn, Fördermitglied beim MTV Gifhorn und der Freiwilligen Feuerwehr Gifhorn, im Vorstand des Stadtverbands der Grünen und Teil der Steuerungsgruppe vom Bündnis für Familie. Und natürlich Schützenkönig 2022, das ist er auch noch. Das Wichtigste aber: Er ist Papa von Tochter Rosa und völlig verliebt in unser Gifhorn. Die KURT-Volontärin Marieke Eichner und Volontär Malte Schönfeld trafen ihn für die 100. KURT-Ausgabe zum Interview.

Warum bist Du Journalist geworden?
Ich habe schon als Zweitklässler eine kleine Zeitung herausgegeben. Sie hieß „Triangeler Report“. Anfangs machte ich das alleine, später haben mehrere Leute aus meinem Umfeld daran mitgewirkt. Wir hatten Abonnenten, das Heft wurde fotokopiert bei Silvis Copyshop und von Hand zusammengetackert. Es gab sogar Werbeanzeigen. Ich hatte also schon immer eine riesige Begeisterung für die Medienbranche. Clark Kent fand ich immer interessanter als Superman.

In der 11. oder 12. Klasse habe ich angefangen, bei der Aller-Zeitung als Freier Mitarbeiter zu jobben. Nach dem Abitur habe ich wenige Semester erfolglos in Kiel studiert. Also dachte ich mir dann so ganz ohne Bafög: Ziehe ich doch wieder zu meinen Eltern, arbeite noch mal bei der Aller-Zeitung und sammel ein, zwei Wartesemester, um später vielleicht Politikwissenschaft oder Skandinavistik zu studieren, da der NC für mich zu niedrig lag. Später hat man mir dann aber ein Volontariat angeboten und im Anschluss eine feste Redakteursstelle. Zum Studieren kam ich also nicht mehr.

Und wie kam es dann zu KURT?
Meine Beschäftigung bei der Aller-Zeitung endete. Ich hatte immer Zeitverträge, und in der gesamten deutschen Medienbranche fand ein riesiger Stellenabbau statt. So war ich plötzlich arbeitslos und musste irgendwie an Geld kommen. Klar war aber: Ich möchte nirgendwo mehr angestellt sein!

Neben anderen freiberuflichen Beschäftigungen fragte mich dann Nicole Rudbach, ob ich den redaktionellen Teil für ein Stadtmagazin machen wollte, das sie zu diesem Zeitpunkt plante: KURT. Die erste Ausgabe erschien im August 2014. Schon nach den ersten drei Heften beschlossen wir, nicht mehr weiter zusammenarbeiten zu wollen. Es hat einfach nicht gepasst. Sollte das Projekt nun sterben oder einer von uns beiden ohne den anderen weitermachen? Wir wurden uns recht schnell einig und haben einen Vertrag aufgesetzt, mit dem ich ihre Rechte an KURT erworben habe.

Im Dezember 2014 erschien dann die vierte Ausgabe, gleichzeitig die erste unter meiner alleinigen Leitung. Das alte Layout haben wir erst mal weiterverwendet, genauso das redaktionelle Konzept.

Nun müssen wir fragen, was auch wir immer wieder gefragt werden: Wofür steht KURT eigentlich?
Anfangs war es tatsächlich eine Abkürzung und bedeutete „Kultur und regionale Themen“ – das stand in den ersten drei Ausgaben sogar noch dabei. Ich fand das aber langweilig, abtörnend und nicht interessant. So habe ich beschlossen: KURT bleibt als Eigenname bestehen, steht aber für nichts mehr.

Du hast in Kiel studiert und für die Braunschweiger Zeitung und die Hannoversche Allgemeine Zeitung geschrieben. Warum hast Du Dich für Gifhorn entschieden und nicht für die Großstadt?
Irgendwie ist das ja immer Fügung im Leben. Noch während des Volontariats habe ich eine Tochter bekommen, Rosa. Sie lebt ja auch im Landkreis und ging hier in den Kindergarten und nun längst zur Schule. Warum sollte es mich da in die Ferne ziehen?

Tatsächlich – in der Mitte meiner 20er – war das Leben in Gifhorn für mich ein anderes, als es heute ist. Denn es gab ja einfach weniger Menschen in meinem Alter in dieser Stadt. Was sich natürlich im Laufe der Jahre vollkommen relativiert hat. Inzwischen liebe ich Gifhorn einfach. Es kann keinen schöneren Fleck auf dieser Erde geben.

Außerdem ging‘s vielleicht auch ein bisschen darum, meinem früheren Arbeitgeber zu zeigen, dass man Stellen nicht abbauen muss, sondern etwas aufbauen und erreichen kann.

Wie hat KURT angefangen und wo stehen wir heute?
Hauptanspruch war von Anfang an, ein identitätsstiftendes Medium für diese Stadt herauszugeben. Die Zielgruppe sind alle Menschen, die gern in Gifhorn leben, ausgehen und sich engagieren, die hier ihre Rente oder ihre Kindheit verbringen. Sie wollen darüber informiert sein, was sie unternehmen und wo sie etwas Neues ausprobieren können. Es ging mir immer darum, den Entdeckergeist in der eigenen Heimat oder Wahlheimat zu fördern. Denn eine Stadt bleibt ja nie stehen. Die Menschen zusammenzuführen und damit auch die Zivilgesellschaft zu stärken. Und gute Nachrichten, im Sinne von: Good News. Man hört immer wieder: „Alles wird schlechter.“ Das ist aber Quatsch. Alles wird immer anders. Und es kommt darauf an, was man selbst daraus macht.

Dieses Team möchte, dass die neue KURT-Ausgabe immer die beste ist: Juliane Werthmann (von links), Malte Schönfeld, Selina Sanft, Marieke Eichner, Bastian Till Nowak, Aileen Kristen und Daniela Stephan.

Foto: Michael Uhmeyer

Anfangs war das Team sehr viel kleiner. In den ersten Ausgaben habe ich fast jeden Artikel selbst schreiben müssen – ich bin sehr froh, dass das heute anders ist. Weil natürlich auch die Aufgaben drumherum immer mehr werden. Wir hatten keine PR-Artikel und weniger Anzeigen. Es ging darum, ein tragfähiges Konzept zu entwickeln, das die Arbeit, die darinsteckt, angemessen finanzieren kann. Die ersten zwei, drei Jahre habe ich mit diesem Magazin allerdings erst mal nur Schulden angehäuft.

Mittlerweile haben wir feste Kolumnen, die unser Magazin auszeichnen und ihm noch mehr Gesicht verleihen, eine breite Autorenschaft, immer wieder Gastbeiträge, sogar aus unserer ukrainischen Partnerstadt, von Historikerinnen und Historikern, den Gastro-Test, den etablierten Sportteil. Das bietet den Leserinnen und Lesern Verlässlichkeit. Nicht jeder liest alles, aber alles richtet sich an die Menschen in und um Gifhorn – und damit an die gesamte Stadt und den gesamten Landkreis.

Bei KURT sind dieselben Menschen für PR verantwortlich, die hier auch journalistisch arbeiten. Sind wir käuflich?
„Käuflich“ wäre der vollkommen falsche Begriff. Unsere Arbeit ist bezahlbar. Wir können gute Artikel machen für Unternehmen und Verbände in unserer Stadt, die sich präsentieren möchten. Dafür ist KURT genau das richtige Medium! Das ist eine Arbeit, die bezahlt werden muss und mit der wir all das, was wir obendrein noch machen, finanzieren können. Trotzdem sind wir nicht käuflich, weil wir manche Anfragen auch ablehnen würden.

Für alle PR-Beiträge, die wir veröffentlichen und entsprechend kennzeichnen, stehen wir ja trotzdem gerade. Auch die PR-Beiträge haben einen hohen Lesewert, weil wir uns dabei genauso an journalistische Leitsätze halten. Es gibt keine unlautere Darstellung, keine Heilsversprechen.

Wir verfolgen nicht dasselbe Konzept wie eine regionale Tageszeitung. Die hat einen anderen Auftrag als wir. Klar: Beide schreiben, was ist. Der Unterschied ist aber, dass wir uns unsere Themen aussuchen, die Tageszeitung hingegen oft von den Themen ereilt wird. Unser Magazin ist da, um unentdeckte coole Sachen zu bringen oder auch Dinge aus einem anderen Blickwinkel darzustellen.

Dann spielen wir doch mit offenen Karten: Es kann dennoch passieren, dass uns – mündlich wie schriftlich – Beschwerden erreichen. Wie gehst Du als Chefredakteur damit um, wie als Herausgeber?
Jede Beschwerde überrascht uns im ersten Moment, weil man einen solchen Artikel ja gar nicht so veröffentlicht hätte, wenn man es in dem Moment der Veröffentlichung schon bedacht hätte. Wenn wir etwas schreiben, das eine berechtigte Beschwerde auslöst, dann haben wir das ja nicht mit böser Absicht getan.

Wir bedenken jeden Tag sehr viele Perspektiven und wägen sehr viel ab. Die meisten unserer Artikel sind ja auch nicht mit der heißen Nadel gestrickt, sondern werden drei, vier mal überarbeitet und gegengelesen, so dass uns solche Fehler eigentlich nicht passieren sollten – aber es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass sie uns passieren können.

Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Und wenn so etwas passiert ist, dann gehört es dazu, dass man sich das anhört, was das jeweilige Gegenüber zu sagen hat und versucht, sich in seine Position zu versetzen. So lernen wir alle immer etwas dazu. Außerdem ist es uns wichtig, die entstandenen Wogen zu glätten. Da sind dann persönliche Gespräche nötig oder Telefonate – oder auch mal eine Einladung zum Frühstück, um sich ausführlich zu unterhalten.

Als Chefredakteur bin ich dafür verantwortlich, dass das, was wir schreiben, richtig ist. Sollten wir etwas Unwahres geschrieben haben, weil wir es nicht besser wussten, wird das korrigiert. Doch selbst wenn es richtig ist, kann sich jemand auf den Schlips getreten fühlen. Dann stellt sich der Chefredakteur vor seine redaktionellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unser Anspruch bleibt aber, dass wir stets Qualitätstexte liefern wollen – und die entstehen am besten, wenn mehrere Personen ein Auge darauf haben.

Als Herausgeber ist es etwas anderes. Ich bin einerseits dafür verantwortlich, die journalistischen Leitlinien dieses Mediums zu definieren. Also: Was ist das, wofür wir stehen wollen? Zum Beispiel für Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung und die europäische Integration. Und gleichzeitig muss ich mir als Herausgeber Gedanken um das wirtschaftliche Wohlergehen dieses Unternehmens und damit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen. Wenn es also eine Beschwerde gibt, muss ich als Herausgeber versuchen, wirtschaftliche Nachteile zu verhindern.

Was war der größte Rückschlag für KURT und wie bist Du damit umgegangen?
Der Radiosender natürlich (lacht). Nahezu wöchentlich werde ich darauf angesprochen, dabei ist das jetzt fast vier Jahre her und KURT.fm war insgesamt gerade mal anderthalb Monate lang auf Sendung. Es war schon eine coole Idee, ein Stadtradio, das rein digital sendet, zu etablieren. Wir hatten einen sehr engagierten jungen Mitarbeiter, der das machen wollte, dessen Engagement allerdings binnen weniger Wochen sehr stark nachgelassen hat. Dann war das, was wir aufbauen wollten, nicht mehr zu verwirklichen.

Andere Stadtmagazine liefen jahrzehntelang, mussten zuletzt allerdings die Redaktionen schließen. Was macht KURT bisher anders?
Im Großen und Ganzen ist die Medienbranche in den vergangenen Jahrzehnten nicht in einem Abschwung, wie einige meinen, sondern in einem Umbruch. Es gibt immer Verbände und Unternehmen, die Medien brauchen, um auf sich aufmerksam zu machen und Werbung zu betreiben. Sie sind bereit, dafür das nötige Geld auszugeben.

Dieser Umbruch wurde allerdings von vielen Tageszeitungsverlagen und leider auch von vielen Stadtmagazinen falsch eingeschätzt. Vielleicht sind da die Teams und Macher zu alt geworden. Sie haben es versäumt, junge Kräfte in ihre Teams zu holen und am Zahn der Zeit zu bleiben. Man muss offen bleiben und zeitgeistig. Es kommt darauf an, nicht auf der Stelle zu treten und auch sich und seine eigene Rolle stets zu hinterfragen. Denn alles, was man tut, muss man weiterentwickeln.

Gifhorn ist eine wunderschöne und beschauliche Kleinstadt, in der jeder nahezu jeden kennt. Wir haben ein irrsinnig tolles Netzwerk mit vielen wundervollen Menschen in dieser Stadt. Wir wollen uns mit unserer Arbeit aber auch ehrenamtlich einbringen. Das wird von vielen Menschen mit großer Anerkennung bedacht. Dafür ein großes Dankeschön!

Wird es in 10 Jahren, in 30 Jahren noch eine Print-Version des KURT geben?
In zehn Jahren bestimmt! Ich bin ja ein riesiger Fan des Print-Produkts, eben weil es eine deutlich höhere Wertigkeit hat, die eine reine Online-Berichterstattung niemals erreichen kann. Ein Print-Produkt ist ein Erlebnis-Produkt. Man kann die Seiten umblättern, Eselsohren reinmachen, Seiten zur Erinnerung herausreißen. Das schafft das Digitale einfach nicht.

Was in 30 oder 40 Jahren ist, vermag ich heute nicht abzusehen. Und ich finde, das muss dann auch jemand anderes entscheiden, nicht ich.

In welcher Form Medien dann verbreitet werden, ist bei der Schnelligkeit technischer Entwicklung ja gar nicht abzusehen. Es wird aber sicher immer dabei bleiben, dass hochwertiger Inhalt produziert werden muss – egal für welches Medium.

Was sind die Veränderungen, die den Lokaljournalismus heute prägen?
(überlegt lange) ...die Schnelllebigkeit. Sie ist durch die digitale Welt hinzugekommen. Es ist noch gar nicht so lange her, dass nur einmal am Tag eine Zeitung herausgekommen ist. Heute ist es so, dass der Lokaljournalismus unter ständigem Veröffentlichungsdruck steht. Außerdem hat sich ein großer Kostendruck ergeben, die Werbeeinnahmen sind branchenweit zurückgegangen. Darauf haben viele Verlage leider nicht mit Qualitätsoffensiven reagiert, sondern mit Kürzungen.

Leider gehen diese Kürzungen immer nur zu Lasten der Qualität. Und das ist ein Teufelskreis. So erscheinen vielleicht Artikel, die nur halb recherchiert oder falsch dargestellt sind. Darunter leidet dann die Glaubwürdigkeit eines Mediums, weshalb wiederum Leserinnen und Leser wegbleiben könnten. Und damit gelangen wir dann zum Anfang: Denn je weniger Leserinnen und Leser es gibt, desto mehr ziehen sich die Werbekunden zurück.

Die Branche durchläuft also viele Veränderungen. Kannst Du den Leserinnen und Lesern etwas über die Zukunft von KURT verraten? Wird es Veränderungen geben?
Manche Veränderungen der Zukunft kann man anhand eines Blicks in die Vergangenheit ablesen. Wir haben unsere Seitenumfänge über die Jahre gesteigert und die Themenvielfalt ist größer geworden. Jetzt kann man daraus schließen, dass wir da bestimmt noch nicht am Ziel sind. Wir haben unsere Online-Präsenz immer weiter ausgebaut, auch durch das Hinzukommen von Personal. Wir haben zuletzt einen TikTok-Kanal eröffnet, was ich mir vor einem Jahr nicht mal vorstellen konnte. Aber auch das verschafft uns Zugang zu neuen Zielgruppen. Wir werden unsere Online-Aktivitäten weiter ausbauen und auch unsere Print-Aktivitäten.

Außerdem habe ich eine halbe Stunde vor diesem Interview-Termin einen mündlichen Mietvertrag für unsere neuen Büroräume abgeschlossen. Wir werden an die Braunschweiger Straße ziehen und unsere Redaktion künftig neben Mr. Barman‘s Bier- und Weinkeller finden. Dort haben wir einen lauschigen Hof, alles wird noch romantischer.


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