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Dilettantisch gegen den professionellen Wahnsinn: Die Punk-Band Kackschlacht mit Gifhorner Wurzeln veröffentlicht ihre neue LP

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 26.12.2025
Dilettantisch gegen den professionellen Wahnsinn: Die Punk-Band Kackschlacht mit Gifhorner Wurzeln veröffentlicht ihre neue LP

Wovon viele Bands träumen: Kackschlacht tourte 2016 durch Japan und lernte dort die Punk-Szene kennen. Der Shinkansen-Zug fungierte als Tourbus, geschlafen wurde im linken Buchladen. „Total toll“, wie Thomas sagt.

Foto: Privat

Weihnachten mit Kackschlacht – als Geschenk bringt das Brüderpaar Thomas und Timo, das ganz punkmäßig seinen Nachnamen für sich behält, ein neues Album mit, wie die anderen vier Vinyl-Veröffentlichungen schlicht „Kackschlacht“ genannt. Eigentlich hätte es diese Band gar nicht geben dürfen. Aber dann spielten sie ihren ersten überregionalen Gig in einem „Scheißhaus“, tourten durch Japan, waren Hochzeitskapelle, übergaben sich vor Aufregung, gründeten, zumindest der frühere Gifhorner Thomas, eine Familie und feiern Weihnachten in deren Kreise, besinnlich ganz wie Du und ich, als wäre nix. Solches verrät das Duo KURT zum Fest der Liebe.

Die Gründung der Band Kackschlacht war bereits ein Geschenk des Himmels, auch die Existenz eines neuen Albums nach sieben Jahren Pause ist ein Mirakel. Der Sprung erklärt sich mit den veränderten Lebensumständen der Brüder: Der einstige Gifhorner Thomas, Gitarrist des Duos, zog zum Studieren nach Göttingen und wurde Familienvater, Schlagzeuger Timo ging der Liebe wegen ins Ruhrgebiet. Thomas lacht: „Es hat mit Ach und Krach geklappt, dass sich unsere Wege kreuzten.“ Und es gibt noch etwas, das die beiden beim Komponieren bremst: „Weil es uns sehr schwerfällt“, gibt Thomas zu. Er schreibt die Texte für die Band: „Ich will immer und kann nicht“, verrät er. Seine Kreativität ereilt ihn zumeist zufällig: „Ich habe komische Impulse und dann geht das schnell.“ Das neue Album ist nun „so rausgefallen in einer Woche“.

Der komische Impuls kam diesmal durch seinen Vater, der ihm einen Verstärker zurückbrachte, der dann daheim im Weg herumstand. Thomas: „Da dachte ich mir: Spielste halt Gitarre.“ Das macht er zu Hause nämlich üblicherweise nicht. Als zusätzlicher Impuls hatte ihn nur eine Woche zuvor der Musiker Hütte von der Band Finisterre gefragt, ob Kackschlacht nicht wieder bei ihm etwas aufnehmen wollten. Thomas hatte abgesagt. „Dann kam der Verstärker und ich habe Hütte angerufen“, und danach erst seinen Bruder informiert. „Zu Timo habe ich gesagt: Wir nehmen auf!, und er fragte: Und was?“

Nun gibt es also eine neue Platte, wie die anderen vier ohne Titel. Laut Thomas erfolgt dies ohne tieferen Sinn: „Es hat keinen Grund.“ Umso einfacher fiel der Grund für die Gründung von Kackschlacht aus. Im Braunschweiger Kulturzentrum Nexus veranstalteten die Brüder regelmäßig Konzerte, Thomas mit seiner Band E-Egal, Timo mit Kippen. Einmal buchten sie die Band Zwei Tage: Ohne Schnupftabak (ja, diese vier Wörter sind der Name), deren Support kurzfristig abgesagt hatte. Um nicht ohne dazustehen, verkrochen sich Timo und Thomas kurz im Proberaum, schrieben schnell sechs Songs mit „klassischen Punkthemen“ und spielten das Konzert. Dabei hatte es eigentlich bleiben sollen: „Es war gar nicht die Absicht, eine Band zu gründen.“ So ähnlich verlief auch die Namensgebung. „Etwas, das nach Punk klingt: irgendwas Fäkales und irgendwas mit Gewalt“, lacht er. Und Kackschlacht ward uns geboren.

Beim zweiten Konzert im Nexus stand der Musiker Flitzer aus Hannover im Publikum. „Der hat gesagt: Ich gebe ein Konzert im Scheißhaus, das müsst ihr machen!“, erzählt Thomas. Das war wirklich einmal eine öffentliche Toilette gewesen und wurde dann zum Proberaum von Flitzers Band. Jenen Auftritt wiederum sah jemand vom Trust-Magazine. Thomas gesteht: „Die erste Zeit habe ich bei Konzerten gekotzt“, und zwar vor Aufregung. Der Mann vom Trust indes „war davon angetan“, fährt er fort und findet dessen Kommentar schmeichelhaft, der da lautete: „Seitdem ich Kackschlacht kenne, habe ich Punk wieder lieb.“

Immer wieder ein herrlicher Stilbruch: Punk und Weihnachten. Das geht natürlich nur mit ernster Miene, wie Timo (links) und Thomas beweisen.

Foto: Privat

Das war um 2012, als auch das erste Demo erschien. Die nächsten sechs Jahre waren voller Aktivitäten, von Vinyl-Veröffentlichungen bis Touren. „Zehn-Tage-Touren haben wir öfter gemacht, auch nach Österreich“, beginnt Thomas. „Dann kam Lukas von der Band Lambs aus Köln.“ Der hatte Japanologie studiert, sich in Japan verliebt, dort eine Band gegründet und war in die Szene in Tokio abgetaucht. Ihn kannten die Brüder von seiner anderen Band Mülheim Asozial, und als er die Idee hatte, mit Lambs durch Japan zu touren, fielen ihm Kackschlacht als Begleitung ins Auge: „Wir erschienen ihm als eine umgängliche und anspruchslose Band, weil wir problemlos in irgendwelchen Ecken in Schlafsäcken liegen würden“, erzählt Thomas.

„Wir haben kurz überlegt, was für eine bescheuerte und vollkommen sinnlose Idee das ist, und sofort zugesagt.“ Er strahlt: „Wir waren um drei Wochen Erfahrung reicher – das war total toll.“
Eine Woche tourten sie in Tokio hin und her. Sie schliefen in einem linken Buchladen und verstauten ihre Sachen während der Öffnungszeiten hinter einer mobilen Wand. „Wir waren in Hiroshima, Osaka“, fährt Thomas fort. „Mit dem Shinkansen-Zug haben wir die Tour gemacht: Das ganze Geraffel rein, auf die Sekunde pünktlich, unheimlich viel Platz“, mit 400 Stundenkilometer durch Japan. Besonders in Erinnerung blieben ihm die Raucher-Kabinen: „Wie Notsonden, die Zigaretten haben plötzlich ganz merkwürdig geschmeckt.“

Auch die Auftrittsorte hatten Besonderheiten: „Wir haben in einer Reggae-Bar gespielt, in einer American-Bar mit Cadillacs, in einem kleinen Punkladen und beim No Limit Festival“, zählt Thomas auf. „Das ist im Großraum Asien ein Vernetzungstreffen gegen Nationalismus mit Leuten aus China, Russland und Kenia, da haben 13 Bands gespielt – und wir auch.“ Zu diesem Festival gehörte eine Demo, die sich durch Tokio zog, bei der Kackschlacht auf einem Wagen spielte. Mit der kuriosen Beobachtung, dass die 300 Teilnehmer in der Menge der tausenden Menschen untergingen, die etwa an einer Ampel warteten. „Latsch-Demos waren nicht so bekannt in Japan bis Fukushima“, erfuhr er. Umgekehrt wäre es in Deutschland undenkbar, eine Demo zu filmen. Er sinniert: „Von tausend Handys gefilmt werden, zwischen riesigen Wolkenkratzern umherfahren? Oh krass, wir sind eine kleine Punkband, wir fahren durch Tokio!“

Das mit der kleinen Punkband machte sich noch in einem anderen Aspekt bemerkbar. „Die Bands vor Ort hatten eine krasse Professionalität“, so Thomas. Anders als das Hobby-Projekt Kackschlacht, er lacht: „Dann kommt eine Band aus dem Ausland, ist 9000 Kilometer geflogen und kackt im Prinzip in den Raum und geht wieder raus – an deren Stelle hätte ich gedacht: Was für Idioten.“ Aber im Gegenteil, sie erhielten viel Zuspruch. „Wir haben schon herausgestochen in unserem Dilettantismus, und das war auch irgendwie schön.“ Denn: „In Deutschland ist mir das auch oft etwas zu professionell, das fühle ich nicht.“

Dafür fühlt das Publikum Kackschlacht umso mehr – egal, welches. So spielten Kackschlacht zu Thomas‘ Gifhorner Zeit auf einem Nachbardorf als Hochzeitskapelle. Er lacht: „Das machen wir demnächst wieder.“ Nicht nur Anfänge begleiten die Brüder, auch Enden, denn sie wurden für einige Bandauflösungen gebucht. Das mit der Übelkeit legte sich außerdem bald, dafür kam es auch mal zu anderen Programmabweichungen: „Wir haben vor zwei Jahren auf der Fusion gespielt“, so Thomas. „Keine Ahnung, ob wir mehr als zwei Lieder geschafft haben“, denn Thomas bekam einen Lachflash, und zwar anhaltend: „Irgendwann war die Zeit rum und die nächste Band dran.“ Immerhin: „Das Lachen hat sich aufs Publikum übertragen.“

Immer noch Bock auf neue Musik, auch wenn sie sich im Tonfall etwas ändern mag: Thomas (links) und Timo von Kackschlacht.

Foto: Privat

Der Humor ist Kackschlacht quasi immanent. „Es gibt immer was zu lachen, das ist der Grund, warum es immer noch funktioniert“, glaubt Thomas. „Der kleine Punkkosmos, der sich nicht so ernst nimmt und der den Punkkosmos nicht verlässt, der die Szene reflektiert“, definiert er. „Ein Lied gegen Bullen, ein Lied gegen Deutschland, ein Lied übers Saufen – natürlich Bier –, ein Lied über Punk – das Augenzwinkernde planen wir nicht, es ist einfach drin.“ Zumindest galt das bis zum vorletzten Album, denn: „Das ist ein bisschen rausgegangen.“ Die Welt hat sich verändert: „Heute ist alles übertrieben.“ Daher geht die Ironie bei Kackschlacht heute „ein bisschen flöten“, es überwiegt nun „eine gewisse Ernsthaftigkeit als Gegenentwurf zu dem ganzen Schwachsinn, der auf einen einprasselt, die Texte bekommen dabei einen bitteren Nachgeschmack“.

Auch eine Band mit dem verspielten Namen Kackschlacht wird also erwachsen. „Da kann man sich nicht erwehren“, sagt Thomas. „Es wäre geil, nach einem versoffenem Abend am nächsten Tag einfach weiterzumachen und nicht sechs Tage lang flach zu liegen“, seufzt er. Und gibt zu: „Ich habe aufgehört zu rauchen und überlege sogar, mit dem Alkohol aufzuhören.“ Er grinst: „Mein 14-jähriges Punk-Ich guckt um die Ecke und sagt: Na-ja!“ Verantwortung für körperliche Unversehrtheit trägt er ja nicht mehr nur für sich selbst, sondern auch für seinen Nachwuchs: „Abzukacken wäre scheiße.“ Außerdem: „Ich bin neugierig auf neue Musik.“ Politik und Klima als Themen hingegen empfindet er derzeit als „zu düster“ und orakelt: „Ich stelle mir vor, das ist das letzte Aufbäumen von rechtem Gedankengut und Kapitalismus, weil das diffuse Etwas merkt, es geht dem Ende entgegen.“ Doch er weiß: „Das ist nur ein Wunschdenken.“

Zum Erwachsenwerden gehört es für Thomas nun auch, das Fest der Liebe als ein genau solches im Kreise seiner Familie zu begehen. „Wir fahren Weihnachten zu meiner Mama, seitdem ich Kinder habe“, verrät er. „Es wird klassisch besinnlich: Kartoffelsalat, Baum in der Ecke, zwei, drei Geschenke, was Süßes, ein Lied auf der Gitarre, eine halbe Flasche Rotwein, ab ins Bett.“ Ganz anders verhält es sich bei Timo: „Ich bin ein Weihnachtsmuffel“, lässt er wissen. „Ich werde höchstens bei Spekulatius schwach“, schränkt er ein und setzt nach: „Das allerdings ganzjährig.“ So gesittet ist also Weihnachten mit Kackschlacht. Sofern niemand die neue LP auflegt.

Kackschlacht:
„Kackschlacht 2025“
LP, 14 Songs, 20:55 Minuten
Instagram: @kackschlacht
facebook.com/kackschlacht
kackschlacht.bandcamp.com


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