Kunst

Die Entdeckung verschiedener Realitäten: Eunjeong Kim zeigt analoge und digitale Kunst nach einem Jahr Stipendium im Künstlerhaus Meinersen

Marieke Eichner Veröffentlicht am 17.02.2023
Die Entdeckung verschiedener Realitäten: Eunjeong Kim zeigt analoge und digitale Kunst nach einem Jahr Stipendium im Künstlerhaus Meinersen

Eunjeong Kim verbrachte ein Jahr im Künstlerhaus Meinersen. Ab Freitag, 24. Februar, zeigt sie ihre Ausstellung „Floating Painting – Between analogue and digital“.

Foto: Marieke Eichner

Für Eunjeong Kim sind Gemälde dreidimensional. Im – wie die 32-Jährige aus Südkorea es nennt – „malerischen Raum“ möchte sie die in ihren digitalen Collagen entstandenen Formen von ihrer Bedeutung lösen und dekonstruiert damit ihre eigenen Konstruktionen. Das Ergebnis ist bunt, schrill und farbenfroh, dabei trotzdem weich und gleichzeitig grell. Die geradezu hypnotische Wirkung ihrer eklektischen Kunst kulminiert in den Werken, die in Augmented und Virtual Reality mehrere Sinne ansprechen. Nach einem Jahr Stipendium im Künstlerhaus Meinersen zeigt Eunjeong Kim ihre hybriden, immersiven Kunstwerke. Im Interview mit KURT-Volontärin Marieke Eichner spricht sie über die Zukunft der Kunst.

Eunjeong, Du sprichst immer wieder vom „malerischen Raum“. Was genau meinst Du damit?
Wenn ich male, stelle ich mir immer vor, wo die Elemente, die Formen, sein sollen. Ich stelle mir mehrere Leinwände vor. Die Elemente sind so miteinander verbunden. Ich möchte den malerischen Raum begreifen.

Wie entstehen Deine Kunstwerke? Fangen wir bei der Malerei an!
Ich mache zuerst eine digitale Collage mit Fotos und Screenshots von Videos aus Internet und Alltag. Die setze ich zusammen, für eine Collage etwa 20 Bilder. Da gibt es viele Effekte, es entstehen zufällige Formen. Die nutze ich für meine Malerei.

Woher kommen die Screenshots, die Du für Deine Collagen verwendest?
Von YouTube. Aus koreanischen Shows und Musikvideos, deutschen Nachrichten. Ich schaue auch viele Reise-YouTuber.

Mit dem iPad kann Eunjeong Kim ihr digitales Kunstwerk zeigen.

Foto: Marieke Eichner

Deine Kunst beschränkt sich nicht nur auf Malerei. Wie bist Du zur Kunst mit Augmented Reality und Virtual Reality gekommen?
Den malerischen Raum möchte ich auch in drei Dimensionen umsetzen. Zuerst habe ich eine Skulptur gemacht. Aber das war dann nur eine und ich möchte den Raum, den malerischen Raum, begreifen. Das reichte mir nicht.

Deswegen habe ich Installationen gebaut, aber die waren mir einfach nicht dynamisch genug. Ich wollte Objekte schweben lassen, sie greifbar werden lassen. Ich dachte an digitale Medien, damit wollte ich immer schon arbeiten, nur ist das sehr aufwendig und ich hatte keine Zeit.

Ja, und dann kam die Corona-Pandemie. Ich war in Korea, eigentlich nur für einen Monat – daraus wurden aber sechs. Da dachte ich mir, da kann ich doch auch mal das 3D-Modelling lernen (lacht). Augmented Reality und Virtual Reality machen mir Spaß. AR ist cool, VR ist cool.

Wie funktioniert das? Muss man das am Computer programmieren, damit die Formen entstehen?
Man kann mit der VR-Brille Skulpturen machen. Das habe ich ausprobiert, das ist sehr einfach, sehr intuitiv. Aber die Qualität ist sehr niedrig. Deswegen erstelle ich die Formen am Computer. Erst habe ich Unreal Engine verwendet, ein Programm, das eigentlich für Games genutzt wird. Da gab es aber viele technische Beschränkungen. Ich wollte zum Beispiel eine Interaktion ohne Kabel – aber das geht nicht. So bin ich auf ein anderes Programm, Unity, gekommen. Da muss man aber für die Interaktion viel programmieren – und Coding ist nicht so meins (lacht). Also nutze ich für AR und VR die Basic-Apps auf dem iPad, da kann man so etwas mit Interaktion machen.

Welche Möglichkeiten hat Deine 3D-Kunst im Gegensatz zur klassischen Malerei?
Erst einmal ist sie viel dynamischer als flache Malerei. Die Elemente können sich bewegen, es gibt Töne, man kann damit interagieren.

Das AR-Bild vorn in der Eingangshalle im Künstlerhaus kann man sich nur hier mit dem iPad anschauen. Aber wenn man die Datei hat, kann man es sich auch zu Hause anschauen, obwohl man nicht bei der Ausstellung ist. Das finde ich sehr gut.

Deine AR- und VR-Kunst spricht mehrere Sinne an: Ich kann sie sehen, die Elemente im Raum bewegen, sie geben Töne von sich. Meinst Du, AR- und VR-Kunst sind ein Ergebnis davon, dass wir uns permanent in mehreren digitalen Räumen, im Internet, in Social Media, bewegen?
Ja, das hat mich beeinflusst. Wie gesagt sammle ich Fotos und Screenshots im Internet. Mein Alltag sieht so aus: Aufstehen, Handy anschauen – bei Instagram und Facebook sehe ich so viele Fotos. Nach dem Abendessen schaue ich YouTube. Sehr viele Videos (lacht). Meist kurze, zu vielen Themen. Das sind viele Reize.

Ich möchte nichts Beruhigendes erzeugen. Reizüberflutung ist aber nicht mein Ziel, das ergibt sich.

So sieht Eunjeong Kims Kunstwerk in der Erweiterten Realität aus.

Foto: Eunjeong Kim

Leben wir in Zukunft nur noch in digitalen Räumen, im Metaversum, und findet Kunst dann auch nur noch digital statt?
Das dachte ich früher. Aber nachdem ich die Technik erlernt habe, denke ich, nein, die digitale Welt kann die analoge nicht ersetzen. Das ist einfach eine andere Welt. Es gibt so viele Beschränkungen – noch. Das wird sich entwickeln.

Ohne diese Beschränkungen: Werden AR und VR die Zukunft der Kunst?
Ja, ein Teil davon. Das wird sich verbreiten. Aber eben nur ein Teil. Je digitaler Kunst wird, desto wichtiger wird analoge Kunst, denke ich. Analoge Kunst hat einen Mehrwert. Wenn ich mir Kunst immer nur mit dem Handy oder Tablet anschaue, dann vermisse ich analoge Kunst. Deswegen kann AR nur ein Teil sein. Auch von meiner Kunst.

Digitale Medien sind wichtig für mich, aber ich möchte sie immer noch mal in Bezug zur Wirklichkeit setzen. Alles, was ich mache, ist malerisch. Die digitale Kunst ergänzt und inspiriert die Malerei – und umgekehrt.

Ist Kunst für Dich Selbstausdruck oder Kommunikation?
Wenn ich male, ist es eher für mich selbst. Aber digitale Kunst ist Kommunikation mit anderen. Auch deswegen möchte ich nicht nur malen, nicht nur digitale Kunst machen, sondern beides.

Sind Deine Kunstwerke eigentlich abstrakt oder gegenständlich?
Oh (überlegt). Abstrakt. Wenn ich in der Collage etwas erkennen kann, möchte ich das auflösen. Die Fotos und Screenshots, die ich nutze, haben immer eine Geschichte. Wenn man etwas in meinen Bildern erkennt, dann möchte man sie wissen. Aber für mich ist das nicht wichtig. Wie bei Instagram sind es einfach viele Bilder des Alltags. Wenn man etwas erkennt, dann fragt man mich: Was bedeutet das? Und ich möchte den Formen keine Bedeutung geben.

Sind Betrachterinnen und Betrachter für Dich Teil eines Kunstwerkes?
In VR schon, und in AR kann das auch vorkommen. Bei AR-Arbeiten können die anderen Betrachter in die Mitte gehen und ein Teil vom Kunstwerk werden. Aber wenn man selbst das Tablet in der Hand hält, dann nicht (überlegt). Oder?

Ich habe noch nie wirklich darüber nachgedacht. Aber ja, stimmt. Wenn man interagieren muss, dann sind Betrachter ein Teil des Kunstwerks. Wir müssen über den Kunstmarkt sprechen: Eine Malerei kann ich kaufen und mir zu Hause an die Wand hängen – aber lässt sich auch digitale Kunst vermarkten?
Ich glaube, es ist schwieriger. Videos könnte ich mit einem USB-Stick verkaufen, mit einer einzigartigen digitalen Rechnung. Das nennt man NFT. Aber ich weiß noch nicht genau, wie das funktioniert.

Aus der Bilderflut des Internets werden Collagen. Die so entstehenden Formen will Eunjeong Kim von ihrer Bedeutung lösen.

Foto: Mia Anna Elisabeth Timmer

Schade! Ich hatte gehofft, Du könntest mir diese ganze NFT-Sache jetzt erklären...
(lacht) Ich habe mal meine Collage hochgeladen, zum Testen. Aber ich weiß nicht, wie man es herunterladen kann. Und: Bei AR und VR handelt es sich um große Dateien. Da frage ich mich auch, wie man das herunterladen kann.

Ich wollte es ausprobieren und in eine Galerie gehen, die NFTs verkauft. Nur musste man dafür schon NFTs haben, deswegen hat es nicht geklappt. Man muss sein Bankkonto verknüpfen – alles sehr kompliziert. Ich habe extra meinen Pass und auch andere Dokumente eingereicht, habe einen Videocall gemacht – und trotzdem wurde mir abgesagt.

Aber für Digital-Künstler kann das sicher eine gute Chance sein.

Auch eine Chance für unbekannte Künstlerinnen und Künstler?
Nein. Als ich die Homepage gesehen habe, da gibt es keine Chance für kleine Künstler, da wird dann meist nur Pixel-Art verkauft. Man sollte schon berühmt sein, um NFTs über eine Galerie verkaufen zu können.

Bedeutet das nicht, dass es für Newcomer noch schwieriger wird, einen Platz im Kunstmarkt zu finden?
Nicht schwieriger – aber eben auch nicht einfacher. Ein Vorteil ist: Man weiß, wo das Werk ist. Wenn ich zum Beispiel eine Malerei verkaufe, weiß ich nicht, wo sie landet. Auch nicht, ob und wohin sie teurer weiterverkauft wird. Davon kann ich dann auch nicht profitieren. Mit NFTs geht das.

Wie können die Künstlerinnen und Künstler denn da profitieren?
Man kann selbst einstellen, ob man bei einem Weiterverkauf beteiligt wird. Ich könnte eine Malerei verkaufen, mit einem NFT. So könnte ich beim Weiterverkauf Zinsen bekommen und genau wissen, wo sie ist.

Bei Kaffee, Tee und Keksen im Künstlerhaus in Meinersen erläutert Stipendiatin Eunjeong Kim die Motive ihrer medienübergreifenden Kunst.

Foto: Mia Anna Elisabeth Timmer

Würdest Du gern wissen, wo Deine verkauften Werke sind?
Ja! Ich kenne Menschen, die Malerei wegwerfen. Sie haben es gekauft – und dann möchten sie es nicht mehr haben. Ich weiß nicht warum.

Meinst Du, der NFT-Handel wird den Kunstmarkt bald dominieren?
Nicht komplett. Da wird nicht in Euro oder Dollar, sondern in Ethereum oder Bitcoin, also Krypto-Währungen, gehandelt. Man weiß nicht, wie sich das entwickeln wird, das ist kein stabiler Markt. Außerdem ist es eben sehr kompliziert: Man braucht dieses Konto, das muss man mit dem Bankkonto verknüpfen und so weiter. So kompliziert, wie es jetzt ist, kann es nicht populär werden.

Was möchtest Du in Deinem malerischen Raum noch ausprobieren?
Ich möchte meine digitalen Formen als große Luftballons im Raum installieren. Das ist nur leider sehr teuer. Auch als 3D-Druck. Darum habe ich das im Raum oben im Künstlerhaus mit fertigen Ballons probiert, die ich bemalt habe. Wenn ich eine Förderung dafür bekommen würde, dann möchte ich das aber unbedingt mit meinen Formen ausprobieren: viele Ballons für meinen malerischen Raum.

Eunjeong Kim:
„Floating Painting – Between analogue and digital“

Vernissage:
Freitag, 24. Februar, 19 Uhr

Ausstellung:
25. Februar bis 19. März
jeweils Do., Sa., So. 15 bis 18 Uhr
Künstlerhaus
Hauptstraße 2, Meinersen

Augmented Reality & Virtual Reality – Was genau ist das?

Augmented Reality lässt sich mit „AR“ abkürzen und als „erweiterte Realität“ übersetzen. Meist meint diese Erweiterung eine visuelle Ergänzung durch Bilder, Videos oder Objekte. Der Realität werden digitale Elemente hinzugefügt, die man durch eine Brille mit Digitalgläsern oder auf dem Bildschirm eines Smartphones oder Tablets sehen kann. So werden Realität und die erweiterte Realität miteinander kombiniert. Mit den Elementen der erweiterten Realität kann in Echtzeit interagiert werden. Die realen Elemente und die Elemente der erweiterten Realität stehen dreidimensional in Bezug zueinander. Prominentes Beispiel:
die Spiele-App Pokémon Go.

Virtual Reality wird abgekürzt „VR“ genannt und heißt auf deutsch „virtuelle Realität“. Es ist die Darstellung einer anderen Welt, die man durch Digitalbrillen mit Bildschirmen anstelle durchsichtiger Brillengläser wahrnehmen kann. Da diese Brillen komplett abgeschirmt sind, lässt sich durch sie ausschließlich diese digital dargestellte Welt sehen. Zudem kann man sich in dieser virtuellen Welt bewegen und sie im 360-Grad-Blick wahrnehmen. Zu den meisten VR-Programmen gehören neben der VR-Brille auch zwei Fernbedienungen, die in der Hand gehalten außerdem eine Interaktion in Echtzeit mit den Elementen der virtuellen Realität ermöglichen.


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