Glauben & Zweifeln

Ich glaub, mein Schwein pfeift... – Woran glaube ich? Was hält mich? Und was hat überhaupt das Schwein damit zu tun?

Martin Wrasmann Veröffentlicht am 23.08.2020
Ich glaub, mein Schwein pfeift... – Woran glaube ich? Was hält mich? Und was hat überhaupt das Schwein damit zu tun?

Wenn das Schwein pfeift, ist das ein Ausdruck starker Empörung – Glaube heißt also Nicht-Wissen. Doch ist es wirklich so einfach?

Foto: Çağla Canıdar

Urlaubszeit, Urlaub in Zeiten von Corona, Erholen wovon, Erholen wofür? Gerade die Sommerferien und der Urlaub werfen für viele Menschen Fragen auf, die sich um mehr drehen, als dies oft im normalen Alltag der Fall ist: Wovon lebe ich, woran glaube ich, was hält mich, was gibt mir Sinn? Ich möchte in dieser KURT-Ausgabe auf die Frage nach dem Glauben und den Zweifeln eher mit der Leichtigkeit des Seins antworten, nicht zu leicht, wie wenn es dem Opa entfährt „Ich glaube, mein Schwein pfeift!“, als er die zerfressenen Gartenmöbel-Polster sieht. Was hat das Schwein denn damit zu tun?

Weder die Mäuse noch die Schweine haben etwas mit dieser Redensart zu tun. Schweine können zwar sehr laut quieken und grunzen, aber nicht pfeifen. Sagt jemand, sein Schwein pfeife, drückt er damit überraschte Empörung aus. Um das besonders deutlich zu machen, sagt er etwas, was eigentlich unmöglich ist. Weitere Beispiele mit gleicher Bedeutung: „Ich glaub, mich knutscht ein Elch!“ oder „Ich glaub, mein Hund spielt Halma!“

Doch darum geht es: Eine Aussage, die eigentlich unmöglich erscheint, wird mit dem Vorsatz „Ich glaube“ versehen. In den 70er und 80er Jahren ließen sich die Spontis viele solcher Sprüche einfallen. Ihr Name entstand durch ihre meist spontanen Aktionen, und die Art und Weise, wie sie auf Ungerechtigkeiten aufmerksam machen wollten.

Auch wir kennen heute noch ähnliche Aussagen als Ausdruck von Empörung oder Unverständnis. Also ist damit die uralte Formel belegt: Glaube heißt Nicht-Wissen. Eben nicht zu leicht will ich es uns machen, weil es für mein Leben nichts bringt, ob ich glaube, dass mein Hamster bohnert. Deshalb abgehakt, so leicht ist es dann doch nicht, den Glauben nur in den Bereich der Widersprüche zu verschieben. Mir gefällt ein anderes Bild, eine Geschichte, die mich auch auf eine leichte Weise an den Kern des Glaubens heranführt.

Mit dem Floß unterwegs war er, der Huck Finn. Mit seinem Freund Tom Sawyer bestand er so manches Abenteuer. Die beiden Jungs aus dem Roman von Mark Twain hatten es faustdick hinter den Ohren. Sie stehen für mich als zwei typische Beispiele dafür, wie das Leben so spielt. Der Waisenjunge Tom lebt bei seiner Tante Polly, zusammen mit seinem Halbbruder Sid, seiner Cousine Mary und dem schwarzen Sklaven Jim. Sid ist brav und verpetzt Tom bei jeder Gelegenheit. Tom hingegen schwänzt gern die Schule, prügelt sich und treibt sich mit seinem besten Freund Huckleberry Finn herum. Dieser hat keinen festen Wohnsitz; seine Mutter ist tot, sein Vater ist ein stadtbekannter Trinker.

Die Geschichten von Tom Sawyer und Huckleberry Finn beinhalten eine ganze Fülle von Bildern, die für das Leben und den Glauben von Bedeutung sind: da geht es um Gehorsam, etwa gegenüber Tante Polly, und es geht natürlich um Freiheit. Da geht es um das Zuhause-Sein und das Weglaufen wie bei Jim, dem Sklaven. Da geht es um Recht und Gerechtigkeit, etwa in Fragen der Rassentrennung. Und eigentlich geht es immer auch um das Vertrauen, also den Glauben, dass das Leben es gut mit mir meint. Denn am Ende der vielen Abenteuer, die die beiden erleben, steht ja ein großes Glück: Huckleberry Finn findet zusammen mit Tom Sawyer viel Geld, „es war’n schrecklicher Haufen Geld, als wir es ausgegraben haben. Na, Richter Thatcher nahms an sich und legte es für uns an, und es warf für jeden von uns ‘nen Dollar täglich ab, jahraus, jahrein, mehr als einer von uns brauchen konnte.“

So endet eine reißerische, gefährliche und lehrreiche Geschichte: Huckleberry Finn brauchte sich nicht viel zu kaufen, da er alles, was ihn reich machte, bereits in seiner Welt vorfand: Zeit zum Träumen, Freunde zum Spielen, Räume zum Gestalten und Verweilen, Natur pur und ein Floß, das ihn den Mississippi hinuntertrug. Ein großes Glück, ein großer Schatz, eine große Sorglosigkeit steht am Ende der Erzählung.

Dieses Bild vom Floß auf dem Fluss ist ein modernes Bild des Glaubens: Bei unserer Lebensreise sind wir wie Huck Finn mit dem Floß unterwegs, Abenteurer, die darauf vertrauen, dass das Floß trägt, dass es mir hilft, auf dem Fluss des Lebens voranzukommen. Und dass das Leben auf diesem Fluss viele Abenteuer bereithält und auch wir den Schatz des Glaubens finden...

Was hat Huckleberry Finn mit dem Glauben am Hut? Ich denke, wir brauchen mehr Menschen wie Tom Sawyer und Huckleberry Finn, die sich auf den Weg machen, das Abenteuer des Glaubens zu erleben und dabei auch etwas zu riskieren.

Ich wünsche uns allen spannende Abenteuer auf unserem Floß des Glaubens. Und wo wir nass werden oder ins Wasser fallen oder gar einmal so richtig Schiffbruch erleiden, da mag uns ein Wort der Mystiker trösten: „Was bedeutet mir Schiffbruch, wenn Gott selbst das Meer ist?“

In diesen Sommer- und Urlaubszeiten gibt es genug Gelegenheiten, die eine oder andere wichtige Frage für mein Leben zu durchdenken. Eine Idee: Schreiben Sie doch einmal einen Brief an sich selbst, mit einigen Gedanken zu dem, was Sie trägt und hält, und legen Sie diesen Brief dann am Heiligen Abend unter den Tannenbaum – und lesen dann, was Sie im Sommer beschäftigt hat.

Martin Wrasmann, Pastoralreferent emeritus der St. Altfrid-Gemeinde in Gifhorn, schreibt die monatliche KURT-Kolumne „Glauben & Zweifeln“. Beipflichtungen wie auch Widerworte sind stets willkommen. Leserbriefe bitte an redaktion@kurt-gifhorn.de.


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