100 Jahre SSV Kästorf

Als die Aufstellung noch in der Dorfkneipe hing - Vereinslegende Günter Düsterhöft blickt auf 100 Jahre SSV Kästorf zurück

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 28.06.2022
Als die Aufstellung noch in der Dorfkneipe hing - Vereinslegende Günter Düsterhöft blickt auf 100 Jahre SSV Kästorf zurück

Auch seinetwegen haben sich in den Vitrinen so viele Pokale angesammelt: Günter Düsterhöft, SSV-Vorsitzender von 1969 bis 1981.

Foto: Michael Uhmeyer

Sich mit Brunnenwasser nach dem Fußballspiel waschen, zu Auswärtsfahrten auf der Transporter-Ladefläche des Fischhändlers sitzen, Hallensport im Saal eines Gasthauses betreiben – aus Günter Düsterhöft sprudeln die Anekdoten nur so heraus. Wenige Jahre nach dem Krieg fing er als Jugendfußballer an, später leitete er selbst als Vorsitzender die Geschicke des SSV Kästorf. Der 84-Jährige begleitet den Verein seit nunmehr acht Dekaden, war zwischenzeitig sogar 20 Jahre lang Ortsbürgermeister Kästorfs. Deswegen kann er besser als jeder andere einschätzen, wofür Vereine wie der SSV in Kästorf stehen: „Sie sind die tragenden Säulen.“

Die erste Gründung des Kästorfer Sportvereins Germania hat laut Stiftungsfest am 30. Mai 1920 stattgefunden, doch Turbulenzen kamen auf, weshalb die offizielle Eintragung ins Vereinsregister aus dem Jahr 1922 als Gründungsjahr und damit als Startschuss angesehen wird. Der SV Germania Kästorf war die Heimat von Fußballern, Leichtathleten und Schlagballspielern.

Mit dem Zweiten Weltkrieg kam das Vereinsleben zum Erliegen, der Spielbetrieb ruhte. Viele der Sportler zogen in den Krieg, nicht alle von ihnen kamen zurück. Nach dem Krieg wurde der Verein wiederaufgebaut – und einige Engagierte dieser Zeit wie Günter Düsterhöft prägten den Spiel- und Sport-Verein, wie er nun hieß, noch für Jahrzehnte.

Als aus dem Jugend-Torwart Düsterhöft ein Herrenspieler wurde, das war 1955, reiste man noch mit dem klapprigen Fahrrad zu den Auswärtsspielen. Und für die weiten Reisen stellte ein Kästorfer Fischhändler seinen Transporter bereit, auf der Ladefläche fanden genau elf Spieler Platz – Maßarbeit. Oder der Autovermieter half aus, neun Personen passten in seinen VW-Bus, „zwei Spieler mussten mit dem Motorrad fahren“, meint Günter Düsterhöft schmunzelnd.

Für ein Aufstiegsspiel in Isenbüttel setzte sich Keeper Düsterhöft bei einem Vereinsmitglied auf die 350er Horex, der Mann peste „wie ein Weltmeister. Wir haben das Spiel verloren, ich war noch fix und fertig von der Fahrt und sicherlich an einem Gegentor Schuld“, lacht Günter Düsterhöft. Auch an Umkleidekabinen war lange Zeit nicht zu denken: Wollten sich die Spieler waschen, mussten sie das Wasser aus dem Brunnen pumpen. Und die Ankündigung zum Heimspiel hing samt Mannschaftsaufstellung in der Dorfkneipe in einem Kasten.

Der SSV Kästorf – wie wir ihn heute kennen – entstand nach und nach. 1967 wurde mit dem Bau eines neuen Sportheims begonnen, dem neuen sozialen Zentrum des Geländes. Für Ausnahmefußballer Klaus Schäfer, der zum VfL Wolfsburg wechselte, kassierte der SSV 6500 D-Mark, von dem Geld baute man in Eigenregie den zweiten Sportplatz. Es war nötig, dass sich das Vereinsgelände wandelte, schließlich kamen mit der Damengymnastikgruppe unter der Führung von Ute Lehner reichlich neue Mitglieder dazu. Frauen, die Sport treiben – damals revolutionär. „Und der Boom kam, als wir das Kinderturnen anboten“, erzählt Günter Düsterhöft. Zwischenzeitig gehörten dem SSV auch eine Tischtennis-, eine Tanz- und seit 1985 die Tennissparte an.
Der ehemalige Vorsitzende bekleidete das Amt von 1969 bis 1981 mit Weitsicht und Tatkraft, dann gab er den Posten zugunsten der Politik auf, blieb dem Verein aber natürlich treu. In den 100 Jahren Vereinsgeschichte zählt der SSV mit Friedrich Könecke, Georg Lüdde, Heinrich Müller, Günter Düsterhöft, Heinrich Lüdde, Jürgen Völke und Ingo Düsterhöft sieben Vorsitzende – eine kleine Zahl gemessen am Jubiläum. „Das hat uns immer ausgezeichnet“, schätzt Günter Düsterhöft die Beständigkeit der Verantwortlichen.

Der Ehrenortsbürgermeister ist nicht nur stolz auf die zahlreichen Veranstaltungen wie die Tanzabende und die Sportfeste, die der SSV organisiert, sondern auch auf die Rolle innerhalb des Dorflebens: „Wir haben in Kästorf einen großen Zusammenhalt aller Vereine, die Zusammenarbeit lief immer hervorragend. Wir Kästorfer haben ein großes Wir-Gefühl.“ Das zeige sich auch daran, dass man sich früh um Fußballer aus der Diakonie bemühte, wohnungslose Familien im Sportheim unterbrachte und auch stets Geflüchtete zu unterstützen versuchte. „Unser Verein ist schon immer für alle und jedermann offen gewesen – und das soll auch so bleiben.“

Dieser Text ist Teil der von KURT herausgegebenen Sonderausgabe „100 Jahre SSV Kästorf“.


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