Fairtrade-Town Gifhorn

So viel Fairtrade steckt schon in Gifhorn: KURT blickt hinter die Kulissen des fairen Handels und räumt mit einem Mythos auf

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 15.03.2021
So viel Fairtrade steckt schon in Gifhorn: KURT blickt hinter die Kulissen des fairen Handels und räumt mit einem Mythos auf

Die Banane ist das meist konsumierte Frischobst der Erde und wird immer häufiger fair gehandelt – so kann auch Hilda Largocha von Plantaciones Churido in Kolumbien von ihrer Arbeit leben.

Foto: Marcel Koppen/TransFair e.V.

Die Planungen, Gifhorn noch in diesem Frühjahr zur Fairtrade-Town zu entwickeln, sind in vollem Gange. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft versammeln sich, um den fairen globalen Handel noch mehr in unserer Mühlenstadt zu etablieren. Denn viele wissen nicht, was es damit überhaupt auf sich hat. KURT hat sich bei Christa Bausch, der Geschäftsführerin des Gifhorner Weltladens, erkundigt und zeigt Euch, welche Fairtrade-Produkte es auch in Gifhorn gibt und worauf man achten sollte, um mit ruhigem Gewissen zu konsumieren. Gleichzeitig räumen wir mit einem Mythos auf – denn fair gehandelte Waren müssen keineswegs immer teurer sein.

Das Projekt Fairtrade möchte menschenwürdige Bedingungen für die Produzentinnen und Produzenten gewährleisten, die Handelswege und Lieferketten transparent machen und damit den sogenannten globalen Süden, also vornehmlich afrikanische und südamerikanische Länder, in den Weltmarkt integrieren. Ziel ist es, die Ausbeutung von Arbeitskraft – auch von Kinder- und Zwangsarbeit – zu bekämpfen, um so einen nachhaltigen Beitrag zur Verbesserung der Arbeits- und damit auch Lebensbedingungen zu erreichen.

Doch der Kauf von Fair-trade-Produkten hilft nicht nur dabei, Armut strukturell zu bekämpfen. Man tut sich auch selbst etwas Gutes! Fairtrade setzt sich ebenso für umweltschonende Anbaumethoden ein und spricht sich für ein Verbot von Pestiziden und den Schutz der natürlichen Gewässer und des Regenwaldes aus. Beim Kauf von fair gehandelten Nahrungsmitteln geht es so also auch immer um die eigene Gesundheit.

Regional zu konsumieren ist zwar am besten – doch nicht alles wächst in unserem Heideboden. Denken wir nur mal an Bananen oder Schokolade, Kaffee oder Tee. Wenn also überhaupt Waren importieren, dann doch bitte fair gehandelt.

Die Fairtrade-Produktpalette ist breitgefächert – und wächst stetig weiter. Es sind aber nicht allein die Lebensmittel, die beim fairen Handel im Mittelpunkt stehen. Hinzu kommen alltägliche Haushaltswaren und das Kunsthandwerk, Kosmetik- und Hygieneartikel, Bekleidung und sogar Elektronikartikel. Eine Übersicht erwartet Euch auf den folgenden Seiten.

Gifhorner Zickenschokolade.

Foto: Çağla Canıdar

Lebensmittel
Der Kauf und Verzehr von Lebensmitteln ist wortwörtlich unser täglich Brot. Doch wo kommt der Bananenstrang her, der im Obstkorb liegt? Die Banane ist das meistkonsumierte Frischobst der Erde, doch katastrophale Arbeitsbedingungen und willkürliche Gehaltszahlungen sind die Schattenseite. Fairtrade versucht, dem ein Ende zu setzen und Arbeiterinnen und Arbeiter durch feste Löhne und ein Mitspracherecht bei der Festlegung der Preise gerecht in den globalen Markt zu integrieren.

Dasselbe gilt für Produktionsverhältnisse von Kaffee und Schokolade, die vielleicht gängigsten Beispiele für Fairtrade-Artikel. Es geht also um Lebensmittel und Genussartikel gleichermaßen. Der Gifhorner Weltladen bietet eine eigene Gifhorner Zicken-Schokolade, führt darüber hinaus aber auch besondere Saucen wie Salsa-Cashew und Pesto und allerhand Gewürzmischungen von El Puente, Reis und Nudeln in vielen Ausführungen, erlesene Weine und wohltuende Säfte, Oliven- und Sesamöle und so weiter und so fort. Überall prangen die Fairtrade-Siegel. Lebensmittel seien im Vergleich etwas teurer, erklärt Weltladen-Geschäftsführerin Christa Bausch: „Dort ist die Marge geringer.“

Kunsthandwerk aus fairem Handel.

Foto: Çağla Canıdar

Haushaltswaren und Kunsthandwerk

Runderneuern möchte Fairtrade nicht nur die Lebensmittelproduktion. Speziell im Bereich Haushaltswaren und Kunsthandwerk leistet die Bewegung wegweisende Arbeit. Bekannte Gebrauchsartikel wie Geschirr, Tischdecken und Handtücher finden sich in allen größeren Supermarktketten. Unter welchen Bedingungen die gefertigt wurden, wenn sie aus dem Ausland kommen, ist dabei häufig unklar. Fairtrade knüpft an dieser Stelle an und macht die Lieferketten für jeden ersichtlich. Die gerechte Bezahlung sorgt für höhere Löhne bei Arbeiterinnen und Arbeitern, die so wiederum einen leichteren Zugang zum Beispiel zu einer Krankenversicherung bekommen.

Insbesondere Frauen profitieren vom fairen Handwerk, genauso wie vom fairen Kunsthandwerk. Traumfänger, Windspiele, handbemalte Keramik – die Liste der Artikel ist schier endlos. Im Gifhorner Weltladen finden sich zahlreiche Körbe, meist von Frauen produziert. Somit bestärkt der faire Handel ganz nebenbei die Selbstbestimmung von Frauen, um aus patriarchalen Strukturen auszubrechen. Und teuer wird‘s auf Seite der Käuferinnen und Käufer nicht, wie Expertin Christa Bausch betont: „Die Körbe aus fairem Handel sind meist sogar günstiger.“

Die faire Computermaus aus dem Gifhorner Weltladen.

Foto: Çağla Canıdar

Elektronik

Lebensmittel, Kunsthandwerk, Kosmetika – irgendwo kommt allerdings auch der faire Handel an seine Grenzen. In der Elektronik-Branche ist die vorerst erreicht. Egal, ob in den kongolesischen Minen oder bei der Zusammensetzung der Produkte – Ausbeutung, Kinderarbeit und das Mitfinanzieren von Bürgerkriegen werfen einen dunklen Schatten voraus. Auch ist es bei einem Smartphone oder einem Laptop schwierig, die exakten Lieferketten nachzuvollziehen. Im Gifhorner Weltladen findet sich zum Beispiel eine faire Computermaus – im Angesicht der riesigen Produktpalette sind elektronische Waren allerdings eher die Ausnahme denn die Regel. „Das ist ein Feld, wo wir weiter dran arbeiten müssen“, erläutert Weltladen-Chefin Christa Bausch.

Haarseife, Rasierseife, Peeling-Seife und viel mehr.

Foto: Çağla Canıdar

Kosmetik

Ein weiteres Themenfeld, das keinesfalls nur als Randerscheinung betrachtet werden darf, ist die Kosmetik. Fairtrade-zertifizierte Rohstoffe in Kosmetik- und Pflegeprodukten zu verwenden bedeutet eine neue Chance für Produzentinnen und Produzenten, ihre Fairtrade-Absätze zu steigern und neue Märkte zu erschließen. Das Angebot reicht von Shampoo, Seife und Bodylotion bis hin zu Bio-Wattestäbchen und Bambus-Zahnbürsten. Bambus klingt auch viel cooler als Plastik!

Zu einem bestimmten Prozentsatz müssen die Inhaltsstoffe fair gehandelt sein. Wenn es einen Inhaltsstoff in Fairtrade-Qualität gibt, muss der auch verwendet werden; biologischer Anbau wird dabei großgeschrieben. Shea-Butter-Produzenten wie Ghana profitieren davon, der Markt wächst Jahr für Jahr. Aber: Natürlich heißt bio nicht immer fair – das gilt auch für Kosmetik! Verschiedene Marken versuchen, sich einen reinen Anstrich zu verpassen. Es gilt, auf die zertifizierten Siegel zu achten. Und auch bei der Kosmetik wird mit dem Mythos aufgeräumt: Fair bedeutet nicht automatisch teurer, denn gerade die Markenhersteller geizen nicht mit einem – häufig haltlosen – Aufpreis.

Kuschelige Pyjamas und Nachthemden aus Bio-Baumwolle.

Foto: Çağla Canıdar

Kleidung und Mode

Zu guter Letzt eine top-aktuelle Branche: Kleidung und Mode. Eines vorweg: Die sogenannte Fairfashion steckt noch in den redensartlichen Kinderschuhen. „Da müssen wir alle noch mehr tun“, weiß Christa Bausch. Während große Modeketten wie H&M und Zalando den Second-Hand-Markt für sich entdecken, ist Fairfashion bisher noch ohne große Lobby.

Dabei könnte gerade Fairfashion der ideale Türöffner sein, um den Mainstream zu erobern. Umweltbelastende Baumwollproduktion, die chemische Behandlung der Textilien, prekäre Arbeitsverhältnisse in den Fabriken – die Liste der Vorwürfe an die sogenannte Fastfashion ist lang. Greenpeace vermeldete im Jahr 2019: Deutsche Verbraucher kaufen im Schnitt 60 Kleidungsstücke pro Jahr, tragen diese allerdings nur noch halb so lang wie noch vor 15 Jahren. Da werden die Gifhornerin und der Gifhorner keine Ausnahme sein.

Fairfashion kann genau da ansetzen, wo der Schuh am stärksten drückt – bei der Konsumabhängigkeit des globalen Nordens. Kleidung und Mode aus nachhaltiger Bio-Baumwolle oder Hanf, die unter transparenter Produktion eine langanhaltende Qualität versprechen, könnten der Wegwerfgesellschaft den Kampf ansagen. Der große Vorteil ist der Verzicht auf exorbitant hoch dotierte Werbekampagnen, wie Christa Bausch meint: „Man braucht für Fairfashion nicht die ganze Marketingmaschinerie.“ Wenn Shirts, Röcke und Jacken teilweise hunderte von Euro kosten, weil irgendwo drei Streifen aufgenäht sind, dann kann die Fairfashion der große Gewinner der nächsten Jahrzehnte werden.

Der Weltladen in Gifhorn

Sachen, die das Leben schöner machen: Christa Bausch vom Weltladen präsentiert einen großen Korb Fairtrade-Leckereien.

Foto: Çağla Canıdar

Faitrade in Gifhorn – das ist keine Zukunftsmusik, sondern durch den Gifhorner Weltladen längst Realität. Das kleine Schmuckstück im Cardenap, direkt im Herzen der Stadt und zusammen mit dem Café Aller eine Begegnungsstätte für Menschen verschiedener Kulturen und Herkunft, feiert in diesem Jahr sein fünfjähriges Bestehen. Der Weltladen gehört dem gleichnamigen Dachverband an, unter dem sich mehr als 450 der rund 900 Weltläden Deutschlands versammeln. 25 Personen arbeiten in Gifhorn ehrenamtlich und kümmern sich um alles von der Schaufensterdekoration bis hin zum Ladendienst. „Wir haben über 3500 Produkte im Angebot“, erklärt Geschäftsführerin Christa Bausch. Die Artikel reichen von Kaffee, Pesto und Nudeln über Körbe und Traumfänger bis hin zu Kosmetik – alles lupenrein Fairtrade.

Weltladen
Cardenap 5, Gifhorn
Tel. 05371-6365401
Mo. – Fr. 10 bis 18 Uhr
Sa. 10 bis 14 Uhr


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