Krieg & Frieden

Diese Abschiede zerreißen die Seele - Gifhorns Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskyj trägt die Kriegstoten zu Grabe - und schöpft dennoch Hoffnung

Svitlana Peretz Veröffentlicht am 24.05.2022
Diese Abschiede zerreißen die Seele - Gifhorns Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskyj trägt die Kriegstoten zu Grabe - und schöpft dennoch Hoffnung

Die Bevölkerung von Gifhorns Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskyj gibt Sergej Gondjuk das letzte Geleit. Der 32-Jährige starb an der Front des russisch-ukrainischen Krieges.

Foto: Autorin

Mit jedem Tag, den der Krieg in der Ukraine andauert, steigen die Zahlen der Kriegstoten aus Gifhorns Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskyj. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt verabschieden sie beim letzten Geleit. Diesem Schmerz steht aber auch eine Hoffnung gegenüber, diesen Krieg zu überstehen und die Ukraine wieder aufzubauen. Svitlana Peretz, Chefredakteurin der Korssuner Tageszeitung „Nadrossia“, schildert die jüngsten Tage in einem Gastbeitrag für KURT – übersetzt von Valentyna Dovhopola, Vorsitzende des Partnerschaftsvereins.

Der 4. Mai. Es ist ein Trauertag in Korssun-Schewtschenkiwskyj. Die Staatsflaggen flattern im Wind, die Hektik im Stadtzentrum hält den Trauerzug auf. An diesem Tag halten die Korssuner die Tränen in den Augen und den Schmerz im Herzen zurück – sie verabschieden noch einen Landsmann, der in der Ostukraine starb: Oleksiy Kovtun.

Im zweiten Monat des Krieges haben die Menschen in Korssun bereits von fünf ihrer Landsleute, die den ukrainischen Staat gegen die russischen Besatzer verteidigt haben, für immer Abschied genommen. Und jedes Mal zerreißt die Abschiedszeremonie die Seele vor Schmerz über den Verlust und das Unverständnis über diesen sinnlosen, grundlosen, von Russland entfesselten Krieg.

Oleksiy Kovtun war 28 Jahre alt. Er hatte einen guten Job im Ausland, kehrte aber in sein Heimatland zurück, um es gegen den Aggressor zu verteidigen. Er starb am 27. April in der Region Luhansk durch Mörserbeschuss.

Am 26. April wurde einem treuen Verteidiger der Ukraine – ein mutiger Einwohner unserer Gemeinde, Viktor Khomenko – in Korssun sein letztes Geleit gegeben. Viktor hatte die Ukraine seit 2014 gegen russische Angriffe verteidigt.

Am 19. April ist unser Landsmann Vadim Protsenko im Alter von 29 Jahren in der Blüte seines Lebens an der Ostfront gefallen.

Am 29. März haben die Korssuner den treuen Verteidigers der Ukraine, Sergej Gondjuk, zu Grabe getragen. Sein Leben wurde im Alter von 32 Jahren an der Front des russisch-ukrainischen Krieges beendet.

Am 31. März starb der Korssuner Oleksandr Vedilin, ein Berufssoldat, der bei der Verteidigung von Mariupol gegen die russische Besatzung bis zu seinem letzten Atemzug seinem militärischen Eid treu geblieben war.

Jeder dieser Soldaten wurde zu einem Helden seiner Stadt und seines Landes. Aber jeder Korssuner betet heute, dass die schreckliche Statistik der toten Helden endlich aufhört. Wir wissen, dass diese Träume nicht so bald in Erfüllung gehen werden, also ballen wir unsere Fäuste fester und werden zu einem zuverlässigen Rückhalt für alle ukrainischen Kämpfer, die jetzt den Ansturm des Feindes abwehren.

In diesen Tagen hört Korssun-Schewtschenkiwskyj nicht auf, unseren Verteidigern freiwillig zu helfen. Die Herstellung von Konserven und das Sammeln von Lebensmitteln geben der Arbeit vieler Korssuner einen Sinn. Ein gutes Beispiel dafür war die von der Stadtverwaltung für die Osterferien organisierte Aktion „Osterkorb für die Soldaten“. Die Menge und Vielfalt der von den Korssunern gesammelten schmackhaften Lebensmittel war beeindruckend!

Duftende Osterkuchen, Gebäck, Schmalz, hausgemachte Würste, Süßigkeiten, Tee, Kaffee, Äpfel – das alles füllte Hunderte von Paketen, die an die Front geschickt wurden. Jedes Paket, das zu Ostern an die Soldaten verschickt wurde, gab ihnen nicht nur köstliches Essen, es vermittelte auch die Atmosphäre der Feiertage und die Wärme der Heimat, die sie unter feindlichem Beschuss und in Todesgefahr so ​​sehr vermissen.

Die Korssuner nehmen Abschied von Oleksiy Kovtun, der am 27. April in der Region Luhansk durch Mörserbeschuss starb.

Foto: Autorin

Mit Beginn des Krieges nimmt Korssun-Schewtschenkiwskyj weiterhin Flüchtlinge aus verschiedenen Regionen der Ukraine auf. Einige der Flüchtlinge lassen sich in Korssun nieder und finden einen Job, andere bleiben für ein paar Tage und ziehen weiter. Nahrung und Kleidung werden für alle in der Stadt zur Verfügung gestellt. Um den Prozess der Unterbringung von Neuankömmlingen zu verbessern, wurde eine Zentrale eingerichtet, die auf der Grundlage von Bürgervorschlägen eine Wohnungsliste erstellte: Die Liste umfasst Häuser, die gekauft, gemietet und kostenlos zur Verfügung gestellt werden können. Dadurch finden Flüchtlinge einen Platz zum Wohnen.

Im April registrierten sich 3324 Flüchtlinge offiziell beim Stadtrat von Korssun-Schewtschenkiwskyj, eine der höchsten Quoten im Gebiet Tscherkassy. In Wirklichkeit ist die Zahl der Flüchtlinge viel höher, da viele Menschen ohne Registrierung bei Bekannten, Freunden und Verwandten leben.

Trotz Kriegsrecht und Sirenengeheul arbeiten die Korssuner zu dieser Zeit auf den Feldern und in den Gemüsegärten. Die landwirtschaftlichen Betriebe in der Gemeinde haben im Frühjahr erfolgreich eine Reihe von Feldarbeiten durchgeführt. Die Bürgerinnen und Bürger arbeiten auch aktiv in ihren eigenen Gärten.

Die Regierung fördert mit dem Projekt „Victory Gardens“ die landwirtschaftliche Produktion, um eine Nahrungsmittelkrise zu verhindern.

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Diese Arbeit wird derzeit von der Regierung im Rahmen des Projektes „Victory Gardens“ gefördert. Das Programm soll die Bevölkerung ermutigen, verfügbare Flächen für die landwirtschaftliche Produktion zu bewirtschaften, um eine Nahrungsmittelkrise in der Ukraine zu verhindern. All diejenigen, die sich in Korssun niedergelassen haben und auch für sich selbst einen Gemüsegarten anlegen wollen, erhalten von der Stadtverwaltung kostenfrei Pflanzkartoffeln.

Das Leben geht weiter – trotz des Krieges. Wir arbeiten hart, weinen und freuen uns gleichzeitig. In diesen zwei Kriegsmonaten haben wir uns an die täglichen Luftangriffe gewöhnt, an bewaffnete Männer in Tarnkleidung auf den Straßen der Stadt. Wir lernen, ohne die vielen Dinge zu leben, die es nicht mehr gibt. An diesen sonnigen Maitagen blühen im Zentrum von Korssun die Magnolien und Sakura-Bäume, und vor den Häusern der Einwohner blühen Kirsch-, Apfel- und Aprikosenbäume. Die Natur ist reich an Leben, und das gilt auch für unsere Stadt.

Aber manchmal denken wir an unser schönes Leben vor dem Krieg zurück, das uns vor mehr als zwei Monaten genommen wurde. Und dann würden wir am liebsten einen Stift in die Hand nehmen und die verbleibenden Tage bis zu unserem Sieg im Kalender markieren.

Die größte Prüfung der Menschheit – der Krieg – ist über uns hereingebrochen. Aber wir werden sie mit Ehre und Würde bestehen. Wir werden alle Strapazen und alle Prüfungen überstehen. Weil wir an der Front und an der Heimatfront für unser Land kämpfen!

Und wir möchten so schnell wie möglich mit dem Wiederaufbau unserer Heimat Ukraine beginnen, denn wir werden sie viel schöner und glücklicher machen als vor dem Krieg. Sie ist bereits jetzt zu einem der stärksten Staaten in der Welt geworden.


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