Kriminalität

Explosion unter Polizeiwagen: 22-jähriger Gifhorner kommt vor Gericht noch einmal mit Bewährung davon, muss nun aber in Alkoholentzug

Marieke Eichner Veröffentlicht am 02.02.2021
Explosion unter Polizeiwagen: 22-jähriger Gifhorner kommt vor Gericht noch einmal mit Bewährung davon, muss nun aber in Alkoholentzug

Am 6. September warf ein 22-jähriger Gifhorner einen Sprengsatz unter ein Polizeiauto. Der Wagen wurde beschädigt und durch die Detonation ein Polizeibeamter am Gehör verletzt. Vom Gifhorner Amtsgericht wurde der geständige Täter dafür nun verurteilt.

Foto: Augenzeugen-Video (Archiv)

Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, fahrlässige Körperverletzung und mutwillige Zerstörung eines Polizeiautos: So lautete die Anklage gegen den 22-jährigen Gifhorner, der am 6. September vor der Gifhorner Polizeiinspektion einen Sprengsatz unter einen Polizeiwagen warf und sich daraufhin festnehmen ließ. Am Polizeiauto entstand Sachschaden von 2236,63 Euro und ein Polizeibeamter erlitt einen Gehörschaden – Tausende Gifhornerinnen und Gifhorner haben Videos von der Tat und der anschließenden Festnahme auf ihren Smartphones gesehen. Am heutigen Dienstagvormittag fand die Verhandlung vor dem Gifhorner Amtsgericht statt. Der Angeklagte bekannte sich schuldig und wurde zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnisstrafe verurteilt – dies allerdings auf Bewährung und geknüpft an strenge Vorgaben.

„Ich kann mir nicht erklären, warum ich das gemacht habe“, sagte der Angeklagte. „Ich stand unter Drogen.“ Gleich zu Beginn der Verhandlung gestand der 22-Jährige. Er habe keine Erinnerung mehr an die Tat. „Ich war an dem Tag davor in der Ausnüchterungszelle, kam raus und hatte noch 20 Euro in der Tasche. Davon habe ich mir dann Wodka gekauft.“ Am Tattag habe er zudem Drogen konsumiert. Bei der Blutabnahme nach der Verhaftung stellten die Beamten der Polizeiinspektion Gifhorn bei dem Mann einen Alkoholwert von 2,75 Promille fest. Laut eigenem Bekunden leidet der Angeklagte unter einer Alkoholsucht.

Das bestätigte die bei der Verhandlung anwesende Betreuerin des Beschuldigten. Er sei seit längerer Zeit in Betreuung des Jugendhilfeprojektes ZoB des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Gifhorn. Gemeinsam sei ein Antrag auf stationäre Therapie erstellt worden. Der Angeklagte sei bereits in der Vergangenheit in Entzugskliniken gewesen. Laut der Betreuerin habe beim Angeklagten „eine Entwicklung stattgefunden“: Habe er früher darauf bestanden, seine Alkoholsucht eigenständig zu bekämpfen, wolle er sich nun in eine stationäre Therapie begeben.

Der Richter stellte fest, dass der Angeklagte wiederholt Straftaten begangen habe, vor allem in den vergangenen zweieinhalb Jahren – darunter Diebstahl und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Dafür sei er bereits nach Jugendstrafrecht zu Arrest und Arbeitsstunden verurteilt worden. „Ich habe mich selbst nicht mehr unter Kontrolle, wenn ich trinke“, sagte der Angeklagte dazu. „Dann komme ich auf dumme Gedanken.“

Als Zeugin vor Gericht trat die 24-jährige Polizeibeamtin auf, die bei der Blutabnahme nach der Tat dabei war. „Der Beschuldigte hat bereits mehrfach Kontakt mit der Polizei gehabt“, bestätigte sie. Jedes Mal sei ein extrem hoher Promillewert festgestellt worden – der Angeklagte sei dabei nicht motorisch eingeschränkt, aber aggressiv gewesen.

Laut der Polizistin habe der Angeklagte bei der Verhaftung ausgesagt, die Tat aus Rache für seinen inhaftierten Bruder begangen zu haben: „Er sagte, er wolle das Polizeiauto lichterloh brennen sehen.“ Er habe außerdem nach Verletzten gefragt. Als man ihn über den Gehörschaden eines Beamten informierte, solle der Angeklagte gedroht haben: „Schade, beim nächsten mal stecke ich ihm den Böller in den Arsch.“ Und er habe gefragt, ob das reiche, um in Untersuchungshaft zu kommen. Die Polizeibeamtin berichtete zudem, dass es in der Folgezeit noch weitere Einsätze gab, in welche der Beschuldigte verwickelt war.

„Ich kann mir nicht erklären, warum ich das gesagt habe“, meinte der Angeklagte, als ihn der Richter auf seine Aussage bei der Verhaftung anspricht. „Warum ich das überhaupt gemacht habe. Es war ja sinnlos.“ Die Rechnung für das beschädigte Polizeiauto habe er bekommen und wolle sie bezahlen, sobald er wieder einen Arbeitsplatz gefunden habe, erklärte er. Zwei weitere Zeugen warteten noch auf ihre Vernehmung, mit Zustimmung von Staatsanwalt und Verteidiger wurde auf ihre Aussagen aber verzichtet.

Der Staatsanwalt fand in seinem Schlussplädoyer deutliche Worte: „Wenn Sie sich selber zu Tode trinken, ist das Ihr Problem – aber Sie haben eine gemeingefährliche Straftat begangen“, wandte er sich direkt an den Angeklagten. Zudem bedauerte der Staatsanwalt, dass sich der Angeklagte nicht mit dem verletzen Polizeibeamten in Verbindung gesetzt habe, um sich zu entschuldigen. Unter Berücksichtigung früherer Straftaten plädierte der Staatsanwalt für eine Gefangnisstrafe von einem Jahr und acht Monaten – ohne Bewährung.

Der Verteidiger des Beschuldigten beschrieb seinen Mandaten als antriebsschwachen Menschen, dessen Leben in den vergangenen Jahren von Alkohol- und anderem Drogenkonsum geprägt gewesen sei. Mit der Einsicht, dass eine stationäre Therapie nötig sei, sei jedoch „ein Schalter langsam umgelegt“ worden. Mit dem geforderten Strafmaß mochte sich der Verteidiger daher anfreunden – allerdings sollte diese zur Bewährung ausgesetzt werden: „Als Motivation, damit er nicht die Therapie abbricht.“

Der Richter sprach den Angeklagten schließlich in allen Anklagepunkten für schuldig, folgte mit dem Urteil aber dem Ansinnen der Verteidigung: ein Jahr und acht Monate Gefähnigsstrafe – auf Bewährung. Diese hat der Richter jedoch an Bedingungen geknüpft: Der 22-Jährige muss sich in Therapie begeben, regelmäßigen Urinkontrollen unterziehen und darf die Therapie nicht gegen den Rat der Ärzte abbrechen. Außerdem werden ihm Sozialstunden auferlegt. Als Bewährungszeitraum wurden vier Jahre festgelegt, in denen der Angeklagte auch nicht erneut straffällig werden darf. Gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden.

Der Richter berücksichtigte in seinem Urteil, dass der Mann aus einer polizeibekannten Familie stamme und sich aufgrund seiner Persönlichkeit nicht „bilderbuchhaft“ vor dem Gericht habe präsentieren können. „Was uns überzeugt hat, ist, dass Sie jetzt fremde Hilfe annehmen“, betonte der Richter an den Beschuldigten gewandt. „Das war sonst nicht der Fall.“


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