Kopfüber

Warum man auch Bücher schenken sollte: Malte Schönfeld beschwört in seiner neuen Kolumne die Kraft der Fantasie und der Worte

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 03.12.2023
Warum man auch Bücher schenken sollte: Malte Schönfeld beschwört in seiner neuen Kolumne die Kraft der Fantasie und der Worte

„Bücher haben die Kraft, etwas zu verändern“, meint KURT-Redakteur Malte Schönfeld in seiner neuen „Kopfüber“-Kolumne, nachdem er Imre Kertész’ „Roman eines Schicksallosen“ gelesen hat.

Foto: Mia Anna Elisabeth Timmer

Schon jetzt freue ich mich auf die kommenden Wochen. Dann gerate ich wieder in übliche Panik. Schlussverkäufe, Weihnachtsangebote, Black-Friday-Week, Pre-Black-Friday, generelle Verlockungen, Grabbeltische, Quengelware, kurzum: Was liegt diesmal unterm Baum? Diese Frage treibt den Puls, füllt seitenweise Notizen mit Geschenkideen, mehr schlechten und teuren als guten und bezahlbaren.

Also wieder Bücher?

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels vermeldet jährlich seine Zahlen. Und die besagen in aller Kühle: Es sieht nicht ganz so gut aus für den Lesestandort, ja, die Lesegesellschaft Deutschland. 2022 haben rund 25,8 Millionen Menschen ein Buch gekauft, dieser Wert ist historisch niedrig. Die Buchkäuferschaft ist in den zurückliegenden Jahren um 11,1 Millionen Menschen gesunken. Die Soziologin Carolin Amlinger hat das in ihrem Essay „Lesekrisen“, zu finden online in der Kulturzeitschrift Merkur, weiterführend behandelt.

Was ein jeder sieht, wovor Lehrer und Direktorinnen jahrelang alarmiert mahnen, tritt offen zutage: Wenn die Lesebereitschaft abnimmt, nimmt auch die Lesekompetenz ab. Ohne Textverständnis keine Bildung. Gefährlich in einer Zeit, die so viele Kanäle, so unendlich viele Sender ermutigt, Informationen zu teilen. Einstige Kriterien wie das Zwei-Quellen-Prinzip, Redaktionen, offene Diskussionen drohen ihre Gültigkeit zu verlieren. Gesehen ist nicht gleich gelesen ist nicht gleich verstanden.

Aber ist jetzt alles verloren?

Es gibt auch Gegentendenzen: #bookstagram und #booktok markieren auf Social Media Strömungen, die das Buch und das Lesen zum Scheinen bringen wollen. Lavendelduftkerze, Kuscheldecke, Spicy-Pumpkin-Chai-Latte und der Re-Read der Harry-Potter-Reihe haben ihre Fans. Lesen als Lifestyle. Gerne war ich Follower der Instagram-Seite hotdudesreading, die lesende Männer in U-Bahnen sammelt, um mich zu vergewissern, dass es ihn noch gibt, den lesenden und schönen Menschen.

Als ich mir das dritte Hinrichtungsvideo der Hamas-Terroristen (oder der durchadrenalisierten Trittbrettfahrer) auf X, vormals Twitter, angesehen habe, konnte ich nicht mehr. Breivik, „Islamischer Staat“, Christchurch, Wagner-Mörder – vielleicht reicht das vorerst als Eindruck. Und doch, dachte ich mir, ist ja der Judenhass da. Seit dem Kauf hatte ich mich nicht getraut, „Roman eines Schicksallosen“ des ungarisch-jüdischen Schriftstellers und Überlebenden der Shoah Imre Kertész zu lesen. Doch jetzt war die Zeit gekommen. Man ahnt in der Geschichte dann schnell, wo der Zug aus Budapest hält, auch wenn die Tränen beim Lesen ein wenig stören.

Was man schenkt, ist ja jedem selbst überlassen. Ich möchte an dieser Stelle nicht drängen, ausschließlich Bücher zu verschenken, ganz im Gegenteil, es gibt auch viele andere Geschenkideen, die Freude bereiten. Wir zeigen in dieser Ausgabe sehr viele schöne Läden, Geschäfte und Firmen in und um Gifhorn, die sich da überaus eignen und positiv hervortun.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Bücher die Kraft haben, etwas zu verändern. Wirklich. Erzählungen, Reportagen, Kurzgeschichten, Haikus. Sie können Kraft geben in kraftlosen Zeiten. Sie können Trost spenden, wenn die Trauer einen zerfrisst. Sie können Welten bauen.

Vor allem regen sie aber die Fantasie an. Und vor der Fantasie darf man keine Angst haben. Denn erst wer aufhört zu fantasieren, hört auf zu hoffen. Deswegen ist unsere Politik derzeit auch so arm an Ideen. Und die Welt scheint so unfriedlich.

Warum man also Bücher schenken sollte.


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