Stolpersteine

Für immer sterilisiert, doch niemals entschädigt: Franz Buda, Heimbewohner in Kästorf, scheiterte noch 1971 mit einem Antrag

Steffen Meyer Veröffentlicht am 04.08.2024
Für immer sterilisiert, doch niemals entschädigt: Franz Buda, Heimbewohner in Kästorf, scheiterte noch 1971 mit einem Antrag

Auf dem Kästorfer Gelände der Dachstiftung Diakonie erinnert dieser Stolperstein an Franz Buda.

Foto: Mel Rangel

Millionen Menschen litten unter den Gräueltaten der Nationalsozialisten – allein in Gifhorn ist die Zahl der Opfer mindestens dreistellig. Für einige von ihnen wurden Stolpersteine in unserer Stadt verlegt. Ihre Biographien stellt KURT in einer Serie vor. Diesmal geht es um Franz Buda, der als Bewohner des Erziehungsheims Rischborn 1934 zwangssterilisiert wurde. Noch 1971 versuchte er, eine Entschädigung zu erstreiten. Seine Geschichte schildert Historiker Dr. Steffen Meyer von der Dachstiftung Diakonie in einem Gastbeitrag.

Franz Buda, am 2. März 1917 in Celle geboren, wuchs zunächst bei seiner Mutter und seinem Stiefvater in Hannover-Vahrenwald auf. Als Kind kam er in eine stationäre Jugendhilfeeinrichtung, dem Knabenhof des Stephansstifts in Hannover. Über die Gründe, die zur Heimerziehung führten, und über seine Zeit im Stephansstift ist nichts bekannt.

Das Gifhorner Jugendamt überstellte Franz Buda am 19. Dezember 1933 vom Knabenhof in das Erziehungsheim Rischborn, das zu den Kästorfer Anstalten gehörte. Am 7. März 1934 wurde er dort zusammen mit mehr als 30 anderen Heimbewohnern von Landesmedizinalrat Dr. Walter Gerson psychiatrisch untersucht. Gerson bezeichnete Franz Buda als „läppisch, schwachsinnig, freundlich“ und attestierte ihm die Unfähigkeit, „eine Situation zu übersehen“. Die Diagnose des Psychiaters, der im Fall von Franz Buda einen Antrag auf Sterilisation befürwortete und ein entsprechendes Gutachten erstellte, lautete „angeborener Schwachsinn“.

Anstaltsvorsteher Martin Müller reichte das Gutachten des Landesmedizinalrates zusammen mit einer Anzeige an den Gifhorner Amtsarzt Dr. Erich Braemer weiter. Braemer stellte daraufhin einen Antrag auf Unfruchtbarmachung, bezog sich zur Glaubhaftmachung auf das Gutachten von Walter Gerson und leitete die erforderlichen Unterlagen an das Erbgesundheitsgericht Hannover weiter. Das Erbgesundheitsgericht beschloss am 4. Juni 1934 auf Grundlage des Gutachtens die Unfruchtbarmachung von Franz Buda, die am 3. Oktober 1934 im Allgemeinen Krankenhaus Celle erfolgte. Wenige Tage später kehrte Franz Buda in das Erziehungsheim Rischborn zurück.

Die meisten Jungen des Erziehungsheims Rischborn wurden zu landwirtschaftlichen Arbeitern ausgebildet – wie hier in einer Szene von 1937.

Foto: Sammlung Archiv der Dachstiftung Diakonie

Im März 1935 – Franz Buda feierte zwischenzeitlich seinen 18. Geburtstag – übergab ihn die Heimleitung in die Obhut eines Bauern, dessen Hof sich in der Ortschaft Westerbeck befand. Dort arbeitete Franz Buda als landwirtschaftlicher Gehilfe. Am 12. Juli 1935 kehrte er in das Erziehungsheim Rischborn zurück, wo er noch einige Monate blieb. Am 6. Januar 1936 wurde er erneut zu einem Bauern in Dienst entlassen, dieses Mal nach Adenbüttel. Danach verliert sich seine Spur. Wahrscheinlich wurde Franz Buda, wie die meisten der zu seiner Zeit entlassenen Mitbewohner, zur Wehrmacht eingezogen.

In Kästorf wurde Franz Buda erst wieder im Oktober 1971 aktenkundig, als ein Schreiben des Regierungspräsidenten des Regierungsbezirks Hannover in der Kanzlei eintraf. Ein Behördenmitarbeiter erläuterte den Kästorfer Anstalten, dass der in Künsche, Kreis Lüchow lebende Franz Buda einen Antrag auf Bewilligung eines Härteausgleichs gemäß

§ 171 Bundesentschädigungsgesetz gestellt hatte. Buda begründete den Antrag mit seiner Sterilisation im Celler Krankenhaus und gab zu Protokoll, wen er dafür verantwortlich machte: „Zur fraglichen Zeit war ich damals im Heim Rischborn-Kästorf b. Gifhorn. Auch wurde von dortselbst alles veranlaßt und vorgenommen. Ich hoffe, daß sich auch dortselbst Unterlagen vorfinden.“

Auf dem Kästorfer Gelände der Dachstiftung Diakonie erinnert dieser Stolperstein an Franz Buda.

Foto: Mel Rangel

Die im Anschreiben formulierten Fragen zu den genauen Umständen der Sterilisation und den Verantwortlichkeiten beantwortete der damalige Kästorfer Anstaltsvorsteher Dr. Dietrich Roeder schriftlich am 18. Oktober 1971. Roeder bedauerte, nach Durchsicht des Archivs keine Akte vorgefunden zu haben und gab lediglich die wesentlichen Informationen aus einem Aufnahmebucheintrag an die Behörde weiter.

Demnach erfuhr die Behörde etwas über die Verweildauer von Franz Buda im Erziehungsheim Rischborn und wer für seine Einweisung verantwortlich war, aber nichts über seine Zwangssterilisation. Diese Antwort entsprach nicht den verfügbaren Informationen, denn alle in diesem Biogramm erwähnten Informationen über Franz Budas Unfruchtbarmachung stammen aus dem Bestand des Kästorfer Archivs. Ob es später zu einem Entschädigungsverfahren kam, muss unklar bleiben.

Eine Anfrage im Stadtarchiv Lüchow ergab, dass Franz Buda von 1969 bis 2002 im Landkreis Lüchow-Dannenberg lebte. Gestorben ist er im Jahr 2002 in Salzwedel. Angehörige konnten nicht ausfindig gemacht werden.

Dieser Text ist Teil der Broschüre „Stolpersteine in der Diakonie Kästorf“, kostenfrei erhältlich im Stadtarchiv, in der Stadtbücherei und bei der Diakonie in Kästorf.

Die Forschung zu Opfern des Nationalsozialismus in und aus Gifhorn geht weiter. Hinweise sammelt das Kulturbüro:
Tel. 05371-88226
kultur@stadt-gifhorn.de


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