KURT-Jahresrückblick 2022

Ein erfülltes Leben in Zeiten des Krieges - Trotz Stromausfällen und Fliegeralarm: Gifhorns ukrainische Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskyj arbeitet hart an einem Alltag mit Freuden

Svitlana Peretz Veröffentlicht am 25.01.2023
Ein erfülltes Leben in Zeiten des Krieges - Trotz Stromausfällen und Fliegeralarm: Gifhorns ukrainische Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskyj arbeitet hart an einem Alltag mit Freuden

Eines der ersten Fotos, das uns nach dem russischen Angriff auf die Ukraine erreichte: Die Frauen aus unserer Partnerstadt Korssun-Schewtschenkiwskyj knüpfen Tarnnetze für ihre Soldatinnen und Soldaten.

Foto: Svitlana Peretz

Der russische Angriff vom 24. Februar 2022 auf die Städte, Dörfer und Menschen der Ukraine jährt sich in wenigen Tagen zum ersten Mal. Noch immer ist dieser Krieg unbegreiflich. Besonders für die Bewohner Korssun-Schewtschenkiwskyjs. Monatelang berichtete Svitlana Peretz, Chefredakteurin der Zeitung „Nadrossia“, im KURT über die Ereignisse in unserer Partnerstadt. Für den Jahresrückblick sendete KURT erneut Fragen, die sie wegen der Korssuner Stromausfälle nicht vollständig beantworten konnte. Die Übersetzung übernahm Valentyna Dovhopola, Vorsitzende des Partnerschaftsvereins.

Es mag für unsere Ohren widersprüchlich klingen. Doch ein erfülltes Leben in Zeiten des Krieges ist das, was sich die Menschen in Korssun-Schewtschenkiwskyj jeden Tag aufs Neue hart erarbeiten. Unternehmen, Bildungs- und Kulturstätten, Apotheken, Cafés, Geschäfte und alle staatlichen Einrichtungen sind in Betrieb. An bestimmten Tagen werden die Schülerinnen und Schüler in Präsenz unterrichtet, die Kunstschule lädt zum Spielen von Musikinstrumenten und Zeichnen ein, das Jugendzentrum ist geöffnet und unterhält.

„Die Veränderungen in Korssun sind weniger offensichtlich, als man denken mag“, sagt Svitlana Peretz. Für alle sichtbar seien die neuen Straßennamen – ohne Bezug zu Russland, zur Sowjetunion oder der russischen Kultur. Dafür kann man nun durch die Gifhorner Straße spazieren, andere wurden nach toten Korssuner Soldaten benannt.

„Außerdem kamen viele neue Einwohner in die Stadt“, berichtet Svitlana Peretz. „Bürger, die vor dem Krieg in einen sicheren Teil der Ukraine fliehen mussten.“ Hier, 140 Kilometer vom Luftwaffen-Terror der Hauptstadt Kiew und rund 600 Kilometer vom offenen Gefecht der Front im Oblast Donezk entfernt sind derzeit 3200 Binnenflüchtlinge registriert. Dazu komme das Doppelte an Nicht-Registrierten.

Doch auch Korssun-Schewtschenkiwskyj musste sich an einen Kriegssound gewöhnen: den Fliegeralarm. „Wenn der ertönt, stellen alle Geschäfte, Banken, Institutionen und Bildungseinrichtungen ihre Arbeit ein“, erklärt Svitlana Peretz. Das könne wenige Minuten oder aber Stunden dauern. „Der Krieg wird spürbar, wenn feindliche Raketen, Drohnen oder Flugzeuge der ukrainischen Luftverteidigungskräfte am Himmel fliegen. Ihr Gebrüll geht einem ganz schön auf die Nerven. Aber es gibt keine Angst, keine Panik. Die Einwohner von Korssun sprechen nur Flüche gegen den Feind aus.“

„Das ist der größte Schmerz, das größte Leid des Krieges“, sagt Svitlana Peretz über die Beerdigungen der Korssuner Helden.

Foto: Svitlana Peretz

Gerade jetzt im Winter machen sich die Korssuner vor allem um eines Gedanken: die Stromversorgung. Täglich informieren die lokalen Behörden über den Zeitplan der Stromabstellung. Die erfolgt in drei Stufen: Grün, wenn das Licht alle vier Stunden für zwei Stunden ausgeschaltet wird; gelb, wenn das Licht alle drei Stunden für drei Stunden ausgeschaltet wird; Notfall, wenn das Stromnetz der Belastung nicht standhält.

„Viele Einrichtungen in unserer Stadt, darunter Geschäfte und Apotheken, konnten sich mit Generatoren ausstatten, die Strom erzeugen und es ermöglichen, die Arbeit während der Stromausfälle nicht zu unterbrechen“, beschreibt Svitlana Peretz. Gesichert vor den Stromausfällen ist selbstverständlich auch das Korssuner Krankenhaus.

„Doch am stärksten wird der Krieg spürbar, wenn die Stadt ihre Landsmänner und Helden auf ihren letzten Reisen verabschiedet. Seit Beginn des Krieges hat Korssun 14 Verteidiger begraben – Ehemänner, Söhne, Väter, Freunde“, schildert Svitlana Peretz. „Und das ist der größte Schmerz, das größte Leid dieses Krieges. Alles, was zerstört ist, kann wieder aufgebaut werden. Man kann sich an alle Widrigkeiten anpassen und sie überleben. Doch es ist unmöglich, die Männer wieder zum Leben zu erwecken, die in diesem verdammten Krieg ihr Leben gegeben haben, um die Unabhänigkeit der Ukraine zu verteidigen.“


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren