Weihnachten in Gifhorn

An den Feiertagen fängt die Seele an zu klingen - Moderator Peter von Sassen erzählt im KURT-Interview von seiner Liebe zur Weihnachtszeit

Bastian Till Nowak, Malte Schönfeld Veröffentlicht am 15.11.2023
An den Feiertagen fängt die Seele an zu klingen - Moderator Peter von Sassen erzählt im KURT-Interview von seiner Liebe zur Weihnachtszeit

Moderator Peter von Sassen spricht über seine Reisen in die Arktis, Antarktis und nach Grönland von einer tiefen Liebe.

Foto: Peter von Sassen

Jahrzehntelange Arbeit vor der Kamera und hinter den Kulissen macht den Journalist und Moderator Peter von Sassen zu einer der prägendsten Gestalten des NDR. Aus dem Fernsehen hat er sich größtenteils zurückgezogen, dafür glänzt der gebürtige Hamburger mit Foto-Ausstellungen und Multimedia-Shows. Für die Lesung „Der Weihnachtsmann ist auch nur ein Mensch“ kommt der 70-Jährige am Sonntag, 10. Dezember, ins Gifhorner Mühlenmuseum. Im großen KURT-Interview mit Herausgeber Bastian Till Nowak und Redakteur Malte Schönfeld spricht er über Weihnachtserinnungen, die Klimakrise und die Bücher von Astrid Lindgren.

Herr von Sassen, zwei Ihrer Herzensthemen sind die Arktis und die Antarktis. Wie fühlt sich das an, wenn sich etwas, das man liebt, vor den eigenen Augen auflöst?
Schlecht! Ob das Grönland ist, ob das der Weg zum Nordpol ist, ob das Spitzbergen ist oder die Antarktis – man merkt ganz eindeutig, dass sich da etwas verändert. Ich habe in meiner Multimedia-Schau über Grönland zwei Eiskarten von 1979 und 2019, da sieht man, dass ein Drittel des Eises, sommers wie winters, verschwunden ist. Gletscher, die sich um Kilometer zurückgezogen haben. Dieses Eis kommt nicht mehr zurück. Das sind untrügliche Zeichen. Das sind Dinge, die einem wirkliche Angst machen, dass dort eine ganze Landschaft, Kultur, ja Weltgeschichte, Tierwelt und Pflanzenwelt verschwindet – ein Paradies.

Auf seinen Reisen in die Arktis und Antarktis, nach Grönland und nach Spitzbergen, sind Peter von Sassen einige wunderschöne Schnappschüsse gelungen.

Foto: Peter von Sassen

Auch Sie reisen noch auf Expeditionskreuzfahrten in diese Gebiete. Ist das zu vereinbaren – Menschen mitzunehmen und vor Ort aufzuklären, obwohl man sich doch selbst wie ein Eindringling bewegt?
Ich werde auch bei den Veranstaltungen immer wieder gefragt: Soll man denn eigentlich in die Arktis fahren, soll man in die Antarktis fahren? Ich sage dann: Doch, machen Sie das. Weil ich immer wieder erlebt habe, dass die Menschen, die diese Zerbrechlichkeit dieser doch so gewaltigen Landschaft erlebt haben, als die besten Umweltschützer und Botschafterinnen und Botschafter für den Kampf gegen den Klimawandel zurückkommen.

Wir sind mit bis zu 15 Guides unterwegs und achten auf die Gäste, beschützen sie natürlich vor Eisbärattacken in der Arktis, aber achten auch darauf, dass sie auf den von uns vorgegebenen Wegen oder Routen bleiben, dass da niemand durch Moose oder Pflanzen latscht oder eventuell in Nester tritt. Tourismus und Erkundungen sind sowieso sehr stark reguliert, auch durch zum Beispiel NGOs wie die AECO, die Association of Arctic Expedition Cruise Operators.

Wie denken die Inuit über Menschen, die dort anlanden?
Die Inuit denken über die Leute, die zu ihnen kommen, schon größtenteils positiv. Ich kenne einen Ort sehr gut, Ittoqqortoormiit an der weniger besiedelten Ostküste Grönlands. Da wohnen ein paar Hundert Menschen. Das ist der größte Ort innerhalb von 800 Kilometern. Und da gab es mal einen Ansatz mit örtlichen Inuit, mit Jägern und Fallenstellern und Spurenlesern, einen lokalen Tourismus aufzuziehen, von Dänemark organisiert. Und das war für die Inuit eigentlich unheimlich schön, dass sie mit ihrer Kenntnis und ihrer Begeisterung für ihre Heimat dann eben auch Touristen führen konnten.

Wenn wir Inuit besuchen, halten wir uns an ganz normale Höflichkeitsformen, glotzen nicht ins Fenster rein oder belästigen sie. Dann kann eben auch ein Tourismus einen positiven Einfluss haben. Man hat den Inuit zwar Wohlfahrt ermöglicht, Arbeit angeboten und Schulen gebaut. Niemand hat aber daran gedacht, ihnen auch einen Sinn zu geben. Und wenn sie einem Inuit sagen, ja, Du kannst hier beim Straßenbau helfen, dann wird er damit nicht glücklich sein, weil der möchte draußen, der möchte in der Natur sein.

Diese Menschen haben einfach ihre Kultur, ihr normales Leben und auch ihr Selbstbewusstsein verloren. Und deswegen fliehen viele eben in Alkohol, sind sozial auffällig,
sind aggressiv.

Die Suizidrate in Grönland ist die höchste der Welt.
Ja. Und das ist deswegen bedenklich, weil auch ich da nicht sehe, was man wirklich machen kann. Man kann die Zeit ja nicht zurückdrehen, das ist das Problem. Man kann nicht die Kultur des Schlittenfahrens und des Jagens zurückgeben. Das geht einfach nicht.

Herr von Sassen, als nächstes kommen Sie mit Ihrer Weihnachtslesung „Der Weihnachtsmann ist auch nur ein Mensch“ nach Gifhorn. Wie wurde denn in Ihrer Kindheit Weihnachten gefeiert?
Weihnachten war bei uns wie bei vielen Familien immer etwas ganz Besonderes. Neben meinen beiden älteren Brüdern war ich das Nesthäkchen. Und da wurde dann Weihnachten schon darauf geachtet, dass der Jüngste nicht zu viel mitbekommt von dem, was vielleicht als Überraschung gedacht war. Das heißt, das Weihnachtszimmer war bis zum Weihnachtsabend wirklich tabu, bis die Tür geöffnet wurde.

Auf seinen Reisen in die Arktis und Antarktis, nach Grönland und nach Spitzbergen, sind Peter von Sassen einige wunderschöne Schnappschüsse gelungen.

Foto: Peter von Sassen

Es gab natürlich ein Glöckchen und es gab ein bisschen Musik. Und dieser Moment, wenn man in dieses Weihnachtszimmer eintrat, ich weiß noch genau, wie das ausgesehen hat. Also dieser wirklich goldene Schein der Kerzen. Bei uns gab es nämlich nur echte Kerzen. Und dieser Geruch, dieser Duft, den werde ich niemals vergessen bis ans Lebensende.

Gibt es denn Geschenke oder Wünsche, die Ihnen der Weihnachtsmann auch verwehrt hat?
Naja, wir waren nicht wohlhabend, das ist sicherlich nicht der Fall gewesen. Das heißt, die Geschenke und der finanzielle Rahmen wurden schon ziemlich festgelegt.

Meine Mutter hat immer dafür gesorgt, dass Bücher unter dem Weihnachtsbaum liegen – und das halte ich bis heute so. Also ein Weihnachten ohne das Verschenken und das Bekommen von Büchern ist für mich überhaupt nicht vorstellbar. Es gab damals eine Buchreihe von Reader‘s Digest, jedes Jahr ein Buch im hochwertigen Hardcover, und das hieß „Das große Buch der Abenteuer“. Das habe ich immer bekommen. Da waren unglaubliche, tolle Geschichten drin von Forschern und von Abenteurern, auch technische Geschichten, die mich bis heute begleiten.

Um die Fantasie anzuregen, sind Bücher und Geschichten sicherlich nie verkehrt.
Meine Mutter kannte auch viele Geschichten aus ihrer Jugend und Kindheit, die sie mir und meinen beiden Brüdern erzählt hat. Die Geschichten von meinem Vater waren eher komische, die er aus seinem Alltag erzählte. Er brachte immer die berühmten Hasenbrote mit zurück, die er nicht aufgegessen hatte. Die fanden wir Kinder unheimlich spannend, obwohl es ja nur alte, hochgebogene Brote waren. Aber die besseren Geschichten erzählte meine Mutter.

Ich erinnere auch, dass meine Mutter früher jeden Abend mit mir am Bett gebetet hat, ein kurzes Gespräch mit Gott, ein Tagesresümee. Sie hat uns schon christlich erzogen. Ich denke, dass sie uns das Rüstzeug für das Leben insofern mitgegeben hat, als sie uns sehr früh sehr deutlich erklärt hat, was richtig und falsch ist. Und ich denke, alles, was ich so in dieser Hinsicht auch in meinem Leben lebe, also das verantwortungsvolle Umgehen mit Menschen, diese berühmte Achtsamkeit, eine gewisse oder eine hoffentlich ausreichende Empathie für Menschen.

Die Klimakrise schreitet voran. Bekannte Konsequenz ist das Schmelzen der arktischen und antarktischen Polkappen.

Foto: Peter von Sassen

In einem Interview haben Sie gesagt, das Kochen sei eine Ihrer Lieblingsbeschäftigungen. Was gab es damals bei von Sassens zu Weihnachten?
Das typische Weihnachtsessen bei den von Sassens bestand aus drei Gerichten: Zum einen war da die Königinnenpastete, also diese Blätterteig-Pastete mit diesen Hütchen. Und da kochte meine Mutter dann ein Ragout fin vom Huhn, mit Spargel natürlich. Dazu gab es Bouillon, das war das zweite. Kein Mensch weiß, warum, aber die wurde in einem alten blauen Krug serviert, der wahrscheinlich 100 Jahre alt war. Es war immer derselbe alte Krug. Der eine mochte dies Gericht lieber, der andere das. Und die sogenannten Käsebrötchen sind das dritte. Das waren mit gewürzter Käse-creme bestrichene und dann überbackene Toastscheiben.

Und heute?
Und heute ist es sehr unterschiedlich. Ich bin kein Experte für große Geflügelteile. Also meine Mutter konnte natürlich Gänsebraten, das konnten die Frauen alle damals. Ich kann eine Entenbrust oder Entenkeule gut zubereiten, auch in verschiedenen Arten. Ich muss aber auch sagen, es ändert sich jedes Jahr. Manchmal ist es eher asiatisch, manchmal französisch. Immer dabei ist aber eine gute Flasche Wein – an Heiligabend dürfen es vielleicht auch zwei sein.

Und wenn ich Ihnen noch etwas verraten darf: Im Augenblick wird unsere Kochaktivität auch davon bestimmt, dass wir, meine Frau und ich, derzeit ein Kochbuch herausbringen wollen. Geplant ist, dass es zu Ostern fertiggestellt ist.

Für viele Deutsche gehören zu einer erfüllten Adventszeit die Märchen und Geschichten von Astrid Lindgren. Sie haben Sie für eine Reportage treffen dürfen. Gehören ihre Geschichten auch zu Ihrer Adventszeit?
Ich habe wirklich Bücher gefressen in meiner Kindheit und Jugend. Doch Astrid Lindgren war nicht dabei – ich weiß nicht, warum.

Tatsächlich habe ich mich erst für die Dreharbeiten 1993 mit ihr beschäftigt und war völlig beeindruckt von diesen so kindgerechten und doch auch von der Weisheit her erwachsenen Geschichten.

Seine Arbeit beim Fernsehen führte den Journalisten Peter von Sassen 1993 für einen Dreh zur schwedischen Kinderbuchautorin Astrid Lindgren. „Inzwischen liebe ich ihre Bücher“, sagt er.

Foto: Erwin Neu

Ich liebe inzwischen diese Bücher. Vielleicht nicht gerade den „Michel aus Lönneberga“. Aber Bücher wie „Die Brüder Löwenherz“, ein Buch, was ich vom Inhalt und der Botschaft für fantastisch halte. Oder „Ronja Räubertochter“, was für mich eine Adaption einer frühkindlichen Romeo-und-Julia-Geschichte ist. Das ist einfach rührend, wie diese beiden Kinder, die so an der Schwelle vielleicht noch nicht ganz zum Erwachsensein stehen, in so einer kindlichen Liebe im Wald leben. Das sind Bücher, die mich sehr beeindruckt haben.

Zur Weihnachtszeit schaue ich vor allem zwei Filme: „Kevin – Allein zu Haus“ und „Schöne Bescherung“ mit Chevy Chase. Die müssen geguckt werden. Sogar auf unserer Hochzeitsreise, auf dem Schiff, führte die Mediathek „Kevin – Allein zu Haus“. Da bin ich wie ein Kind. Ich liebe manchmal diese Rituale. Die geben mir Freude und Sicherheit. Das muss einfach sein – zum Leidwesen meiner Frau.

Wir genießen die Weihnachtszeit in vollen Zügen, auch wirklich emotional und tief in die Seele hinein und wir freuen uns wie früher, je näher das Weihnachtsfest kommt. Es schafft uns ein Gefühl, was wohl viele Menschen kennen, das man nicht benennen kann. Die Seele fängt an zu klingen. Und schon am zweiten Weihnachtsfeiertag sagt man: Ach schade, schon wieder vorbei. Aber nur bis zum nächsten Jahr.

Diese ganzen Gerüche, die Eindrücke, die Emotionen, die Musik, die Stimmung an den Weihnachtstagen – meinen Sie, das sorgt dafür, dass die Menschen zurückversetzt werden in so eine Art kindliche Geborgenheit?
Ja, auf alle Fälle. Das meinte ich auch mit den Ritualen. Weihnachten hat ja auch seine Rituale, in den Familien gibt es Rituale. Und für viele ist das sehr positiv, weil sie einmal eine Erinnerung an vermeintlich schönere Zeiten bringt und auch natürlich das Gefühl der Sicherheit, des Geborgenseins.

Lesung von Peter von Sassen: „Der Weihnachtsmann ist auch nur ein Mensch“
Sonntag, 10. Dezember
Einlass: 15 Uhr, Beginn: 16 Uhr
Mühlenmuseum, Bromer Straße 2, Gifhorn
Vorverkauf: 12 Euro beim Dorfladen im Mühlenmuseum und bei der Tourist-Info am Marktplatz


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren