Literatur

Irgendwo zwischen Bukowski und Metal: Der gebürtige Gifhorner Frank Schäfer hat zwei neue Bücher rausgebracht

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 27.10.2021
Irgendwo zwischen Bukowski und Metal: Der gebürtige Gifhorner Frank Schäfer hat zwei neue Bücher rausgebracht

Heute tritt Frank Schäfer (2. von rechts) eher als Schriftsteller und Rock-Experte in Erscheinung, früher muckte er selbst mit Salem‘s Law.

Foto: Frank Schäfer

Was nun: Hochkultur oder Heavy Metal? Beides, findet Frank Schäfer, und bringt dieser Tage in beiden Feldern neue Bücher heraus: Literarische Porträts in „Das andere Amerika“ und Texte über verzerrte Gitarren in „Krachgeschichten“. Charakteristisch für den Stil des Vielschreibers ist auch der sprachliche Spagat zwischen Bildung und Hardrock, an dem seine Arbeiten identifizierbar sind – und mit dem er sich nicht nur Freunde macht. Davon berichtet der gebürtige Gifhorner, sowie von Lesebühnen-Abenteuern und seiner Zeit als Hardrock- und Metal-Gitarrist, unter anderem bei Salem‘s Law.

Laut Zeitzeugen stellt der „Adrenalin-Sturz“ einen frühen Meilenstein in Frank Schäfers Musikerbiografie dar. Er lacht, dabei ist die Geschichte nicht durchweg lustig: Adrenalin war die erste Band, die er als 16-Jähriger mit Schulfreunden, nämlich Bassist Frank Kubein, Gitarrist Stefan Kuch, Sänger Bernd Backhaus und Schlagzeuger Volker Wartusch, in seinem Heimatort Leiferde startete, noch im Deutschrock-Funpunk verortet. Einmal spielten sie auf einem zur Bühne umfunktionierten Gummiwagen. Mitten im Gig traten Gitarrist und Bassist ungestüm auf die abgeklappten Seitenwände, die gaben nach und die Musiker fielen. Mit einigem Schaden an Instrumenten und Leibern. Doch sie ließen sich nicht beirren, schnappten sich Ersatzinstrumente und setzten den Auftritt fort. „Rock‘n‘Roll muss wehtun“, zitiert Frank Schäfer lachend ein Bonmot des Abends. Dieses Ereignis fand nun Einzug in die „Krachgeschichten“.

Mit der Zeit wurden die Musiker besser, nahmen Demos auf, spielten auf Partys, der Zoscher-Fete in Ahnsbeck etwa. „Wo man uns wollte, haben wir gespielt, und wo man uns nicht wollte, haben wir auch gespielt“, so Frank Schäfer. Bald änderte sich die musikalische Richtung hin zum Metal: Aus Adrenalin wurde letztlich Salem‘s Law, mit entferntem Bezug zu dem Roman von Stephen King. 1989 ergab sich ein Plattenvertrag: „Tale Of Goblins‘ Breed“ erschien auf LP und CD. Doch weil die Gifhorner ihren Förderer verloren und der Nachfolger sie stiefmütterlich behandelte, ging das Album unter. Demos für eine zweite LP blieben unveröffentlicht, das übernahm Frank Schäfer erst 2008 als Bonus zu seinem Buch „Generation Rock“. Das Debüt hat bis heute in der Szene Renommee. „Es wird gehandelt als Vorläufer von Blind Guardian, Power Metal mit Fantasy-Einsprengseln, ein bisschen proggy“, berichtet er. Und strahlt: „Das ist geil an der Community, im Metal kommt nichts weg!“ Und das weltweit teuer gehandelte Album 2012 zu einer Neuauflage auf CD, mit fünf unveröffentlichten Live-Songs.

Die Band ließ entmutigt die Instrumente ruhen. Was nicht die Auflösung bedeutet: „Uns gibt‘s noch“, beteuert Musiker Schäfer, „wir pausieren nur.“ Gleichzeitig traten andere in sein Leben, die in seinem Sinne rocken wollten: der inzwischen verstorbene Bassist Andreas „Atze“ Pfeiffer, Gitarrist Thomas Krehfeld sowie als dessen späterer Ersatz der heutige KURT-Mitarbeiter Michael „Arni“ Arnold bildeten mit ihm Operation Daisyland, benannt nach einem Begriff aus der Olsenbande. Einmal spielten sie sogar im Moorkater. Ein „Spaßprojekt“, das irgendwann einfach endete.

Aber es gibt den Metal ja noch in Schriftform in Frank Schäfers Leben. Einen echten Schäfer-Text erkennt man oft nach wenigen Zeilen, egal, ob man eines seiner Bücher liest oder seine journalistischen Arbeiten in taz, Rolling Stone, Titanic, Rock Hard: Mit Vorliebe lässt er Fremdwörter auf Gossensprache treffen. Die einen feiern dies, andere haben damit Probleme: „Ich hätte es mir leichter machen können, wenn ich einen weniger amplifizierten Stil benutzt hätte.“ Dennoch steht er dazu, denn: „Das ist meine Sozialisation, ich bin Plebejer, der das Glück hatte, ein Stipendium zu bekommen und zu promovieren.“ Das Anecken nimmt er in Kauf, schließlich sind seine Texte fein durchkomponiert und ergeben quasi ein „Gesamtwerk“.

Frank Schäfer blättert durch einen Ständer mit alten Metal-Scheiben. Die Musik ist neben der Literatur seine zweite Leidenschaft.

Foto: Moritz Thau

Zu dem gehören nun auch „Das andere Amerika“, Frank Schäfers im März erschienenen Porträts von US-Schriftstellern, und die druckfrischen „Krachgeschichten“. Darin bündelt der Autor Konzerterlebnisse, also „Sachen, die mir in der Szene passiert sind“, Beiträge, die er für die Kolumne „Notes Of A Dirty Old Fan“ im Rock Hard verfasste, sowie Storys und Prosa-Poeme, also Lyrik im Geiste von Charles Bukowski, an den auch der Titel seiner Kolumne angelehnt ist. Da vermengen sich die zwei Seiten des Frank Schäfer: „Literaturwissenschaft und Kulturjournalist – auf dieser Grenze wandele ich.“

Zur Literatur kam Frank Schäfer während des Studiums, als er eine Hausarbeit umschrieb und als Essay einem Literaturmagazin verkaufte: „Da habe ich Lunte gerochen.“ 1996 hob er mit seinem Freund Rüdiger Wartusch das eigene Magazin „Griffel“ aus der Taufe, das in der Szene einige Beachtung fand und Größen wie Peter Rühmkorf und Robert Gernhardt exklusive Texte entlockte. Sein erstes Buch war „Die Goldenen Siebziger – Ein notwendiges Wörterbuch“ mit Gerald Fricke und Rüdiger Wartusch: der Startschuss für eine gigantische Bibliografie mit mehr als 50 Büchern.

Ende der 90er Jahre war das Multitalent mit Gerald Fricke und Hartmut El Kurdi Gründer der umjubelten Braunschweiger Lesebühne „Lemmy und die Schmöker“, die jedes Mal einen anderen Star der Literaturszene ins Antiquariat Buch & Kunst einlud. 2010 löste die Musikfilmreihe „Sound On Screen“ von Universum-Kino und Café Riptide ein neues Format aus: Mit Till Burgwächter und Axel Klingenberg bestritt er auf Einladung des Kinochefs das Rahmenprogramm zu „Anvil!“ – die Geburtsstunde von „Read ‘em All“, der bis heute aktiven Heavy-Metal-Lesebühne. Ebenfalls im Universum: „Sound On Paper“ ist der Titel, vorgesehen sind Lesungen rund um das Thema Musik. Lokale Literaten sind ebenso als Gäste gebucht wie Rolling-Stone-Redakteurin Birgit Fuß, Beatles-Autor Maik Brüggemeier (das Buch erschien bei Andreas Reiffer in Meine) und Susanne Fischer, die den Auftakt machte.

Zu Metal-Lesungen war Frank Schäfer, anders als erwartet, bislang noch nie in Wacken. Dafür auf der Heavy Metal Cruise, der von den Wacken-Machern initiierten Konzertkreuzfahrt, sowie überall zwischen Großstadt und Provinz. Und viel zu selten in seiner Heimatstadt: Im H1 las er zweimal, einmal davon mit Read ‘em All – es wird Zeit für einen neuen Termin.


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