Essen & Trinken
Des Niedersachsen größte Winterfreude - Das Gasthaus Schaper in Gamsen verzückt mit Grünkohl und Hochzeitssuppe
Malte Schönfeld Veröffentlicht am 09.02.2022
Ob Braunkohl, Winterkohl oder Oldenburger Palme: Der Grünkohl hat viele Namen. Im Gasthaus Schaper wird er mit Bregenwurst, Kassler und Petersilienkartoffeln serviert. KURT-Tester Malte Schönfeld ist begeistert.
Foto: Bastian Till Nowak
Norddeutschland im Winter: rutschige Pflastersteine, schmutzige Pfützen, Regenschauer. Da muss man ein dickes Fell haben – oder einen tauglichen Anorak. Wenn‘s draußen ungemütlich wird, zieht es die Leute ins Warme. Und in die Esszimmer. Denn eine Spezialität holt doch immer wieder so gut wie alle Niedersachsen an einen Tisch: der Grünkohl. Den gibt es in aller Vollständigkeit im Gasthaus Schaper an der Hamburger Straße in Gamsen. Grund genug für KURTs Gastro-Tester Malte Schönfeld und seine Begleitungen, der Wirtschaft einen Besuch abzustatten.
Es ist erstaunlich: Hat man einmal sein Herz an die regionale Küche verloren, gibt es kein Zurück mehr. So wie der Schwabe seine Spätzle preist und die Berlinerin die Currywurst – in mir findet sich ein enges Band zu norddeutschen Gerichten. Da kann man nichts machen. Deshalb gehe ich schon einige Tage vor unserem Treffen meiner Begleitung auf den Wecker. Ich sage: „Wenn wir in diesem Winter nicht Grünkohl essen gehen, haben wir grundlegend etwas falsch gemacht.“ Meine Begleitung überlegt kurz, bekräftigt dann, dass sie auch Fan sei, und wir reservieren.
Die Idee findet derart Anklang, dass wir diesmal nicht zu zweit, sondern im Trio im Gasthaus Schaper aufkreuzen; meine Begleitung konnte noch ein politisches Schwergewicht aus der Umgebung für diesen Abend gewinnen. Mir soll‘s recht sein, schließlich trifft man dieser Tage selten auf unerwartete Gäste – die Pandemie ist der Spontaneität ihr schärfster Widersacher. Es folgt der Impfstatusabgleich am Tisch, das Einchecken per Luca-App. Passt alles.
Die perfekte Vorspeise: Bei einem Abend mit regionalem Essen darf die Hochzeitssuppe nicht fehlen.
Foto: Bastian Till Nowak
Im Anschluss wird die Menükarte gereicht. Schon beim Überfliegen zappeln mir vor Freude die Beine: gesottener Tafelspitz in Meerrettichsauce mit Petersilienkartoffeln und Salat, geschmorte Hirschkeule in Wacholderrahmsauce mit Apfelrotkohl und Kartoffelkroketten, Dialog von Rinderroulade und Ochsenbäckchen ebenfalls mit Apfelrotkohl und Kartoffelkroketten. Gerichte wie diese geben mir tatsächlich ein Gefühl von Heimat, von Orientierung. Nicht in diesem scheußlichen neopatriotischen Sinne, dass exakt so eine deutsche Karte auszusehen hat. Vielleicht eher als eine gutgemeinte Erinnerung: Das hat mir Dir zu tun, und das ist auch in Ordnung so.
Wie im Voraus abgesprochen läuft es bei uns aber auf den Grünkohl hinaus, das Schwergewicht und ich wählen die rustikale Variante mit Bregenwurst und Kassler, während meine Begleitung auf das Fleisch zugunsten zweier Spiegeleier verzichtet. Vorneweg wählen wir zwei Hochzeitssuppen und eine Tomatensuppe, die eigentlich nicht auf der Karte steht, glattweg aber zubereitet wird.
Richtig deftig im Winter: Der Grünkohlteller mit Kassler und Bregenwurst lädt genauso ein wie die Variante mit den Spiegeleiern.
Foto: Bastian Till Nowak
Zeit, um sich ein wenig umzuschauen. Das Gasthaus Schaper ist im besten Sinne das, was man sich darunter vorstellt: einzelne Speiseräume, die auch für größere Anlässe genug Platz bieten; eine Männerrunde, die bei wichtigen Gesprächen über das Dorfleben leckere Biere schluckt; an der Wand zahllose Bilder des Männergesangvereins, die teilweise bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Die im feinsten Zwirn Abgebildeten sehen aus als würden sie Fritz, Karl und Wilhelm heißen, so war‘s wahrscheinlich auch. Als die Bedienung uns die Suppen reicht, die selbstverständlich tadellos zubereitet sind und einen blendenden Auftakt darstellen, erklärt sie uns, dass das Gasthaus Schaper die Schankrechte im Jahr 1816 erteilt bekommen hat. Allgemeines Staunen in der Tischrunde.
Richtig deftig im Winter: Der Grünkohlteller mit Kassler und Bregenwurst lädt genauso ein wie die Variante mit den Spiegeleiern.
Foto: Bastian Till Nowak
Noch während wir diskutieren, ob diese Gamsener Perle zu den ältesten Gasthäusern der Umgebung gehört, kommt der Hauptgang. Prächtig sehen unsere Teller aus, die Portionen sind üppig. Gereicht wird der Grünkohl zusammen mit Petersilienkartoffeln, wir fragen dazu nach Senf, der umgehend parat steht. Geschmacklich trifft hier alles den Punkt: Das Kassler ist nicht zu salzig, die Bregenwurst angenehm in ihrer Würze, die Kartoffeln sind auf den Punkt. Ich würde die Wortwahl gerne vermeiden, aber: Wir schaufeln. Parallel bringen sich meine Begleitung und das Schwergewicht mit zügig geleerten Bieren in Stimmung. Man sollte das nicht zu dolle romantisieren, aber hier ist gerade alles perfekt, denke ich mir und nehme einen Schluck Coke Light.
Zu meiner Überraschung kommt sogar noch eine vierte Person an den Tisch, meine Begleitung ist in der freundlichen Laune der Einladung. Weitere Biere werden bestellt, dazu Fernet-Branca. Wir werfen noch einen Blick auf die Karte, bei meiner Begleitung und mir herrscht Einigkeit darüber, dass es nun zur Nachspeise kommen sollte: Belgische Waffeln mit Vanilleeis und warmen Kirschen. Die Wartezeit wird vertrieben mit einer weiteren Runde Lübzer, Jägermeister und Obstler.
Zum Nachtisch darf’s dann mit der Belgischen Waffel etwas Süßes sein.
Foto: Bastian Till Nowak
Als unsere vorzüglichen Waffeln kommen, sind wir bereits die letzten verbliebenen Gäste. Es ist Freitagabend in Gamsen, Schuld sind sicherlich die Zahlen, immer diese verdammten Zahlen. Ich esse Bissen für Bissen in voller Konzentration. Ich möchte mir diesen Abend einprägen, ihn lange bei mir behalten. Man weiß ja nie, wann man wieder in den Genuss kommt. Wir begleichen die Rechnung, steigen ins Auto und fahren die Innenstadt an, wo wir uns voneinander verabschieden.
Im Zug zähle ich mir geistig noch mal den Abend vor: Hochzeitssuppe, Grünkohl, Waffeln. Mmmh. Es fällt mir kaum auf, eigentlich gar nicht, und plötzlich liege ich in meinem Bett. Mir fallen die Augen zu. In dieser Nacht träume ich von einem alten Landgasthaus, Arbeiterhänden und Postkutschen. Am nächsten Morgen wache ich glücklich auf.
Gasthaus Schaper
Hamburger Straße 29, Gamsen
Täglich (außer Mi.) ab 17.30 Uhr
So. ab 12 Uhr
Tel. 05371-97670
www.gasthaus-schaper.com